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Rezensionen zu
Scharnow

Bela B Felsenheimer

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Wer Lust auf einen abstrusen, absolut humorigen und unterhaltsamen Ausflug in ein frei erfundenes Dorf in Brandenburg hat, in dem man allerhand schräge Charaktere antrifft, der ist mit SCHARNOW mehr als gut beraten. Bela B. Felsenheimer hat seinem Namen mit diesem Roman alle Ehre gemacht. Er schafft coole, wie auch weniger coole Charaktere, hat einen einzigartigen Schreibstil und bietet seinen Leser:innen einen verrückten und sehr amüsanten Genremix, in dem es mal magisch, mal gesellschaftskritisch und sogar ein bisschen mörderisch zugeht. Absoluter Geheimtipp also, für alle, die mal was Anderes wollen.

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Tja, was soll ich zu diesem Buch sagen... Der Inhalt ist schwierig zu beschreiben, es geht eigentlich um das Örtchen Scharnow und dessen Einwohner. Es ist einerseits spannend zu lesen, was die Bewohner für Eigenheiten haben und was sie alles anstellen und was so passiert. Man fühlt sich aufgrund der Schreibweise irgendwie wie ein Spanner. Und dann sind da die fantastischen Elemente des Romans: das Buch mit Eigenleben, das sich selbst einem Literaturblogger geschickt hat; der fliegende Mann und die Weltenlenker bzw. die Vereinigung BsB, der Bund skeptischer Bürger, die die Weltenlenker aufhalten wollen, indem sie Haustiere mächtiger Persönlichkeiten töten. Die Charakterzüge der Figuren sind auch düster gehalten, teilweise aggressiv, es wird viel Alkohol gesoffen, und alle sind auf die eine oder andere Art mehr oder weniger 'plemplem'. Also alle verrückt ;) Viel Raum wird hier auch Gewalt in allen Formen, Blut, Tod und auch Pornografie eingeräumt. Witzig fand ich die Szene, als die Freunde des Paktes der Glücklichen einen Supermarkt ausrauben, um wieder an Alkohol zu kommen. Und das ganze in besonderer Bekleidung, um nicht erkannt zu werden. Dabei ging natürlich alles schief... Und es gibt leider keinen richtigen Abschluss, kein Ende/Fazit des Buches. Kein "was will uns dieses Buch sagen?". Oder ich hab es einfach nicht verstanden ;) Trotzdem war diese Lektüre unterhaltsam für mich, es war spannend, die Personen in ihrem Handeln zu verfolgen. Und auch die mystischen und fantastischen Einschübe waren witzig, wenn für mich auch nicht wirklich nachvollziehbar. Sehr hilfreich fand ich das Personenverzeichnis zu Beginn des Buches, denn es kommen viele handelnde Figuren vor und ich musste öfters nachschlagen. Nützlich ist auch der gezeichnete Plan von Scharnow und der Nachbarortschaft Sahsenheim im Buchdeckel. Zu erwähnen ist auch der schwarze Buchschnitt, der dem Buch etwas düsteres gibt (so wie das Buch in der Geschichte). Und der fliegende Mann am Cover passt natürlich perfekt zum Inhalt. Fazit: Dieses Buch ist einfach nur verrückt, irre, abgefahren, bizarr, fantastisch und skurril.

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Auch wenn ich bereits viel negative Kritik über dieses Buch gelesen habe, ich kann mich dieser nicht anschließen. Die exakte Handlung ist nicht ganz auszumachen, jedoch haben mich Schreibstil und die angenehme Stimme Bela B's in meinem Kopf überzeugt. Das Personenverzeichnis am Anfang des Buches (ca. 5 1/2 Seiten lang) hat mich zuerst etwas verunsichert aber gleich waren mir fast alle Charaktere bekannt und für zwei (Hamid & Nami) habe ich auch eine gewisse Sympathie entwickelt. ⠀ Insbesondere den Bela Fans hier würde ich das Buch klar empfehlen.⠀

