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Rezensionen zu
Leere Herzen

Juli Zeh

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„…, jene notorischen Nörgler, die seit Jahrzehnten mit ihrer Missgunst und Kleinkariertheit an den Fundamenten der Demokratie graben. Die das Internet in eine Schlammschleuder verwandelt haben, die nur glücklich sind, wenn sie auf andere herabschauen können. Die sich und ihre kindischen Bedürfnisse über alles stellen. Die lieber simplen Verschwörungstheorien glauben, als sich mit der komplizierten Wahrheit auseinanderzusetzen.“ Leere HerzenIn ihrem neuesten Roman Leere Herzen beschreibt Juli Zeh beklemmend realistisch ein Szenario, das nicht so weit von unserer aktuellen Situation entfernt ist, vielmehr eine mögliche logische Konsequenz daraus darstellt. Die meisten Menschen haben sich ins Nicht-wählen zurückgezogen und die Demokratie wird ignoriert zugunsten des bequemen Einnistens in ein möglichst sorgenfreies und sauberes Privatleben. An der Regierung ist die BBB (Bewegung Besorgter Bürger) mit der Kanzlerin Regula Freyer. Angela Merkel wurde durch die zunehmenden Proteste „Merkel muss weg“ gezwungen, ihr Amt niederzulegen, es gab Neuwahlen, aus der die BBB extrem stark hervorging. Ein Szenario, das Dank des Verhaltens von Leuten wie Seehofer, Söder, Weidel (war sie oder Petry das Vorbild für Regula Freyer?) und Gauland etc. tatsächlich immer wahrscheinlicher zu werden scheint. Trump allerdings scheint in Leere Herzen immer noch amerikanischer Präsident zu sein. Ebenfalls ein Szenario, das nicht so unwahrscheinlich ist. Liegt seine Zustimmung unter den Amerikanern doch gerade bei ca. 45%, und das trotz der in Lagern festsitzenden über 2000 Kindern, um nur eine seiner unendlich vielen Grenzüberschreitungen zu nennen. Langsam aber sicher werden die Grundrechte zurück gefahren und die Demokratie abgebaut. Allerdings merken die meisten das gar nicht, weil sie mit ihren eigenen Leben, Konsum, Sport oder der Frage beschäftigt sind, ob sie ihr Kind nach den Ansätzen der Silicon Valley Pädagogik bilden oder doch lieber in einer musisch orientierten Hochleistungsschule anmelden sollen. Beziehungsweise: sie finden es sogar richtig, dass die Grundrechte zurückgefahren werden, weil sie sich in einer offenen Gesellschaft bedroht fühlen. Die Politik zielt nur noch darauf ab, die Ängste der Menschen zu schüren und dann zu beschwichtigen. Dank des Internets wurde die Wählerschaft mit ihren Ängsten zu einer relativ leicht manipulierbaren Masse. Zwangsläufig führt die Strategie in eine immer abgeschottetere Gesellschaft. Die Menschen sind nicht mehr politisch, scheint es. Niemand interessiert sich für die allgemeine Situation oder die Situation anderer, solange es ihm privat gut geht. Britta und Babak haben eine psychotherapeutische Praxis in der Innenstadt von Braunschweig, Die Brücke. Ihre Klientel sind ausschließlich Männer, die suizidgefährdet sind. Britta und Babak lassen diese „Kandidaten“ ein zwölfstufiges Programm durchlaufen, um sie von ihren Selbstmordabsichten zu heilen. Die meisten Kandidaten verlassen das Programm auch auf Stufe 5, 6 oder 8 geheilt, wollen sich das Leben nicht mehr nehmen. Die ausgesuchten wenigen allerdings, die bis zu Stufe 12 kommen und der eigentliche Grund für das Geschäft sind, die auf Stufe 12 also trotzdem noch sterben wollen, das sind jene, mit denen Britta und Babak wirklich Geld machen. Sie vermitteln sie als Selbstmordattentäter an interessierte Organisationen: radikale Tierschützer, IS-ähnliche Armeen, die PKK. Diese zynische Strategie, die beide eher pragmatisch finden, hat sie reich gemacht. Die Situation beginnt sich zuzuspitzen, als ein Anschlag am Leipziger Flughafen geschieht, der zum ersten Mal seit langer Zeit nichts mit Der Brücke zu tun hat und wenige Tage später die junge Julietta in den Räumen Der Brücke auftaucht. Leere Herzen ist, wie alle Bücher von Juli Zeh, handwerklich großartig. Sie versteht es, den Leser vom ersten Satz an an die Hand zu nehmen und bis zum letzten Punkt auch nicht mehr loszulassen. Ein wirklicher Pageturner. Trotzdem habe ich mich während der Lektüre mehrfach an dem Buch gerieben, weil es mir zu glatt und konstruiert erschien. Beides Kritikpunkte, die ich immer noch habe und im Grunde bei allen neueren Büchern von ihr hatte. Leere Herzen ist nicht die Art Buch, die ich wirklich mag und häufig lese. Dennoch bin ich ein Fan von Juli Zeh, vor allen Dingen liebe ich ihre älteren Bücher wie Adler und Engel, Schilf, DieStille ist ein Geräusch (hier meine Rezension) oder Spieltrieb. Und was ich wirklich beeindruckend finde ist, wie schnell Juli Zeh in der Lage ist, aktuellste politische Geschehnisse literarisch auf relativ hohem Niveau zu verarbeiten und umzusetzen. An manchen Stellen fand ich die Geschichte, die Charaktere etwas sehr platt, etwas sehr konstruiert. Aber letztlich schildert sie, was ist und widersteht der naheliegenden Versuchung, eine Lösung mit großem Knall anzubieten. Das, was sie dem Leser bietet, ist im Grunde viel komplizierter. Denn für mich enthält das Buch am Ende eine sehr klare Botschaft: wenn wir die Demokratie, Europa, unsere Werte retten wollen, können wir das nur, wenn wir wirklich fühlen, dass sie gerade zerstört werden, jeden Tag ein bisschen mehr, und wenn wir wirklich spüren, dass wir sie erhalten wollen. Nur dann haben wir vielleicht den Mut, die Ausdauer und Kraft, dafür einzustehen und uns nicht gemütlich in unsere Gärten und Leben zurückzuziehen. Solange es den meisten im Grunde egal ist, wird es weiter bergab gehen. „Du bist nicht leer“, sagte Julietta sanft. „Du trägst alles in dir. Du musst dir nur erlauben, auf dich selbst zu hören.“ Ein Buch, das gerade in diesem Sommer, in dem die "Merkel weg"- Rufe immer lauter werden, in dem die Nation schon in der Vorrunde der WM "gedemütigt" vom Rasen kriecht, eine wichtige Lektüre ist. Denn es beschreibt die Befindlichkeit derer, die dem Ende der Demokratie den Weg bereiten, haargenau. Also trotz meiner persönlichen Zurückhaltung empfehle ich das Buch dennoch, zum Beispiel als wunderbare Urlaubslektüre. Weil ich das Thema so unglaublich wichtig finde und es hier in einer Form verarbeitet wird, die ich als sehr zugänglich empfunden habe. Hier meine anderen Texte vom Blog, die sich mit Juli Zeh und ihren Büchern befassen. Ich danke dem Luchterhand Verlag sehr herzlich für das Rezensionsexemplar. (c) Susanne Becker

