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Rezensionen zu
Gespräche mit Freunden

Sally Rooney

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Gegenwartsliteratur, die sich nur um zwischenmenschliche Beziehungen dreht, lese ich eigentlich nicht. Und trotzdem. Für Menschen, die in Großstädte ziehen und „irgendwas mit Medien“ machen, interessiere ich mich nicht besonders. Und trotzdem. „Mann betrügt Ehefrau mit deutlich Jüngerer“ klingt für mich ziemlich nach Klischee. Und trotzdem habe ich „Gespräche unter Freunden“ beinahe an einem Tag durchgelesen. Die Autorin Sally Rooney wird als DER britische Shootingstar am Literaturhimmel (die Zeit 30/2019) bezeichnet und ihr Debut „Gespräche mit Freunden“ wird bereits von der BBC als zwölfteilige Serie verfilmt. Was macht die 28-jährige Irin mit ihrem Erstlingswerk also so besonders? Die Geschichte des Buches ist schnell erzählt und eine Spoilerwarnung auch nicht notwendig, weil es im Buch nicht um die Geschichte geht. Die Handlung bietet lediglich den Rahmen für die titelgebenden Gespräche, die beinahe schon eine Generationenstudie darstellen. Worum geht es also? Frances und ihre Exfreundin Bobbi – beide Anfang zwanzig – treten häufiger gemeinsam bei Spoken-Word-Veranstaltungen auf. Dort treffen sie auf ein Ehepaar Mitte dreißig, sie Autorin, er Schauspieler. Die vier kommen ins Gespräch, werden Bekannte. Frances, aus deren Perspektive die Geschichte geschrieben ist, beginnt eine Affäre mit dem verheirateten Mann, dessen Beziehung zu seiner Frau nicht mehr wirklich glücklich zu sein scheint. So weit, so unspektakulär. Allerdings passiert in dem Roman stilistisch und erzähltechnisch einiges, was den Roman von anderen abhebt und wovon ich berichten will. Was mir beim Lesen von „Gespräche mit Freunden“ aufgefallen ist: Der erste Bruch in meinem Leben fand statt, als ich feststellen musste, dass die meisten professionellen Fußballspieler mittlerweile deutlich jünger waren als ich. Nun muss ich mit dem Gedanken anfreunden, dass auch erfolgreiche Autor*innen jünger sind als ich. Hart! Sprachliche Äußerungen sind nicht durch Anführungszeichen markiert. Es mag sich nach einer Kleinigkeit anhören, es fühlt sich wahnsinnig neu und ungewohnt an. So war ich stellenweise zum Beispiel unsicher, ob es sich bei dem gerade Gelesenen um einen Gedanken oder einen Gesprächsbeitrag handelte. Ich fühlte mich als Leser gefordert, mir meine eigenen Gedanken zu machen: Was hätte ich gesagt? Hätte ich in der Situation dasselbe gedacht? Die „Freunde“ haben mich also in ihre Gespräche eingebunden. Die Unterhaltungen finden auch über Chats und E-Mails statt, die im Buch abgedruckt sind. Auch insgesamt ist der Schreibstil nüchtern, wie ein Chatgespräch, bei dem die Smileys fehlen. Als Leser wusste ich manchmal nicht: Ist das ernst gemeint? Fehlt da etwas? Wie soll ich auf das Gelesene reagieren? Keine der Figuren ist wirklich sympathisch. Frances nicht, die großen Wert auf ihr Äußeres legt und ständig erwähnt, welche Kleidung sie am jeweiligen Anlass an hatte. Auch Bobbi nicht, die von allen geliebt wird und sich deshalb benehmen kann, wie sie will. Schon gar nicht Nick, der sich häufig passiv verhält oder Melissa, die in ihrer Ehe die Zuneigung vergessen zu haben scheint. Trotzdem waren mir die Figuren für die Zeit der Lektüre wichtig und ich wollte teilhaben an ihrem Leben. Ich schätze, das ist eine ziemliche Leistung von Sally Rooney. Ein gelungener Ausflug ins Grüne Manchmal lohnt es sich, über den literarischen Tellerrand hinauszuschauen. „Gespräche mit Freunden“ ist ein denkwürdiges Debut von Sally Rooney und obwohl Gegenwartsliteratur nicht zu meinen bevorzugten Genres gehört, war ich von Anfang bis Ende gefesselt, zeitweise überrascht und auch über das Ende hinaus nachdenklich. Alle, die bis hierhin gelesen haben, sollten ernsthaft über einen Kauf des Buches nachdenken, mir fehlen nämlich noch Leute, mit denen ich mich darüber austauschen kann! Das wäre dann quasi ein weiteres „Gespräch mit Freunden“.

