Buchhandlung Jost GmbH
Von:
Tobias Wrany
aus Bonn
25.01.2018
Dass die Autorin Stephen King als eines ihrer Vorbilder angibt, überrascht nicht, besitzt "Der Kreidemann" doch eine deutliche Erzählnähe zu Geschichten, wie "Es" oder "Die Leiche". Wobei C.J. Tudor alles andere, denn eine blasse Plagiatistin ist - vielmehr beherrscht auch sie hervorragend die Kunst, zunächst einen ganz alltäglichen Kosmos normaler Menschen, in diesem Fall einer Gruppe jugendlicher Außenseiter, zu schaffen; mit dichter, lebensechter Atmosphäre und prägnant umrissenen Charakterbildern. Genauso exzellent gerät ihr auf der zweiten Zeitebene, 30 Jahre später, die Darstellung, was passiert, wenn Lebensentwürfe mit Schicksal und einschneidenden Alterserscheinungen kollidiert sind.
Aber, "Der Kreidemann" firmiert nicht als Lebensabriss eines Freundeskreises (obwohl schon das allein für einen ausgezeichneten Roman gereicht hätte), sondern als Thriller und auch da steht C.J. Tudor mit düsterer Stimmungsmomenten, stilvollen Schockszenen und beunruhigenden Überraschungen dem Großmeister des Grauens in nichts nach - nur dass sie noch nicht einmal übernatürliche Phänomene benötigt, um das absolute Grauen in die (vorgebliche) Idylle einer Kleinstadt einbrechen zu lassen.