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Rezensionen zu
Scharnow

Bela B Felsenheimer

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Als grosser Ärzte-Fan seit rund 25 Jahren habe ich natürlich nicht lange gezögert, als ich von Bela B. Felsenheimers Ausflug ins Autoren-Genre hörte. "Scharnow" heisst sein Werk über ein kleines Kaff irgendwo in Brandenburg, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht wünschen und nie etwas passiert. Wirklich nie? Rückblickend fallen mir zu "Scharnow" die endlos vielen Protagonisten ein. Die Namen konnte ich mir dar nicht alle merken, so viele gibt es davon. Seien es "besorgte Bürger", ziellose Alkoholiker, alte Omas, junge Punkerinnen, Supermarktverkäuferinnen, Flüchtlinge, Ausseriridische und gar noch denkende Bücher. Irgendwie hängen schlussendlich alle zusammen, aber eigentlich sind die Zusammenhänge auch nicht wirklich relevant. Jedenfalls sind die Figuren alle ziemlich skurril gezeichnet, was allerdings niemanden verwundern dürfte, der sich auch nur ein bisschen mit Bela B. beschäftigt hat. Die Handlung ist, wie von Bela B. zu erwarten war, ziemlich überdreht und genau so skurril wie seine Figuren, besteht aber mehr aus einzelnen Anekdoten als einer wirklichen Geschichte. Im Laufe der Erzählung wurde das Ganze dann immer bizzarrer, bis ich kaum noch durchblickte, was genau passiert. Die eigentliche Handlung verlief sich ohne effektiven Höhepunkt im Sand. So konnte mich das Buch inhaltlich leider nur mittelmässig begeistern. Wirklich toll fand ich allerdings die Lesung vom Autoren Bela B. Felsenheimer selbst. Man merkt, dass Bela B. mittlerweile mehrere Jahrzehnte Bühnenerfahrung hat und dies auch nicht sein erstes Hörbuch ist. Der Tonfall passt immer zur jeweiligen Situation und die einzelnen Figuren lassen sich gut unterscheiden, ohne dass manche Stimmen lächerlich wirken. Mein Fazit Bizzarre Anekdotensammlung

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Bevor ich irgendetwas zum Inhalt schreibe, rein optisch finde ich dieses Buch Top! Die schwarz eingefärbten Seiten und die mit Hand gemalte Karte am Anfang sind wirklich ein Blickfang! Eingeführt wird in das Buch durch ein Personenregister und dabei dachte ich mir schon: "So viele Verrückte kann man doch gar nicht an einem Ort versammeln". Falsch gedacht! Bela B. kann das! Und Bücher die eine Karte und ein Personenregister benötigen, deuten ja schon an, dass es verwirrend werden könnte, das trifft auch auf "Scharnow" zu. Eine Pornodarstellerin, Möchtegern-Nazis, Verschwörungstheoretiker, ein Buch-Blogger, eine Manga-Liebhaberin, die nette Omi von nebenan und ein Leukämiekranker Superheld sind nur ein Bruchteil der Personen, um die es in dem Buch geht. Und wodurch sind diese unterschiedlichen Menschen miteinander verbunden? Durch ein Buch natürlich! Wer Bela B. Kennt wird sich jetzt auch nicht über den Titel des fiktiven Buchs wundern: "Horror Vacui". So kann der Horror Enthusiast Bela in seinem Erstlingswerk diese Seite seines Charakters ausleben. Auch eine derbe Wortwahl und genauso derbe Sprüche gehören zum guten Ton Bela B's. der alles ziemlich direkt ausspricht. So sollten zartbesaitete Menschen "Scharnow" mit genügend Skepsis betrachten, denn Wörter wie "Wichsen" und "vögeln", oder