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Das Omili

Von: wal.li

23.11.2019

Als erster stirbt der Literaturblogger Horst Wassmann. Die Rezensionsexemplare stapelten sich derart, dass die Polizei zu dem Schluss kommt, es kann nur Selbstmord gewesen sein. Aber könnte es nicht auch mit dem seltsamen Buch zu tun haben, das so lange auftaucht, bis es quasi verräuchert ist. Am Tag X geschehen in Scharnow weitere seltsame Dinge. Dieser Ort im Norden Berlins könnte glatt in einem Western auftauchen, wenn er nicht im Osten läge. Plattenbauten, ein vereinzeltes Hochhaus und ein einziger Supermarkt zieren den Ort, der eigentlich schon vergessen ist. Die Langeweile ist kaum zu überbieten, bis einer auf die Idee kommt, man könne doch den Supermarkt überfallen. In seinem ersten Roman bietet Bela B Felsenheimer, als Bandmitglied der Ärzte bestens bekannt, ein wahres Kaleidoskop an kruden Ideen. Vielleicht hilft sein Name als Verkaufsargument, doch wenn sein Roman nicht einen gewissen Charme aufwiese, würde das nicht lange überzeugen. Zum Glück handelt es sich bei Scharnow um ein gelungenes Stück Unterhaltung. Es kann zwar nicht gewollt sein, dass der Leser alles versteht und entschlüsselt, doch bietet der Roman genug Handlungsmasse, um zu fesseln und den Leser zum Schmunzeln zu bringen. Letzteres kann einem aber manchmal schnell vergehen, wenn ein unschuldiges Tier zu Tode kommt oder Leichen zerstückelt auf ihre Entsorgung warten. Insgesamt sprüht dieses Werk vor Ideen, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Ein wenig muss man sich auf diese Lektüre einlassen, die etwas wirr ins Leere führt. Auf dem Weg dahin entwickelt die Handlung allerdings einen Sog, dem man sich nicht entziehen kann oder auch nur entziehen möchte. Scharnow steht für eine Tristesse, die von der Wende geprägt, irgendwie für den Osten steht, aber sicher auch in Gegenden des Westens zu finden ist. Dabei zeigen sich die Personen wesentlich vielschichtiger als man auf den ersten Blick erkennen kann. Es lohnt sich, ihnen eine Chance zu geben. Da werden sogar Supermarkt-Räuber zu relativ netten Nachbarn.

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witzig, emotional und sehr kurzweilig

Von: Dr. Michael Lausberg aus Doveren

29.10.2019

Scharnow ist der Debütroman von "Die Ärzte"-Schlagzeuger und Sänger Bela B.. Scharnow ist eines der vergessenen Dörfer in Brandenburg in der Nähe von Berlin, wo anscheinend nichts passiert und die Langeweile greifbar ist. Der Autor beschreibt der auf absurd-witzige, sehr unterhaltsame Art und Weise einen Tag und dessen Auswirkungen in dem fiktiven Ort beschreibt. Der Roman wird mit einem mehrseitigen Personenregister eingeleitet, sodass sich direkt vor dem ersten Lesen ein Überblick über alle Handelnden mit Verweisen zu anderen Handelnden und Orten in und um Scharnow bekommt. Der Roman besteht aus vielen kurzen Kapiteln, um den zahlreichen handelnden Personen und der sich überschlagenden Ereignissen gerecht zu werden. Auch wenn die vorgestellten Charaktere zu Beginn in keinem Zusammenhang zu stehen scheinen, hängen sie im weiteren Verlauf dann doch eng zusammen. Dies ist ein Zusammentreffen skurriler Charaktere und Organisationen: Darunter fallen der Bund der skeptischen Bürger, einer Gemeinschaft von Verschwörungstheoretikern, der Pakt der Glücklichen, der Erotiktänzer Dave Peter Märse, der syrische Hamid Yussuf Kaoum, Praktikant im örtlichen Billkauf, der Literaturblogger und Pornograf Ron Thorsten Wassmann, oder die Pornodarstellerin Susanne „Chantal“ Scharster. Nichts zu spüren von einem verschlafenen Dorfleben. Am Anfang der Lektüre ist es ein wenig schwierig, reinzukommen. Die vielen einzelnen Geschichten werden aber mit der Zeit geschickt miteinander verknüpft. Die Personen sind ein oder Art und Weise miteinander verbunden, interagieren miteinander oder stehen miteinander in Beziehung. Jeder der Charaktere ist individuell, manchmal verliert sich Bela B. aber in der detaillierten Beschreibung von Szenen, Handlungen und Einzelheiten zu sehr. Das Buch ist sonst leicht zu lesen, witzig, emotional und sehr kurzweilig. Eine Liebesgeschichte kann auch nicht fehlen. Den großen Plot, die tiefgehende weltverändernde Aussage, den die brandenburgische Provinz bereithält, gibt es nicht, der Spaß am Lesen steht eher im Vordergrund.