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Worum geht’s? Frances und ihre beste Freundin Bobby sind Studentinnen in Dublin und waren mal ein Paar. Sie treten gemeinsam bei Spoken Word Events auf und besuchen Literaturveranstaltungen. Bei einer dieser Veranstaltungen lernen sie das gut zehn Jahre ältere Ehepaar Melissa und Nick kennen. Melissa ist Fotografin und möchte einen Beitrag für ein Literaturmagazin über die beiden veröffentlichen. Sie treffen sich zum Essen, auf verschiedenen Veranstaltungen und verreisen gemeinsam. Sie unterhalten sich über Liebe, Sexualität, Politik, Kunst und Literatur und vor allem über sich selbst. Während Bobby von Melissa fasziniert ist, fühlt sich Frances immer mehr zu dem Schauspieler Nick hingezogen und die beiden beginnen eine Affäre. Es entsteht ein kompliziertes Beziehungsgeflecht in dem jeder versucht, seinen Platz und Anerkennung zu finden. Meine Meinung Spätestens seit ihrem Roman Normal People ist Sally Ronney zumindest in Irland und Großbritannien in aller Munde. Nun ist ihr Debütroman Conversations with Friends endlich auf Deutsch erschienen und ich kann sofort sagen, dass ich diese Begeisterung verstehen kann! Ich finde es nicht leicht, zu erklären, was mich so sehr an diesem Roman fasziniert hat. Die Geschichte an sich ist ja nichts Neues. Eine zufällige Bekanntschaft, die in einer Dreiecks- oder in diesem Fall wohl eher Vierecksbeziehung mündet. Eifersucht, Untreue, Drama, Unsicherheit…das gab es schon tausendfach, aber die Art, wie Sally Rooney darüber schreibt und worauf sie den Fokus legt, ist so besonders. Hier steht nicht die Beziehung an sich im Mittelpunkt, sondern die Beobachtungen und das Innenleben der Protagonistin, die versucht ihren Platz in der Welt zu finden, sich ausprobiert und dabei immer besonders auf ihre Außenwirkung auf und die Anerkennung durch die Personen in ihrem Umfeld bedacht ist. Der Großteil des Romans ist durch – wie der Titel schon sagt – Gespräche unter den Freunden auf Veranstaltungen, bei Abendessen, gemeinsamen Unternehmungen und auch im Rahmen von E-Mails und Telefonaten geprägt. In diesen Gesprächen geht es mal um aktuelle Themen: Politik, Religion, Gender-Fragen, um Kunst und Literatur aber auch um Sexualität, Freundschaft, persönliche Ansichten, Vorstellungen und Empfindungen. Die Protagonistin Frances ist Anfang 20, intelligent, hübsch und ziemlich gebildet. Nach außen wirkt sie kühl und unnahbar, doch innerlich ist sie ziemlich unsicher, ständig auf der Suche nach sich selbst. Ihre Gefühle und Bedürfnisse und Taten und Worte gehen oft weit außeinander, weil sie immer sehr darauf bedacht ist, wie sie wohl auf andere Personen wirkt. Sie denkt sogar von sich selbst, dass sie keine wirkliche Persönlichkeit hat. Sie studiert Literatur und versucht sich selbst als Schriftstellerin. Einen wirklichen Plan davon, was sie mit ihrem Leben anfangen will, hat sie aber nicht. Ein normaler Job gehört jedenfalls nicht dazu. Sie beginnt eine Affäre mit dem älteren und zudem verheirateten Schauspieler Nick, sie verliebt sich, aber er liebt seine Ehefrau noch immer und möchte sie nicht verlassen. Frances gehört natürlich zu der Generation, die mit Polygamie und Polyamorie gar kein Problem hat, die vollkommen offen und Tolerant jeder Art von Lebensweise und Beziehung gegenüber ist. Das möchte sie zumindest von sich denken und so stört es sie umso mehr, dass sie mit der ganzen Sache doch nicht ganz so glücklich und ungezwungen umgehen kann. Dann wird sie auch noch krank, was ihr Selbstbild weiter ins Wanken