Sprüche wie "Diese Wiese war beliebter, als ein Kindergarten im Vatikan" bestimmen dieses Buch. Die Wortwahl passt jedoch zu den Protagonisten des Buches und wirkt nicht, als ob sie gezwungen schockieren soll, sind ein Großteil der Protagonisten doch eingefleischte Asoziale mit Herzblut. Inhaltlich kann man die ganze Geschichte sehr gut mit einem Wort zusammenfassen: Grotesk! Bela B. Felsenheimer hat ein groteskes Erstlingswerk erschaffen und ich denke, dass seine Bekanntheit als Drummer der Band "Die Ärzte" dem Erfolg des Buches verhalf, denn ohne diesen Bekanntheitsgrad wäre ich defintiv nicht darauf aufmerksam geworden. Das Buch ist in 6 Teile aufgeteilt zuzüglich Prolog und Epilog. Innerhalb der Teile gibt es kurze Kapitel, so dass man jederzeit beim Lesen pausieren kann. Das erste Kapitel umfasst die Hälfte des Buches, demnach passiert dort auch die meiste Handlung. So grotesk das Buch auch ist so seicht ist es auch, zusammen mit einen kleinen gesellschaftskritischen Unterton. Es ist wie ein Ärzte Song, nur als Buch. Fazit: "Scharnow" von Bela B. Felsenheimer ist eine leichte Sommerlektüre. Warum Sommerlektüre? Es ist nichts tiefgründiges, man kann es gut zur Unterhaltung runterlesen, ohne viel nachdenken zu müssen. Es ist zwar nicht wirklich schlüssig, aber im Urlaub, oder bei 30 Grad im Schatten, wenn man nicht viel Denken möchte, ist "Scharnow" das richtige Buch. Bela B. wird zwar nicht der nächste Goethe, aber das war wahrscheinlich auch nicht sein Anspruch. Es ist unterhaltsam, ein wenig sinnfrei und amüsant, das sollte für ein Erstlingswerk reichen!

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Scharnow ist eine Kleinstadt in der Nähe von Berlin. Nichts ist wie es scheint, nichts passiert so wie gedacht. Ein Manga-Mädchen trifft auf einen jungen Flüchtling, mysteriöse Tode geschehen, es gilt eine Übermacht zu vernichten und dann geht dem Pakt der Glücklichen auch noch das Bier aus. Als großer Die Ärzte Fan war mir natürlich sofort klar: Den Debütroman von Bela B. Felsenheimer muss ich lesen! Dabei bin ich eigentlich ohne jede Erwartungshaltung an die Lektüre heran gegangen und wurde definitiv überrascht. Es mischen sich aktuelle Themen, ein Hauch Gesellschaftskritik, Fantasy, Übernatürliches, SciFi und Komik. Heraus kommt ein herrlich skurriles, verrücktes und teilweise sowas von absurdes Buch. Es ist schwer dies inhaltlich zusammenzufassen, weil es so viele Handlungsstränge und so viele verschiedene Charaktere gibt, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben, dann aber in irgendeiner Form doch irgendwann aufeinander treffen. Zugegeben: An der ein oder anderen Stelle fragt man sich, was das Ganze eigentlich soll, wo es hin führen soll. Grade die übernatürlichen Elemente des Romans lassen doch einige Fragen offen. Man kann aber nicht bestreiten, dass Bela B. unterhält, zum Schmunzeln bringt, einen den Kopf schütteln lässt und mit jeder Menge unerwarteter Wendungen aufwartet. Grade bei den Charakteren merkt man auch, wie liebevoll ausgearbeitet und durchdacht sie sind. Jeder von ihnen ist etwas besonderes und es macht Spaß kleine Episoden deren Leben zu begleiten. "Scharnow" ist ein Kaleidoskop aus verrückten Ideen, Personen und Absurditäten, das mitreißt und amüsiert.