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Bevor ich irgendetwas zum Inhalt schreibe, rein optisch finde ich dieses Buch Top! Die schwarz eingefärbten Seiten und die mit Hand gemalte Karte am Anfang sind wirklich ein Blickfang! Eingeführt wird in das Buch durch ein Personenregister und dabei dachte ich mir schon: "So viele Verrückte kann man doch gar nicht an einem Ort versammeln". Falsch gedacht! Bela B. kann das! Und Bücher die eine Karte und ein Personenregister benötigen, deuten ja schon an, dass es verwirrend werden könnte, das trifft auch auf "Scharnow" zu. Eine Pornodarstellerin, Möchtegern-Nazis, Verschwörungstheoretiker, ein Buch-Blogger, eine Manga-Liebhaberin, die nette Omi von nebenan und ein Leukämiekranker Superheld sind nur ein Bruchteil der Personen, um die es in dem Buch geht. Und wodurch sind diese unterschiedlichen Menschen miteinander verbunden? Durch ein Buch natürlich! Wer Bela B. Kennt wird sich jetzt auch nicht über den Titel des fiktiven Buchs wundern: "Horror Vacui". So kann der Horror Enthusiast Bela in seinem Erstlingswerk diese Seite seines Charakters ausleben. Auch eine derbe Wortwahl und genauso derbe Sprüche gehören zum guten Ton Bela B's. der alles ziemlich direkt ausspricht. So sollten zartbesaitete Menschen "Scharnow" mit genügend Skepsis betrachten, denn Wörter wie "Wichsen" und "vögeln", oder Sprüche wie "Diese Wiese war beliebter, als ein Kindergarten im Vatikan" bestimmen dieses Buch. Die Wortwahl passt jedoch zu den Protagonisten des Buches und wirkt nicht, als ob sie gezwungen schockieren soll, sind ein Großteil der Protagonisten doch eingefleischte Asoziale mit Herzblut. Inhaltlich kann man die ganze Geschichte sehr gut mit einem Wort zusammenfassen: Grotesk! Bela B. Felsenheimer hat ein groteskes Erstlingswerk erschaffen und ich denke, dass seine Bekanntheit als Drummer der Band "Die Ärzte" dem Erfolg des Buches verhalf, denn ohne diesen Bekanntheitsgrad wäre ich defintiv nicht darauf aufmerksam geworden. Das Buch ist in 6 Teile aufgeteilt zuzüglich Prolog und Epilog. Innerhalb der Teile gibt es kurze Kapitel, so dass man jederzeit beim Lesen pausieren kann. Das erste Kapitel umfasst die Hälfte des Buches, demnach passiert dort auch die meiste Handlung. So grotesk das Buch auch ist so seicht ist es auch, zusammen mit einen kleinen gesellschaftskritischen Unterton. Es ist wie ein Ärzte Song, nur als Buch. Fazit: "Scharnow" von Bela B. Felsenheimer ist eine leichte Sommerlektüre. Warum Sommerlektüre? Es ist nichts tiefgründiges, man kann es gut zur Unterhaltung runterlesen, ohne viel nachdenken zu müssen. Es ist zwar nicht wirklich schlüssig, aber im Urlaub, oder bei 30 Grad im Schatten, wenn man nicht viel Denken möchte, ist "Scharnow" das richtige Buch. Bela B. wird zwar nicht der nächste Goethe, aber das war wahrscheinlich auch nicht sein Anspruch. Es ist unterhaltsam, ein wenig sinnfrei und amüsant, das sollte für ein Erstlingswerk reichen!