bringt. Obwohl ich mit Frances nicht viel gemeinsam habe und sie zudem nicht sonderlich sympathisch finde, konnte ich mich sehr gut in sie hineinversetzen und mit ihr mitfühlen. Das hat die Autorin mit der unglaublich authentischen und facettenreichen Charakterzeichnung einfach geschafft. Die klugen Beobachtungen, die Frances über ihr eigenes Verhalten und das ihrer Freunde anstellt, kamen mir dabei immer wieder bekannt vor. In unserer heutigen Zeit, in der uns alle Möglichkeiten offenstehen, wird Eigenengagement und Selbstverwirklichung vorausgesetzt, sehr viel Toleranz, Offenheit und Lockerheit erwartet, vor allem wenn man jung ist. Wie viele Menschen geben sich wohl nur so, wie sie sich verhalten, weil sie gerne so gesehen werden möchten oder weil sie glauben, dass es von ihnen erwartet wird? Das ist eine Frage, die mir beim Lesen immer wieder in den Sinn kam. Frances will insgeheim mehr von der Beziehung, als Nick ihr geben kann oder möchte. Auf der anderen Seite gibt sich immer so ironisch und kalt, dass Nick vermutet, sie habe gar keine Gefühle. Auch als sie krank wird, steht für sie sofort fest, dass sie niemandem davon erzählen wird. Bloß keine Schwäche zeigen. Krank zu sein, passt nicht zu dem Bild, das sie gerne von sich haben möchte, deshalb darf es auch keiner erfahren. Ihre Eltern leben getrennt und vor allem die Beziehung zu ihrem Vater ist ziemlich zerrüttet. Sie versucht den Kontakt zu ihnen so gering wie möglich zu halten. Und plötzlich ist sie allein. Statt sich anderen anzuvertrauen, ehrlich zu sein und zu ihrer Verletzlichkeit zu stehen, baut sie lieber eine Mauer um sich auf, denn zuzugeben, dass es ihr nicht gut geht, würde ihrem Ziel entgegenstehen, ein fröhliches Mädchen zu sein. Auch die anderen Charaktere sind sehr interessant und vielschichtig. Die hübsche und extrovertierte Bobby, die mit ihren Argumenten jeden Gesprächspartner in die Ecke drängen kann. Die undurchschaubare Melissa und der ruhige Nick…ein Ehepaar mit Problemen. Spannend ist vor allem wie die Dynamik der Gespräche dargestellt wird. Es geht nicht nur um Meinungsaustausch, sondern vor allem um Selbstdarstellung. Vielmehr als nur die eigene Meinung zu vertreten, geht es darum gekonnt argumentieren und mit dem eigenen Wissen zu trumpfen, komplizierte Fachbegriffe einzuwerfen, intelligent zu wirken. Statt wirklich die eigene Meinung, die eigenen Gefühle zu kommunizieren, ist es wichtig, cool zu wirken, bloß keine Unsicherheit zu zeigen. Was Frances hier beobachtet, ohne es zu benennen oder zu bewerten, ist mir selbst schon oft in Gesprächen aufgefallen, aber dieser Roman macht es mit einer Art und Weise, die mich oft schmunzeln ließ, einmal richtig deutlich! Ohne Schnörkel zeigt Gespräche mit Freunden einen authentischen Ausschnitt aus der Realität einer jungen Frau in der heutigen Zeit. The Independent schreibt über die Autorin, sie sei “die wichtigste literarische Stimme der Generation Y.” und ich denke, da ist was dran. Selten habe ich einen Roman gelesen, der so authentisch und direkt die alltäglichen Probleme, die Lebenswirklichkeit dieser Generation auf den Punkt bringt. Fazit Gespräche mit Freunden hält das, was der Titel verspricht. Es geht um Freunde, die sich über alles mögliche und vor allem sich selbst unterhalten und um eine Protagonistin die sich und die anderen dabei scharfsinnig beobachtet. Wie sehen die anderen mich und wie möchte ich gesehen werden? Das sind die Fragen, die bei diesen Beobachungen eine wesentliche Rolle spielen und zum Nachdenken anregen. Ich habe dieses Buch verschlungen!