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Handlung? Welche Handlung? Gibt es nicht. Jedenfalls keine herkömmliche von A bis Z. Eher fangen wir bei M an, machen einen kurzen Abstecher zu B, verlaufen uns auf dem Weg nach C und landen bei P. Ob wir jemals bei Z ankommen, bleibt fraglich – und so mancher Leser fragt sich womöglich, ob er das überhaupt noch will. Während wir so unterwegs sind, begegnen wir Geheimbündnissen, Superhelden, telepathischen oder schwulen Tieren, im wahrsten Sinne des Wortes blutrünstigen Büchern – aber auch splitterfasernackten Räubern und dem ganz alltäglichen Wahnsinn, der durchaus mal in absurden Schießereien endet, die auch aus einem Film von Quentin Tarantino stammen könnten. Normal ist was anderes. Oder vielleicht sollte man sagen: Scharnow hat offensichtlich sein ganz eigenes Normalnull. Das ist sicher nicht jedermanns Sache, setzt aber auf jeden Fall neue Maßstäbe, wenn es um Originalität geht. Denn würde man mich nach dem größten Pluspunkt des Buches fragen, wäre dies ganz klar meine Antwort: sein unerschöpflicher Einfallsreichtum. Ich liebe es, wie sich die vielen verschiedenen Ebenen der Geschichte überlappen und gegenseitig übertrumpfen – schamlos, skurill und schrill –, und wie selbstverständlich sich die absurdesten Geschehnisse dabei als die Normalität von Scharnow etablieren. Das ist irre. Das ist abgedreht. Das ist geschmacklos. Das ist genial. Auch mit bunten Anspielungen auf diverse Filme, Comics und andere Werke der Pulp Fiction wird nicht gespart, und wenn man das alles einmal kräftig durchmischt, bekommt die Welt von Scharnow ihren ganz eigenen Groove. Aber eigentlich habe ich von Bela B gar nichts andres erwartet. Die Songs seiner Band, “Die Ärzte” gehörten gerade wegen der schrägen Texte (mit denen man damals noch die Eltern schocken konnte) zu den musikalischen Highlights meiner Jugend. Bela B schert sich auch in Scharnow nicht um altbackene Konventionen oder irgendwelche Vorschriften, was Literatur zu sein hat und was nicht, und das ist auch gut so. Langweilig wird das nie. Manchmal etwas derb, ja. Oft sogar etwas eklig. Für meinen Geschmack gibt es zu viel Kotze, Sperma, spritzendes Gehirn oder Männer, die sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit am Sack kratzen. Dennoch… Das hat einfach was. Und nicht nur die Klischees werden dabei gekonnt und genüsslich auf die Spitze getrieben, auch die Gesellschaftskritik schleicht sich unter dem ganzen Getöse immer mal wieder leise herein. Auf den ersten Blick wirken die Charaktere hemmungslos übertrieben und daher unrealistisch. Aber wenn man genauer hinguckt, ist man solchen Menschen im Grunde schon einmal begegnet oder hat zumindest von ihnen gehört. Da tun sich kleinbürgerliche Engstirnigkeit, wutbürgerliche Raserei, spießbürgerlicher Kontrollzwang oder möchtegernbildungsbürgerliche Arroganz auf – doch bevor man sich versieht, bringt man auf einmal Verständnis, Mitleid und sogar Sympathie auf für die unmöglichsten Charaktere. Der Autor ist ein Meister darin, menschliche Eigenschaften beinahe schmerzhaft auf die Spitze zu treiben, ohne dass die Menschlichkeit dabei verloren geht. Und dass die ganzen Handlungsstränge immer wieder dadurch verbunden werden, dass in einer Kleinstadt wie Scharnow irgendwie jeder jeden kennt, ist ein Geniestreich. Als Buchbloggerin kann ich mir eine kleine Anmerkung allerdings nicht verkneifen: der von Bela B beschriebene Literaturkritiker ist ja wohl eine Schande seiner Zunft! Lässt sich bezahlen für schnell hingeschluderte positive Rezensionen zu