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Scharnow ist eine Kleinstadt in der Nähe von Berlin. Nichts ist wie es scheint, nichts passiert so wie gedacht. Ein Manga-Mädchen trifft auf einen jungen Flüchtling, mysteriöse Tode geschehen, es gilt eine Übermacht zu vernichten und dann geht dem Pakt der Glücklichen auch noch das Bier aus. Als großer Die Ärzte Fan war mir natürlich sofort klar: Den Debütroman von Bela B. Felsenheimer muss ich lesen! Dabei bin ich eigentlich ohne jede Erwartungshaltung an die Lektüre heran gegangen und wurde definitiv überrascht. Es mischen sich aktuelle Themen, ein Hauch Gesellschaftskritik, Fantasy, Übernatürliches, SciFi und Komik. Heraus kommt ein herrlich skurriles, verrücktes und teilweise sowas von absurdes Buch. Es ist schwer dies inhaltlich zusammenzufassen, weil es so viele Handlungsstränge und so viele verschiedene Charaktere gibt, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben, dann aber in irgendeiner Form doch irgendwann aufeinander treffen. Zugegeben: An der ein oder anderen Stelle fragt man sich, was das Ganze eigentlich soll, wo es hin führen soll. Grade die übernatürlichen Elemente des Romans lassen doch einige Fragen offen. Man kann aber nicht bestreiten, dass Bela B. unterhält, zum Schmunzeln bringt, einen den Kopf schütteln lässt und mit jeder Menge unerwarteter Wendungen aufwartet. Grade bei den Charakteren merkt man auch, wie liebevoll ausgearbeitet und durchdacht sie sind. Jeder von ihnen ist etwas besonderes und es macht Spaß kleine Episoden deren Leben zu begleiten. "Scharnow" ist ein Kaleidoskop aus verrückten Ideen, Personen und Absurditäten, das mitreißt und amüsiert.