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Herzliche Gratulation!

Medici Buchhandels GmbH

Von: Marlene Walder aus Innsbruck

26.08.2019

Ich schreibe Ihnen dieses Mail, weil ich Ihnen sagen muss, wie überwältigt ich von »Gespräche unter Freunden« aus dem Luchterhand Verlag bin. Ich habe das Buch an einem Nachmittag ausgelesen und bin sehr begeistert. Herzliche Gratulation an den Verlag für diesen fabelhaften Debütroman!

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Klappentext und Aufmachung des Buches hatten mich aufmerksam werden lassen und so begann ich gespannt mit der Lektüre. In der Geschichte geht es um die beiden Studentinnen Frances und Bobbi, die als Teenager mal ein Paar waren und jetzt beste Freundinnen sind. Als sie ein Ehepaar kennenlernen, wird das ihre Welt gänzlich verändern. Was bedeutet Freundschaft? Was bedeutet Liebe? Werden es die beiden herausfinden? Zunächst einmal muss ich den recht nüchternen Schreibstil der Autorin loben, der sich eher so anfühlt als würde man Menschen belauschen als dass man ein Buch liest. Auch wenn man anfänglich denkt, dass diese Art der Schreibe keine Gefühle bei einem hervorruft, so tut sie es doch. Die Handlung wird uns aus der Sicht von Frances nahe gebracht, da sie hier als Ich- Erzählerin fungiert. Auch wenn sie mir nicht immer sympathisch war, so konnte ich ihr Handeln die ganze Zeit voll und ganz verstehen. Ihre unterkühlte Art hatte etwas sehr spezielles, bei der ich mir wirklich vorstellen kann, dass das andere Menschen anzieht. Bobbi mochte ich persönlich am liebsten, denn sie ist so unglaublich selbstbewusst und macht ihr Ding. Von ihr könnte man sich glatt eine Scheibe abschneiden. Bei Melissa und Nick dachte ich anfänglich, dass sie über vierzig sind, weil sie doch als recht konservativ beschrieben werden. Dass sie dann aber erst Anfang dreißig sind, erschien mir anfänglich etwas unglaubwürdig, aber wahrscheinlich hat jemand mit Anfang zwanzig genau diese Sicht auf jemanden in meinem Alter. Melissa mochte ich nicht sonderlich, da ich sie immer als sehr herrisch empfunden habe. Aber wahrscheinlich ist einem jedes Mittel recht um die eigene Ehe zu retten. Nick war hingegen sehr ambivalent. Klar konnte ich die Faszination verstehen, die er auf Frances ausübt, schlicht weil er Schauspieler ist und gut aussieht, aber das allein reicht ja kaum für eine feste Beziehung. Er war mir einfach zu fremdbestimmt, da er sich von den Frauen in seinem Leben so rumschubsen lässt. Andererseits hat ihn das auch sehr interessant wirken lassen, da man herausfinden will warum er so ist. Die letzten hundert Seiten hatten es dann nochmal echt in sich und konnten mich dann völlig für den Roman einnehmen. Mich hat sehr berührt, dass eine der Protagonistinnen Endometriose hat und wie sie damit umgeht. Da konnte ich sehr mitfühlen, weil ich dieselbe Erkrankung habe, die kaum einer kennt und doch sehr viele Frauen haben. In meinen Augen werden sich vor allem Leser angesprochen fühlen, die im Alter der Protagonisten sind und ähnliches durch haben in puncto Beziehungen. Fazit: Ein unterhaltsamer Roman, der die Arten der Beziehungsmöglichkeiten sehr interessant beleuchtet. Gern spreche ich eine Leseempfehlung aus.