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Babak und Britta führen ein Unternehmen, das Selbstmörder sucht: entweder, um sie vom Selbstmord abzuhalten oder um sie zu Selbstmordattentätern zu machen. Sie verkaufen die Kandidaten an die entsprechenden Organisationen, weshalb Attentate nur noch perfekt, aber seltener stattfinden. Die Geschichte spielt in naher Zukunft, an der Regierung ist eine Partei, die nach und nach die Grundrechte einschränkt und abschafft. Britta ist desillusioniert. Sie ist verheiratet, hat Freunde, ein Kind, ihr Mann scheint plötzlich Erfolg mit seinem Unternehmen zu haben, oder doch nicht? Dann taucht auch noch Julietta auf – die erste Frau, die ein Selbstmordattentat begehen will – und plötzlich sprengen sich am Leipziger Flughafen zwei junge Männer in die Luft – und niemand weiß warum. Doch sie waren mal in Brittas und Babaks Firma und natürlich noch in ihrer Kundendatei … Die Geschichte überrascht inhaltlich an vielen Stellen. Sie wirkt kühl, weil Britta versucht, so kühl zu sein, um nicht unterzugehen. Doch dadurch wirkt das Buch insgesamt recht kühl, linear, zielstrebig, ohne aber am Ende tatsächlich einem Ende, einer Überraschung, einem Highlight entgegen zu streben. Das Ende bleibt diffus, undeutlich. Während die anfänglichen (im Text als nicht besonders gut versteckte Belehrungen) Warnungen Brittas vor einem Rechtsruck noch zeigen, wie sehr die Menschen sich treiben lassen, wenn sie ein Gefühl der Ohnmacht haben bzw. wenn sie keine ausreichenden Informationen besitzen, driftet der Roman in der zweiten Hälfte ins Unwirkliche ab. Der erste Teil wird von den Belehrungen (bzw. Warnungen) dominiert, der zweite von Aktionismus, beides überzeugt nicht wirklich. Trotzdem kann man das Buch gut lesen, es bleibt aber ein Gefühl, dass da noch was fehlt.