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1994 leitete Quentin Tarantino sein Kultwerk “Pulp Fiction” mit einer Definition des Begriffes “Pulp” aus dem American Heritage Dictionary ein. In der deutschen Fassung hieß es dazu: “Schund: 1. Abfall, Ausschussware, Schmutz 2. Schund- und Schmutzliteratur, ästhetisch minderwertige und moralisch anstößige Geschichten in Heft- oder Buchform” Dass Ärzte-Schlagzeuger Bela B. Felsenheimer schon seit jeher ein Faible für das Abseitige hat, für Gruselcomics- Horrorfilme- Italowestern- Groschenromane und andere politisch unkorrekte Genrekost, dürfte ein offenes Geheimnis sein. Nicht zuletzt kooperierte der umtriebige Herr neben seiner Bandtätigkeit in den letzten Dekaden auch immer wieder mit Akteuren dieses kulturellen Milieus: Mit Extrem Erfolgreich Enterprises betrieb er bis 2006 etwa ein Comiclabel primär für Horrorcomics. Als Schauspieler drehte er mit Leuten wie Jörg Buttgereit (u.a. Nekromantik), Splatter-Künstler Olaf Ittenbach (in Garden of Love z.B.) und, hier können wir die Brücke zum Beginn schlagen, war mitunter auch mit einem Cameo in Tarantino’s Inglorious Basterds vertreten, den er zwei Jahre zuvor zu seinem Grindhouse-Feature Film Death Proof: Todessicher interviewt hatte. Kurzum: Es war bloß eine Frage der Zeit, bis Herr Felsenheimer unter die Schriftsteller geht und seine Liebe zur Schund- und Trivialliteratur auch in diesem Medium auf die Leser*Innen loslässt. Nun ist das Debüt da, “Scharnow” heißt das Ganze, und beinahe pflichtgemäß handelt es sich hierbei um eine irre Tour de Force, rauschhaft oszillierend zwischen allen Genretrademarks, haufenweise Popkultur-Referenzen, mit einem höchst heterogenen Figurentableau, spaßig und abgründig zugleich, und dabei alle rationalen Grenzen sprengend. “Scharnow” ist, Spoiler Alert, ganz großes Entertainment. Aber der Reihe nach: “Scharnow ist über(all)” Auf den ersten Blick ist Scharnow lediglich ein Stückchen dröge ostdeutsche Provinz, ein 4200-Seelen Dorf, nördlich von Berlin, in welchem scheinbar der Hund begraben liegt. Doch bereits die ersten Seiten des Romans lassen erahnen: Hinter der bürgerlichen Fassade vermeintlich klassischer Biografien – zwischen frustrierten Supermarktkassiererinnen, einsamen Literaturbloggern, Säufern, verkappten Neonazis, Otaku-Mädchen aus Berlin, Erotikdarstellern und gleichsam hoffnungsvollen wie desillusionierten Flüchtlingen – da brodelt etwas – da entpuppen sich Scharnow und die danebengelegene Kreisstadt Sahsenheim plötzlich als schicksalsträchtige Mikrokosmen. Dabei liefern just jene ersten Seiten auch gleich die Anleitung, um das Örtchen greifbar zu machen: Eine Karte von Scharnow etwa, um den Ort geografisch greifbar zu machen. Der Supermarkt “Billkauf”, Hakan’s Internetcafé, die nördlichen Siedlungen- in Opposition zur Plattenbausiedlung – Sie bilden das Gerüst für haufenweise verrückte Schnittpunkte ganz unterschiedlicher Schicksale – Und auch das ganze sechs Seiten umfassende Personenverzeichnis ist ein Indiz dafür, dass Scharnow gar nicht so langweilig ist, wie die geografische Verortung es zunächst vermuten lässt. "VORSICHT SPOILER!" In seiner Plotstruktur ähnelt Scharnow dabei der David Lynch-Serie Twin Peaks: Das beginnt bereits beim abseitig gelegenen Dörfchen als eher assoziatives Haupthandlungszentrum und bei einem undurchschaubaren und weitläufigen Figurentableau, welches zunächst eher eine bürgerliche “Working Class”-Gesellschaft in den Vordergrund stellt. Gleichzeitig ist jede Figur mit einem eigenen Subplot unterfüttert und durchläuft gleichermaßen unvorhersehbare, dabei aber nie komplett abwegige Entwicklungsprozesse durch. Es gibt einige zentrale geografische Eckpunkte, wo die für sich unbekannten Charaktere aufeinandertreffen. Was in Twin Peaks das Double R Diner ist, dürfte hier beispielsweise der Billkauf sein – Die schwarze Hütte in Twin Peaks findet hier ihre metaphysische Entsprechung in den sogenannten