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Frances und Bobbi sind beide 21 und studieren am Dubliner Trinity College. Sie kennen sich seit der Schule und haben eine fast symbiotische Verbindung. Eine Zeitlang waren sie ein Paar, nun sind sie beste Freundinnen und bilden ein Spoken-Word-Duo, bei dem Frances die Texte schreibt und Bobbi das charismatische Aushängeschild ist. Bei einer ihrer Veranstaltungen lernen die beiden das Ehepaar Melissa und Nick kennen. Diese sind in den Dreißigern, sie Fotografin und Autorin, er Schauspieler, schon arriviert, wohlhabend und ein bisschen glamourös. Man ist voneinander fasziniert und das Beziehungsgefüge gerät heftig ins Schwanken. Davon erzählt die junge irische Autorin Sally Rooney in ihrem hochgelobten Debüt „Gespräche mit Freunden“. Im englischsprachigen Raum fand das Buch gleich begeisterte Aufnahme, aber auch, besonders von männlichen Kollegen einiges an Ablehnung. Seicht sei es, „reine Frauenlektüre“, was immer das auch sein mag. Andere Stimmen wiederum sahen darin DEN Roman über die Generation Y, also die in den Neunziger Jahren Geborenen. Ich denke nicht, dass es einen solchen Generationenroman überhaupt geben kann, keine Generation ist so homogen. Und auch hier ist es natürlich nur ein kleiner Ausschnitt aus der Gesellschaft, der abgebildet wird, gut ausgebildet, einigermaßen wohlhabend, kreativ und weiß. Aber dennoch transportiert der Roman viel Gegenwärtiges. Ich bin zumindest froh, Lebensabschnitt, den man im Nachhinein gerne verklärt, hinter mir zu haben. Denn natürlich ist ein Roman über sehr junge Menschen auch immer ein Bildungsroman, ein Entwicklungsroman. Und die Ich-Erzählerin Frances hat damit zu kämpfen, sich in der Gegenwart zu verorten. Nach außen hin selbstständig, selbstbewusst und unabhängig, bröckelt die Fassade bei genauerem Hinsehen. Frances Identität erscheint unsicher und fragil, so wie ihre wirtschaftliche Lage. Teil der „Generation Praktikum“ leistet sie ein solches unbezahlt in einer Literaturagentur, ist auf die unzuverlässigen finanziellen Hilfen ihres Vaters angewiesen. Die Ehe ihrer Eltern ist schon lange zerrüttet, der Vater trinkt zu viel (eine irische – zumindest literarische – Tradition), lässt sich, sein Haus und seine Beziehung zur Tochter verwahrlosen. Frances ist hin- und hergerissen zwischen Anteilnahme und Gleichgültigkeit. Eine Haltung, die sie auch ihrem eigenen Leben gegenüber einzunehmen scheint. „Manchmal kam es mir so vor, als würde ich es nicht schaffen, mich für mein eigenes Leben zu interessieren, und das deprimierte mich. Andererseits fand ich, dass mein Desinteresse an Reichtum ideologisch gesund war.“ Frances ist wie viele ihrer Altersgenossen in eine ständige Selbstbefragung verstrickt. Wie wirke ich auf andere, wie komme ich an, bin ich gut genug? Wichtig ist eine gewisse Coolness, die nur aufrechtzuerhalten ist, wenn man Distanz wahrt, zu anderen, aber auch zu sich selbst. Gleichzeitig dreht sich bei ihr alles um das eigene Ego, die eigene Befindlichkeit. Ein gefährlicher Spagat, der verletzbar macht. Sich dem zu entziehen, gelingt halbherzig, indem man möglichst wenige Gefühle zeigt, auch wenn man sie in den Sozialen Medien oft inflationär zur Schau stellt. Aber vorsichtig, misstrauisch ist im „Real Life“. So verhält es sich auch in der Liebesbeziehung, die Frances mit Nick eingeht, zunächst im Geheimen, dann mehr oder weniger geduldet von Melissa. Nick ist ein schwacher, labiler Mann, der zu Depressionen neigt. Zunächst gefällt es Frances, dass sie die Kontrolle über die Beziehung behält, sie weitestgehend auf Sex reduziert. Aber dann kommen eben doch Gefühle dazwischen. Gefühle, die sie sich oft nicht zugesteht. Gefühle, die sie manchmal durch körperliche Empfindungen kompensiert, indem sie sich selbst verletzt. Irgendwann wird bei ihr eine schmerzhafte Unterleibserkrankung diagnostiziert. „Gespräche mit Freunden“ von Sally Rooney ist eine Aneinanderreihung von tatsächlichen Gesprächen, von Selbstbefragungen, von Online-Chats, E-Mails, SMS, Telefonaten. Beschreibende Passagen, ob über Personen oder Umgebungen sind eher selten. Mit ihrem klaren, bewusst reduzierten Stil kommt Sally Rooney den Befindlichkeiten ihren Figuren damit sehr nahe und verwebt die verschiedenen Erzählpositionen geschickt miteinander. „Gespräche mit Freunden“ liest sich leicht, vielleicht hallt es auch nicht besonders lange und tief nach, aber es zeigt doch auf ganz eindrückliche Weise, vielleicht nicht die Stimmungslage einer ganzen Generation, aber doch eines bestimmten Teils von ihr. Das ist Sally Rooney gut gelungen. Nun darf man gespannt sein auf ihren zweien Roman, „Normal People“, der hoffentlich bald auf Deutsch erscheint und in England auf der Longlist des Booker Prize 2018 stand.