Büchern, die er gar nicht gelesen hat. Oder schreibt zum Spaß vernichtende Verrisse – kostenlos, aber ebenfalls, ohne die Bücher gelesen zu haben. Dennoch ist sein Blog unglaublich erfolgreich. Irgendwas mache ich wohl falsch… Es ist schwierig, über einen Spannungsbogen zu sprechen. Zu rasant springt die Geschichte von Handlungsfaden zu Handlungsfaden, so dass der aktuelle Spannungsbogen immer wieder zerbricht, nur um direkt wieder einem anderen Spannungsbogen zu weichen. Da kann einem schon mal der Kopf schwirren, aber auch hier gilt: langweilig wird das nie. Am schwierigsten ist es wahrscheinlich, über den Schreibstil zu schreiben. Denn so knallbunt und originell die Geschichte ist, so überdreht, kompromisslos, und ungefiltert ist der Schreibstil – und dabei durchaus gekonnt und um einiges intelligenter, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Hinter all der Brachialität versteckt sich verdammt viel Tiefgang, und das in einer unverwechselbaren Schreibe. Den Humor reizt Bela B oft bis zum Äußersten aus, und manchmal war mir das zuviel, manchmal fand ich es saukomisch… Aber um mich ein drittes Mal zu wiederholen: langweilig wird das nie. FAZIT “Scharnow” ist ein Buch, dessen Handlung sich nicht so einfach zusammenfassen lässt, weil sie aus unzähligen Handlungssträngen mit über 30 Charakteren besteht und keiner davon (weder Handlungsstrang noch Charakter) auch nur annähernd ‘normal’ ist. Ob jetzt ein Attentäter eine Hündin umbringen soll, weil die die Schwester des Hundes von Barack Obama ist und ein Geheimbund über diesen Hund telepathisch Einfluss auf die Weltpolitik nehmen könnte, oder ob eine besoffene Männer-WG beschließt, splitterfasernackt und mit Küchengeräten bewaffnet den Supermarkt zu überfallen… Das ist alles unglaublich schrill, oft derb, manchmal eklig, und dennoch wollte ich ständig den Hut ziehen vor dem Einfallsreichtum des Autors. “Scharnow” ist auf den ersten Blick eine ganz normale Kleinstadt – und auf den zweiten Blick ist da absolut gar nichts normal. Und das macht verdammt viel Spaß!

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Wow!

Von: Die Linkshänderin

16.05.2019

Dieser Roman ist ein buntes Feuerwerk aus sehr vielen skurrilen Figuren und wilden Ereignissen. Die Perspektiven sind durchweg einfühlsam gezeichnet, die Geschichte mäandert durch verschiedenste Themen und Genres. Sogar das Verknüpfen verschiedener Handlungsstränge, die sich erst nach sehr langer Zeit überraschend begegnen, was ich sonst eigentlich nicht leiden kann (z.B. in den verkrampften "Stadtgeschichten" von Armistead Maupin), ergibt sich in Scharnow ganz entspannt und natürlich. Von lautem Krawall über Humor und sanfte Zwischentöne bis hin zu zarter Liebe beherrscht Bela B Felsenheimer das gesamte Repertoire der Literatur. Lediglich im erotischen Bereich gibt es noch Luft nach oben, da war mir einiges zu sachlich geschildert, hier dürfte gern mit mehr Wumms und Leidenschaft beschrieben werden, was in den Betten, auf den Sofas oder am Küchentisch so passiert. Das Ende einiger Ebenen habe ich nicht so ganz verstanden, aber vielleicht klärt sich das, wenn ich das Hörbuch gehört habe. Die Aufmachung gefällt mir sehr: vom Coverbild über den schwarzen Schnitt und das quer abgedruckte Manifest bis hin zur Übersichtskarte der Handlungsorte. Sensationell finde ich, dass ich keinen einzigen Schreibfehler finden konnte. Kompliment an den Autor und das Korrektorat! Zum Schluss bleibt mir nur noch der Hinweis, dass dieser Roman nichts für zartbesaitete Gemüter ist, was Gewalt und Erotik betrifft.