Seelenparkplätzen – Und wie Twin Peaks hüpft Scharnow unbeirrt zwischen den Genres: Manchmal Krimi– manchmal Thriller, manchmal Seifenoper, ab und an beinharter Actionfilm und durchaus auch mal splattriger Horrorfilm. Die einzelnen Handlungsstränge sind dabei relativ episodisch gehalten – In jedem Kapitel wechselt die Perspektive, letztlich läuft das Schicksal aller Protagonisten aber auf ein Ereignis X hinaus, bei dem bis zuletzt unklar bleibt, was da eigentlich konkret passiert. Hier fühlte ich mich vom Vibe her wiederum sehr an die Screwball-Fingerübung der Coen-Geschwister Burn After Reading erinnert. Burn After Reading "VORSICHT SPOILER!" Eingeleitet wird die Geschichte, und hier wird ein kleiner Metaebenen-Seitenhieb auf unsere Bloggerzunft geliefert, mit dem durchaus intelligenten, aber auch pendantischen Literaturblogger Ron Thorsten Wassmann, der von seinem Erbe lebt, welches ihm seine Tante hinterließ, und ansonsten lediglich einen durchaus einflussreichen Blog namens “Wassmanns Wisdom” betreibt. Um die Deadlines der Verlage einzuhalten, überfliegt er die Romane häufig bloß noch, um auf Basis des ersten Eindrucks eine Lobhudelei oder vernichtende Kritik abzuliefern – mitunter gegen Entgeld natürlich. Eines Tages trifft ein unbeschriftetes Päckchen bei ihm ein, das ein edel gebundenes Buch mit der Aufschrift “Horror Vacui” enthält (die Lateiner unter uns wissen: “Die Angst vor der Leere”, ein künstlerischer Griff, um Leerstellen in künstlerischen Werken zu meiden) – ohne Angabe von Verlag, Herausgeber oder Schriftsteller. Das mysteriöse Buch beginnt mit den Worten “Kennen Sie das Gefühl, etwas an Ihrem Leben verändern zu müssen?” Obschon Wassmann diese Einleitung als billigen literarischen Kunstgriff zu entlarven glaubt, scheint das Buch schon bald auf merkwürdige und durchaus tödliche Weise Besitz von ihm zu ergreifen – und er soll im Verlauf des Buches nicht der letzte sein. Dieser Prolog hat einerseits nicht sonderlich viel Einfluss auf den Rest der Handlung, aber er gibt die Marschrichtung vor. Neben Wassmann haben wir einen Haufen anderer illustrer und verpeilter Figuren: Wassmann’s reizende Nachbarin etwa ist alleinerziehende Pornodarstellerin, deren beste Freundin Patty eine eitle Drag Queen mit einem durchaus brisantem Geheimnis ist. Ihr Töchterchen wiederum ist befreundet mit der Tochter vermeintlicher Neonazi-Eltern, die bloß aus seltsamen pädagogischen Gründen die rechte Fassade aufrechterhalten, und dabei Sozialleben und gesellschaftliche Anerkennung einbüßen. Der “Pakt der Glücklichen” wiederum ist eine Gruppe gesellschaftlicher Aussteiger, die eine gemeinsame Wohnung in der nördlichen Siedlung bewohnen und ihr Leben einem strengen Manifest unterworfen haben. Im Kern geht es um Gorefilme- Pornografie, Saufen und gegenseitigen Respekt – Eine weitere handlungsrelevante Fraktion ist der BsB, der Bund skeptischer Bürger – eine Gruppe von Veschwörungstheoretikern, die scheinbar den nicht ganz irdisschen Weltenlenkern auf der Spur sind und dabei auch vor gewalttätigen Anschlägen nicht haltmachen, um die vermeintliche Manipulation der Menscheheit einzudämmen. Und zu guter Letzt taucht ein ominöser Superhelden-artiger Protagonist mit dunkler Vergangenheit auf, der die Welt in Atem hält – In diesem Gemengelage bewegen sich das eher unbedarfte Berliner Manga-Mädchen Nami, die auf den syrischen Flüchtling Hamid trifft, und im Zuge dessen eine zarte Romanze erblüht, aber auch Erotiktänzer Peter Märse und die Supermarktkassiererin Sylvia Pathé, mit der es das Schicksal nicht gut gemeint hat und die im Verlauf der Handlung weitere tragische Verluste zu beklagen hat. Man sieht: Es passiert unglaublich viel. Und Bela B. hat dabei eine erfrischend punkige Weise zu schreiben und dabei der starren Vernunft eine klare Absage zu erteilen. Das tolle am Buch ist – trotz aller hanebüchenen Charakterentwicklungen und Plotwendungen, die ins Fantastische und Surreale abdriften, bleibt