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Rezensionen zu
Sodom und Gomorrha

Marcel Proust

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€ 20,95 [D]* inkl. MwSt. | € 20,95 [A]* (* empf. VK-Preis)

Auf das Hörspiel „Sodom und Gomorrha“, einer Gemeinschaftsproduktion von SWR, Dradio Kultur und Der Hörverlag, bin ich während meiner Lektüre des vierten Bands von Marcel Proust „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ gestoßen. Dieser Klassiker beschäftigt mich schon seit einiger Zeit, genau genommen war er sogar der Anlass mein Blog ins Leben zu rufen, wodurch wiederrum andere Bücher in mein Leseleben traten. So schreitet meine Proust-Lektüre gemächlich voran, mittlerweile bin ich im vierten Band gelandet, aber nicht gestrandet. Das Hörspiel mit seinen 318 Minuten auf 5 CDs holt mich also da ab, wo ich bin. Es basiert auf der bei Reclam erschienenen Neuübersetzung von Bernd-Jürgen Fischer, die Manfred Hess für die Produktion bearbeitete. Unter der Regie von Iris Drögekamp sprechen neben anderen Michael Rotschopf (Marcel), Lilith Stangenberg (Albertine), Gerd Wameling (Charlus), Stefan Konarske (Morel) und Matthias Habich (Swann). Das Ensemble Modern stimmt musikalisch in die Atmosphäre der Belle Époque ein. Der vierte Band der Recherche mit dem Titel „Sodom und Gomorrha“ spielt auf Formen gleichgeschlechtlicher Liebe an. Er lässt seine Leserin auf gut 700 Seiten Neues entdecken, bezieht sich aber ebenso mit vielen Motiven, Personen und Orten auf die vorausgegangenen Bände. Wir begegnen Baron de Charlus und verfolgen, wie Marcel entdeckt, was der Leser längst weiß. Die Homosexualität Charlus‘, die bei einem zufälligen Stelldichein mit Jupien, von Marcel beobachtet und gehört wird. Oh Sodom(ie) der Invertierten! Es folgt die Soiree bei der Prinzessin de Guermantes, auf die Marcel schon so lange gefiebert hat. In seinen hohen Erwartungen getäuscht, verfolgt er nicht ohne Amüsement die Gepflogenheiten dieser Gesellschaft. Neben Eitelkeiten und Bosheiten treten dort jede Menge Affairen zu Tage, zuletzt die politische um Hauptmann Dreyfus, über die meist hinter vorgehaltener Hand diskutiert wird. Eine weitere Szene führt ans Meer, nach Balbec, das Marcel schon früher besuchte. Im Grand-Hotel sind der Direktor und das Zimmer gleichgeblieben. Anderes hat sich verändert. Marcels Großmutter ist tot, sie kann ihn nicht mehr begleiten. Er selbst ist erwachsen geworden und nimmt am Gesellschaftsleben teil, was ihm eine Einladung zum „Kleinen Clan“ der Verdurins beschert. In Paris hat er diesen Salon oft gemieden, nun kommt er nicht drumherum, zumal er hofft, dort die Zofe der Madame Putbus anzutreffen und seinen Freund Saint-Loup. Wieder in Paris verfolgen wir, wie Albertine den armen Marcel der Wartequal aussetzt. Später wird der hingehaltene Liebhaber noch mehr zu leiden haben. Er verdächtigt Albertine der Untreue, ausgerechnet mit Andrée, einer Frau. Gomorrha! Es ist eine Herausforderung, die komplexe Struktur der Recherche in ein Hörspiel umzusetzen. Der stete Wechsel vom Erinnernden-Ich, das in verschiedene Stadien seiner Vergangenheit eintaucht, zum Handelnden-Ich charakterisieren den Roman. Das Hörspiel hingegen setzt stark auf Handlungssequenzen, die von Textlesungen unterbrochen werden. Der Umfang des Originals fordert zwangsläufig Kürzungen. Während also Lesungen aus der Fischer-Übersetzung in die Szenen einführen, meist begleitet durch das Kratzen einer Feder, bilden Dialoge den Schwerpunkt. Ihnen kommt der moderne Ton der Neuübersetzung zu Gute, er klingt spontan und alltagsnah. Gewöhnungsbedürftig war in meinen Ohren die Stimme, die Lilith Stangenberg Albertine verleiht. Ihr hoher Kleinmädchenton passt zwar zur vorgegaukelten Naivität, in der Albertine ihre Gerissenheit verbirgt, ist aber auf Dauer enervierend. Die anderen Stimmen, hervorzuheben seien besonders Michael Rotschopf als Erzähler und Gerd Wameling als Baron de Charlus, entsprechen sehr gut ihren Rollen. Hintergrundgeräusche wie Regen, Schritte, Vogelgezwitscher machen die Szenen lebendig. Die musikalische Untermalung hingegen gerät bisweilen etwas pathetisch. Doch dies sind nur geringe Einwände gegen die sehr gelungene Hörspiel-Umsetzung des vierten Bands der Recherche. Da in „Sodom und Gomorrha“ die wichtigen Themenbereiche des Gesamtwerks zu finden sind, kann das Hörspiel auch der ersten Begegnung dienen und in das berühmte Werk Marcel Prousts einstimmen. Oder auch diejenigen Proust-Leser, die zwischen den Zeilen vom Kurs abgekommen ist, erneut zu Proust‘schen Gefilden führen.

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