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Bela B. Felsenheimer dürfte den Jugendlichen meiner Generation überwiegend als Mitglied der Band „Die Ärzte“ bekannt sein. Durch viele Interviews und Reportagen wusste ich schon im Vorfeld, dass der Schlagzeuger ein sehr fantasievoller und vielschichtiger Mensch ist, mit einem skurrilen Sinn für Humor. Daher war ich sehr begeistert, als ich vor einigen Monaten das Veröffentlichungsdatum von „Scharnow“ entdeckt habe! Das Buch schildert das Leben in einer deutschen Kleinstadt, vor den Toren von Berlin, voller schräger Vögel und noch viel unglaublicherer Ereignisse. Es erzählt keine klassisch-flüssige Geschichte, sondern setzt sich aus vielen individuellen Handlungen zusammen, die sich aber konsequent miteinander verflechten. Die Protagonisten sind sowohl positiv wie negativ denkwürdige und durchgeknallte Charaktere, deren oft haarsträubende Gedanken und Taten ein absolut einzigartiges Gesamtpaket ergeben. Bela B. rockt schreibender Weise einfach mal drauf los! Ohne sich großartig um die Konventionen eines Genres oder einer sinnvollen Geschichte zu kümmern. Dennoch merkt man dem Roman an, dass das Ganze durchaus eine klare und gute Struktur hat. Es besticht mit einer skurrilen Geschichte und überraschenden Wendungen. Erst bei näherem Hinsehen eröffnet sich dem Leser ein Kosmos aus Büchern, Filmen und der flimmernden Welt von Comics und Pulp Fiction, der sich erstaunlich greifbar in unseren Köpfen festsetzt! Der Schreibstil ist durchaus anspruchsvoll, mit vielen tollen Phrasen und Umschreibungen, passt aber dennoch perfekt zu den unglaublichen Handlungen der Geschichte. Die Szenen sind bildlich und lebendig. Zudem hat der Autor ein enormes Talent, die Szenen unterhaltsam und ironisch zu gestalten. Vermutlich kein Humor für Jedermann, aber bei mir hat er total ins Schwarze getroffen. Obwohl ich mir den Debütroman von Bela B. Felsenheimer schon so in etwa so vorgestellt habe, wurde ich doch positiv überrascht. Ein bisschen hat sich „Scharnow“ auch in meine Seele gebrannt … und wenn mir in Zukunft irgendwo das Lied „Fiesta Mexicana“ unterkommt, werde ich wohl unweigerlich an dieses Buch denken müssen!

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1994 leitete Quentin Tarantino sein Kultwerk “Pulp Fiction” mit einer Definition des Begriffes “Pulp” aus dem American Heritage Dictionary ein. In der deutschen Fassung hieß es dazu: “Schund: 1. Abfall, Ausschussware, Schmutz 2. Schund- und Schmutzliteratur, ästhetisch minderwertige und moralisch anstößige Geschichten in Heft- oder Buchform” Dass Ärzte-Schlagzeuger Bela B. Felsenheimer schon seit jeher ein Faible für das Abseitige hat, für Gruselcomics- Horrorfilme- Italowestern- Groschenromane und andere politisch unkorrekte Genrekost, dürfte ein offenes Geheimnis sein. Nicht zuletzt kooperierte der umtriebige Herr neben seiner Bandtätigkeit in den letzten Dekaden auch immer wieder mit Akteuren dieses kulturellen Milieus: Mit Extrem Erfolgreich Enterprises betrieb er bis 2006 etwa ein Comiclabel primär für Horrorcomics. Als Schauspieler drehte er mit Leuten wie Jörg Buttgereit (u.a. Nekromantik), Splatter-Künstler Olaf Ittenbach (in Garden of Love z.B.) und, hier können wir die Brücke zum Beginn schlagen, war mitunter auch mit einem Cameo in Tarantino’s Inglorious Basterds vertreten, den er zwei Jahre zuvor zu seinem Grindhouse-Feature Film Death Proof: Todessicher interviewt hatte. Kurzum: Es war bloß eine Frage der Zeit, bis Herr Felsenheimer unter die Schriftsteller geht und seine Liebe zur Schund- und Trivialliteratur auch in diesem Medium auf die Leser*Innen loslässt. Nun ist das Debüt da, “Scharnow” heißt das Ganze, und beinahe pflichtgemäß handelt es sich hierbei um eine irre