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Ich war überaus gespannt, die neue literarische Stimme der englischsprachigen Literatur kennenzulernen. Ich fragte mich, ob mich das Debüt von Sally Rooney genauso einnehmen würde, wie andere LeserInnen zuvor auch. Die ersten Zeilen las ich daher am Meer, dort ist bekanntlich alles viel schöner, alles besser, alles aufregender. Vor allem ein Buch! Sally Rooney, so sagt man, habe ein Wunderwerk vollbracht. Ihr erster Roman sei extrem vielschichtig und besäße eine solche Sogkraft, dass es einen buchstäblich umhaue. Zadie Smith verneigt sich vor ihr. Ich werde es sicher auch tun, denke ich. Ich bin unentschlossen, wo genau ich ansetzen soll, deswegen ähnelt dieser Text eher einem persönlichen Eindruck als einer professionellen Rezension. Der Roman von Rooney ist die fortwährende Szene einer vielverzweigten Diskussion. Vier Figuren, zwei Paare, eine Hauptprotagonistin: Frances ist 21, Studentin und lesbisch – mit Bobbi (Geschichtsstudentin) – bis sie Nick trifft und bisexuell wird. Nick (Schauspieler) ist mit Melissa (Fotografin) verheiratet, die wiederum findet Bobbi attraktiv. Die Truppe lernt sich auf einem Poetry Slam-Abend kennen, wo Frances und Bobbi auftreten. Der Roman stellt diese Personenkonstellation in den Mittelpunkt des Geschehenes, ebenso wie die sich zwischen ihnen abspielenden intellektuellen Unterhaltungen, und die damit aufkommenden Gefühle. Das Stück lotet Potentiale zwischen Personen aus, erprobt „was so alles geht“, wenn Streit und Neid, Eifersucht und Schmerz, Leid und Liebe ineinandergreifen und die einzelnen Figuren einzeln und miteinander in diesem Gefühlskosmos wandern lassen. Die sensible Frances – die zufälligerweise (oder auch nicht?) der tollpatschigen Versagertänzerin Frances Ha aus dem gleichnamigen Film von Noah Baumbach zwillingshaft ähnelt – figuriert dabei als Projektionsfigur des Romans, die dieses komplexe Emotionschaos verstärkt durchlebt und vor allem für die Leserschaft minutiös reflektiert. Rooney hat mit ihr eine unabhängige und experimentierfreudige Figur erschaffen, die ihre traumatische Kindheit und den Aufstieg aus der sog. „Arbeiterklasse“ durch neue soziale Verbindungen, körperliche Selbstverletzungen und viel Nachdenken zu verarbeiten sucht. In den intelligenten und zum Teil traurig komischen Gesprächen geht es um Politik, Kunst und Beziehungen – zu sich selbst und zu anderen. Muss man einen alkoholkranken Vater lieben? Darf man anders sein als die eigenen Eltern? Ist es erlaubt, der/dem Ex auf ewig nachzutrauern und deswegen zukünftige eigene Beziehungen zu sabotieren? Kann man einen verheirateten Menschen aufrichtig lieben ohne den Drang zu haben, dessen Ehe zerstören zu wollen? Muss man zwangsläufig dessen EhepartnerIn hassen, obwohl diese/r eigentlich liebenswürdig und zuvorkommend ist? Wird man unheilbar krank, wenn man sich moralisch falsch verhält? Ist es deshalb angeraten, doch an einen Gott zu glauben? Was ist mit Selbstliebe? Muss man alles sagen, was man denkt? Und warum sind heutige Depressionen die Spätfolge des globalen Kapitalismus? Muss man auf „hart tun“, weil man am Weltgeschehen droht, zugrunde zu gehen? Oder darf man weinen, auch beim Sex? Sally Rooneys Figuren arbeiten sich an dieser Art von unbeantwortbaren, philosophischen Fragen ab. Als Teil der Generation Y hinterfragt Rooney mit ihnen, wie ökonomische, politische und soziale Umwelten unser Denken prägen, welchen physischen und mentalen Folgen dieser Entwicklungen wir ausgesetzt sind und wie wir mit ihnen in der Öffentlichkeit und heimlich umgehen. Der Roman ist dabei auf eine äußerst kluge Weise Kritik an diesem globalen Gesellschaftssystem, indem es am Ende nur einer Tatsache Raum schenkt: Wahre katharische Heilung gibt es wohl nach wie vor nur im Arm eines Anderen, oder etwa nicht? Ganz herzlichen Dank an der Verlag!