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In Leere Herzen von Juli Zeh ist die Demokratie in Deutschland passé. Die „Besorgte-Bürger-Bewegung“ regiert das Land, die EU zerfällt, die Nato ebenfalls. Eine Zeit, in der das Unternehmen von Britta und ihrem Geschäftspartner Babak floriert. Es trägt den harmlosen Namen „Die Brücke“, scheint an Misanthropie und Perversion jedoch schwerlich zu überbieten zu sein: Das Projekt macht aus dem internationalen Terrorismus und seinen »amokartigen Aktionen« eine buchbare Dienstleistung. Per App, mit Hilfe eines Algorithmus‘, werden geeignete (sprich selbstmordgefährdete) Anwärter rekrutiert. Gezielte Auswahl, gezieltes Training, garantierter Erfolg. Mit diesem Geschäftsmodell – aus dem Zeh in Leere Herzen über weite Strecken ein Geheimnis macht – lässt sich gutes Geld verdienen. Full Hands Empty Hearts // It’s a Suicide World Britta führt ein gut funktionierendes Doppelleben. Nicht einmal ihr eigener Ehemann weiß, womit sie tatsächlich den Lebensunterhalt für sich und die gemeinsame Tochter verdient. Doch dann geschieht ein stümperhaftes Attentat, eine zwielichtige Figur taucht auf und Brittas Welt(bild) gerät ins Wanken. Juli Zeh zeichnet mit klarer, schnörkelloser Sprache das Bild eines dystopisches Deutschlands und im weiteren Sinne einer dystopischen Welt. Die leichte, wenig kunstvolle Sprache, die Zeh für Leere Herzen gewählt hat, verdoppelt das tiefgreifende Unbehagen, das den Leser zwangsläufig bei der Lektüre befällt. In einer vom rechten Populismus durchdrungenen Welt, in der Abgrenzung und Hass mehr als alles andere regieren, ist für Wortverliebtheit als bedeutender Teil der menschlichen Kultur kein Raum. Dem Roman vorangestellt sind die fett gedruckten Worte: Da. So seid ihr. Schaut hin, erkennt euch! Die Lektüre als Blick in den Spiegel? Sind wir so? So gleichgültig? So skrupellos? So manipulierbar? Und letztlich auch so leer im Herzen? Zehs Roman bewegt sich irgendwo zwischen Dystopie, Polit- und Psychothriller. Was ich an Juli Zehs Romanen schätze, ist ihr klarer, unverstellter Blick auf die Dinge und die Scharfsichtigkeit, mit der sie die Welt betrachtet. Eine Agentur, die potenzielle Selbstmordattentäter rekrutiert und vermittelt? Wie abwegig ist dieser Gedanke wirklich? Eine Regierung, die ihre Bürger um immer mehr Rechte bringt? Wie weit sind wir davon entfernt? Letztendlich ist Juli Zehs Roman ein leidenschaftliches Plädoyer für Freiheit und Vielfalt und gegen Nationalismus. Lesenswert!

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