der Kern erstaunlich geerdet: Einerseits ist Bela ein sehr detailversessener Beobachter seiner Gesellschaft, wir haben hier tatsächlich relative viele Archetypen unserer Gesellschaft, die in dieser Form durchaus existent sind – Gleichermaßen hat Bela B. einen Heidenspaß daran entwickelt, diese Archetypen zu dekonstruieren. Weder sind die Säufer hier ausschließlich primitive Asoziale, noch ist der Flüchtling hier einfach Flüchtling – und selbst die Neonazis sind hier nicht einfach Nazis. Die Figuren sind ambivalent gezeichnet und werden alle zu irgendeinem Zeitpunkt ironisch gebrochen, bekommen ihren Heldenmoment. Es ist fast schon eine sehr wohlwollende Idee von der Menschheit – und das finde ich herrlich erfrischend. Denn gleichermaßen gibt es hier auch einige Tote zu beklagen, es warden sexuelle Übergriffe thematisiert, soziale Verwahrlosung, interkulturelle Hürden, sinnstiftende Menschenfeindlichkeit – und diese Abgründe haben immer auch einen gewissen emotionalen Punch. Aber sie ufern nicht aus, sondern werden durch einen optimistischen und klamaukigen Humor konterkariert. Man merkt, wieviel Herzblut in dieses Projekt geflossen ist und wie sehr die Figuren Bela ans Herz gewachsen sind. Und auch mir hat dieser wilde Parforceritt außerordentlich viel Spaß gemacht, nicht zuletzt durch die vielen Referenzen: Da werden kleine Exkurse auf italienische Splatterfilme- und Exploitationflicks geliefert – Der unscheinbare Superheld Trotsky ist eine Art Watchmenesquer Dr. Manhattan, der sich zunehmend von der Menschheit entfremdet, die Cops agieren hier auch mal ahnungslos aber selbstherrlich nach klassischer Dirty Harry-Manier und zwischenzeitlich gibt es auch mal eine Episode aus der Sicht eines homosexuellen Eichhörnchen-Paares. Die Nutzung der Sprache ist im Großen und Ganzen nicht sonderlich kunstvoll oder hochtrabend literarisch ausgestaltet, aber auf der anderen Seite schüttelt Bela die Stories recht locker aus dem Ärmel – beinahe so, als würde er dir einen Pitch für ein Projekt bei einem Bierchen vorstellen. Die Sprache ist simpel, hat aber was sehr filmisches an sich. Natürlich sind einige Episoden vernachlässigbarer als andere, Die dezent surreale Eichhörnchen-Story etwa hat mir nichts gegeben, und natürlich sind einige sprachliche Konstrukte auch ein wenig redundant geraten. Nichtsdestotrotz hat Scharnow was sehr schön unprätentiöses an sich – Man merkt einfach, dass das Ding kein selbstzweckhaft zusammengeschustertes Promi-Ego-Projekt ist, sondern einfach ein weiteres künstlerisches Ventil für Herrn Felsenheimer. Und das macht Laune. Wie es auf (negative) Weise anders geht, zeigt ganz aktuell “Aus dem Dachsbau” vom Tocotronic-Barden Dirk von Lotzow. Fazit: Scharnow ist skurrill. Scharnow ist abgründig. Scharnow gibt keinen Fick. Bela B. hat hier als Schriftsteller offenbar absolute Narrenfreiheit genossen. Seine Liebe zu Comics- und B-Movies zieht sich durch das ganze Ding hindurch. Gleichermaßen ist er aber auch pointierter und kluger Beobachter, der die Empfindlichkeiten deutscher Provinzbiografien in seinen wahnwitzigen Stories persifliert, ohne die Figuren dabei der Lächerlichkeit vorzuführen. Scharnow ist wie ein klamaukigeres, deutsches Twin Peaks – Häufig ein bisschen doof, manchmal grenzgenial. Manchmal albern, punktuell auch tragisch. Durch das Buch zieht sich ein hoffnungsvoller Feel Good-Tenor, obwohl Bela auch vor beinahe pornografischen- und extrem gewalttätigen Sequenzen nicht zurückschreckt. Die Erzählweise beruht natürlich auf der Montagetechnik, das ist nicht sonderlich innovativ, durch die Dynamik der Ereignisse bekommt das ganze Ding aber einen sehr filmischen Charakter. Es ist schön, dass Bela seinen Bekanntheitsgrad ausschließlich dafür nutzt, tatsächlich die künstlerischen Grenzen des Verlagsprogramms auszureizen. Scharnow macht nicht zuletzt durch die unprätentiöse Herangehensweise sehr viel Spaß.

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