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Now also available in German! This book is dangerously addictive and strangely fascinating, and the true riddle at its core is how Sally Rooney achieves these effects with a text that mainly consists of dialogue, with very sparse atmospheric descriptions, and with a story that is certainly not fast-paced or original. Rather, the focus is on introspection and the attempt to connect to other people in various ways, and Rooney manages to render the situations she describes unsettlingly relatable - what might be a mundane story arc for a literary character is an existential experience for the individual depicted, and Rooney makes the reader feel for her protagonist while at the same time capturing our current cultural moment. Our main character and narrator is Frances, a student at Trinity College (which Rooney herself attended) who has a working class background and enjoys performing spoken word poetry with her friend (and ex-girlfriend) Bobbi. At such an event, they meet Melissa, a journalist, and later her husband Nick, and they befriend the couple who is about ten years their senior. What comes next is to be expected: Frances has an affair with Nick, a depressed actor in crisis, and frankly, not much more happens, but Rooney does a fantastic job depicting Frances' feelings and decisions in the light of current discussions and themes in the context of feminism, moral values, and love. We also get numerous scenes describing Frances' experiences as the kid of divorced working class parents who as a student - struggling to make ends meet - is thrown into a world populated by people with different backgrounds and thus attitudes. It is a real pleasure listening to Rooney's language, which, while not lyrical or exuberant, is witty, smart and precise - this is a book with lots of dialogue written by a former European debating champion. There is something cool and sometimes even pleasantly deadpan about the delivery of the whole book, which tends to stand in vibrating juxtaposition to borderline pretentious statements uttered by some characters, many of them over-edcuated (if there even is such a thing), but limited when it comes to their emotional repertoire. Then again, we all have limits when it comes to our emotional expertise, the differentiating question is mainly where those limits lie, in this book just as in real life. A pretty great book, and I guess I have to read Normal People now. (I listened to the German audiobook; Zoë Beck's translation flows wonderfully and Dagmar Bittner does a great job reading the text.)

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Cover: Das Cover hat mich direkt angesprochen und passt sehr gut zum Stil des Romans, denn wie die Frau auf dem Cover ist man eher Beobachter als Teilnehmer. Inhalt: Frances und ihre beste Freundin studiert in Dublin und lernen das etwa 10 Jahre ältere Ehepaar Melissa und Nick kennen. Melissa will einen Beitrag über die beiden Studentinnen schreiben und die vier lernen sich näher kennen. Sie treffen sich immer wieder und diskutieren über die verschiedensten Themen. Bobbi fühlt sich zu Melissa sehr hingezogen und Frances interessiert sich zunehmend für Nick. --- Fazit beinhaltet Spoiler ----- Fazit: Das Buch ist vom Schreibstil her sehr ungewöhnlich, da dieser durchgehend eher distanziert ist und ich mich als Leser eher dem Voyeurismus verfallen bin als wirklich mit den Protagonisten mitzufiebern. Ich hatte mich sehr schnell an diese Distanz gewähnt und empfand sie als erfrischend und passte zum Buch einfach perfekt. Allen voran bei den Diskussionen die sie zu gängigen gesellschaftlichen Konventionen führten. Die Beziehungen unter den Protagonisten sind ebenfalls sehr interessant, da sie sich zum einen versuchen gegenseitig zu helfen und gleichzeitig sich gegenseitig das Leben schwermachen. Die bereits genannte Distanz empfand ich auch als sehr angenehm, da ich das Verhalten und Denken von Frances als recht gewöhnungsbedürftig empfand, das liegt keineswegs an einer konservativen Denkstruktur meinerseits, sondern viel mehr an ihrer psychischen Verfassung. Ihr Hang zur Selbstverletzung den sie mehrfach selbst als für sie normal darstellt und die Auswahl ihrer engeren Bezugspersonen sind für mich eher besorgniserregend. Entsprechend hatte ich mir ein anderes Ende gewünscht, eins in dem sie vielleicht beim Therapeuten sitzt und über ihre Beziehung zu ihren Eltern, zu Bobbi & Nick und letzten Endes auch zu sich selbst spricht. Auch wenn dies nicht so kommt kann ich „Gespräche mit Freunden“ bereits jetzt als eines meiner Jahreshighlights betiteln. Von mir eine absolute Empfehlung.

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