Tour de Force, rauschhaft oszillierend zwischen allen Genretrademarks, haufenweise Popkultur-Referenzen, mit einem höchst heterogenen Figurentableau, spaßig und abgründig zugleich, und dabei alle rationalen Grenzen sprengend. “Scharnow” ist, Spoiler Alert, ganz großes Entertainment. Aber der Reihe nach: “Scharnow ist über(all)” Auf den ersten Blick ist Scharnow lediglich ein Stückchen dröge ostdeutsche Provinz, ein 4200-Seelen Dorf, nördlich von Berlin, in welchem scheinbar der Hund begraben liegt. Doch bereits die ersten Seiten des Romans lassen erahnen: Hinter der bürgerlichen Fassade vermeintlich klassischer Biografien – zwischen frustrierten Supermarktkassiererinnen, einsamen Literaturbloggern, Säufern, verkappten Neonazis, Otaku-Mädchen aus Berlin, Erotikdarstellern und gleichsam hoffnungsvollen wie desillusionierten Flüchtlingen – da brodelt etwas – da entpuppen sich Scharnow und die danebengelegene Kreisstadt Sahsenheim plötzlich als schicksalsträchtige Mikrokosmen. Dabei liefern just jene ersten Seiten auch gleich die Anleitung, um das Örtchen greifbar zu machen: Eine Karte von Scharnow etwa, um den Ort geografisch greifbar zu machen. Der Supermarkt “Billkauf”, Hakan’s Internetcafé, die nördlichen Siedlungen- in Opposition zur Plattenbausiedlung – Sie bilden das Gerüst für haufenweise verrückte Schnittpunkte ganz unterschiedlicher Schicksale – Und auch das ganze sechs Seiten umfassende Personenverzeichnis ist ein Indiz dafür, dass Scharnow gar nicht so langweilig ist, wie die geografische Verortung es zunächst vermuten lässt. "VORSICHT SPOILER!" In seiner Plotstruktur ähnelt Scharnow dabei der David Lynch-Serie Twin Peaks: Das beginnt bereits beim abseitig gelegenen Dörfchen als eher assoziatives Haupthandlungszentrum und bei einem undurchschaubaren und weitläufigen Figurentableau, welches zunächst eher eine bürgerliche “Working Class”-Gesellschaft in den Vordergrund stellt. Gleichzeitig ist jede Figur mit einem eigenen Subplot unterfüttert und durchläuft gleichermaßen unvorhersehbare, dabei aber nie komplett abwegige Entwicklungsprozesse durch. Es gibt einige zentrale geografische Eckpunkte, wo die für sich unbekannten Charaktere aufeinandertreffen. Was in Twin Peaks das Double R Diner ist, dürfte hier beispielsweise der Billkauf sein – Die schwarze Hütte in Twin Peaks findet hier ihre metaphysische Entsprechung in den sogenannten Seelenparkplätzen – Und wie Twin Peaks hüpft Scharnow unbeirrt zwischen den Genres: Manchmal Krimi– manchmal Thriller, manchmal Seifenoper, ab und an beinharter Actionfilm und durchaus auch mal splattriger Horrorfilm. Die einzelnen Handlungsstränge sind dabei relativ episodisch gehalten – In jedem Kapitel wechselt die Perspektive, letztlich läuft das Schicksal aller Protagonisten aber auf ein Ereignis X hinaus, bei dem bis zuletzt unklar bleibt, was da eigentlich konkret passiert. Hier fühlte ich mich vom Vibe her wiederum sehr an die Screwball-Fingerübung der Coen-Geschwister Burn After Reading erinnert. Burn After Reading "VORSICHT SPOILER!" Eingeleitet wird die Geschichte, und hier wird ein kleiner Metaebenen-Seitenhieb auf unsere Bloggerzunft geliefert, mit dem durchaus intelligenten, aber auch pendantischen Literaturblogger Ron Thorsten Wassmann, der von seinem Erbe lebt, welches ihm seine Tante hinterließ, und ansonsten lediglich einen durchaus einflussreichen Blog namens “Wassmanns Wisdom” betreibt. Um die Deadlines der Verlage einzuhalten, überfliegt er die Romane häufig bloß noch, um auf Basis des ersten Eindrucks eine Lobhudelei oder vernichtende Kritik abzuliefern – mitunter gegen Entgeld natürlich. Eines Tages trifft ein unbeschriftetes Päckchen bei ihm ein, das ein edel gebundenes Buch mit der Aufschrift “Horror Vacui” enthält (die Lateiner unter uns wissen: “Die Angst vor der Leere”, ein künstlerischer Griff, um Leerstellen in künstlerischen Werken zu meiden) – ohne Angabe von Verlag, Herausgeber oder Schriftsteller. Das mysteriöse Buch beginnt mit den Worten “Kennen Sie das Gefühl, etwas an Ihrem Leben verändern zu müssen?” Obschon Wassmann diese Einleitung als billigen literarischen Kunstgriff zu entlarven glaubt, scheint das Buch schon bald auf merkwürdige und durchaus tödliche Weise Besitz von ihm zu ergreifen – und er soll im Verlauf des Buches nicht der letzte sein. Dieser Prolog hat einerseits nicht sonderlich viel Einfluss auf den Rest der Handlung, aber er gibt die Marschrichtung vor. Neben Wassmann haben wir einen Haufen anderer illustrer und verpeilter Figuren: Wassmann’s reizende Nachbarin etwa ist alleinerziehende Pornodarstellerin, deren beste Freundin Patty eine eitle Drag Queen mit einem durchaus brisantem Geheimnis ist. Ihr Töchterchen wiederum ist befreundet mit der Tochter vermeintlicher Neonazi-Eltern, die bloß aus seltsamen pädagogischen Gründen die rechte Fassade aufrechterhalten, und dabei Sozialleben und gesellschaftliche Anerkennung einbüßen. Der “Pakt der Glücklichen” wiederum ist eine Gruppe gesellschaftlicher Aussteiger, die eine gemeinsame Wohnung in der nördlichen Siedlung bewohnen und ihr Leben einem strengen Manifest unterworfen haben. Im Kern geht es um Gorefilme- Pornografie, Saufen und gegenseitigen Respekt – Eine weitere handlungsrelevante Fraktion ist der BsB, der Bund skeptischer Bürger – eine Gruppe von Veschwörungstheoretikern, die scheinbar den nicht ganz irdisschen Weltenlenkern auf der Spur sind und dabei auch vor gewalttätigen Anschlägen nicht haltmachen, um die vermeintliche Manipulation der Menscheheit einzudämmen. Und zu guter Letzt taucht ein ominöser Superhelden-artiger Protagonist mit dunkler Vergangenheit auf, der die Welt in Atem hält – In diesem Gemengelage bewegen sich das eher unbedarfte Berliner Manga-Mädchen Nami, die auf den syrischen Flüchtling Hamid trifft, und im Zuge dessen eine zarte Romanze erblüht, aber auch Erotiktänzer Peter Märse und die Supermarktkassiererin Sylvia Pathé, mit der es das Schicksal nicht gut gemeint hat und die im Verlauf der Handlung weitere tragische Verluste zu beklagen hat. Man sieht: Es passiert unglaublich viel. Und Bela B. hat dabei eine erfrischend punkige Weise zu schreiben und dabei der starren Vernunft eine klare Absage zu erteilen. Das tolle am Buch ist – trotz aller hanebüchenen Charakterentwicklungen und Plotwendungen, die ins Fantastische und Surreale abdriften, bleibt der Kern erstaunlich geerdet: Einerseits ist Bela ein sehr detailversessener Beobachter seiner Gesellschaft, wir haben hier tatsächlich relative viele Archetypen unserer Gesellschaft, die in dieser Form durchaus existent sind – Gleichermaßen hat Bela B. einen Heidenspaß daran entwickelt, diese Archetypen zu dekonstruieren. Weder sind die Säufer hier ausschließlich primitive Asoziale, noch ist der Flüchtling hier einfach Flüchtling – und selbst die Neonazis sind hier nicht einfach Nazis. Die Figuren sind ambivalent gezeichnet und werden alle zu irgendeinem Zeitpunkt ironisch gebrochen, bekommen ihren Heldenmoment. Es ist fast schon eine sehr wohlwollende Idee von der Menschheit – und das finde ich herrlich erfrischend. Denn gleichermaßen gibt es hier auch einige Tote zu beklagen, es warden sexuelle Übergriffe thematisiert, soziale Verwahrlosung, interkulturelle Hürden, sinnstiftende Menschenfeindlichkeit – und diese Abgründe haben immer auch einen gewissen emotionalen Punch. Aber sie ufern nicht aus, sondern werden durch einen optimistischen und klamaukigen Humor konterkariert. Man merkt, wieviel Herzblut in dieses Projekt geflossen ist und wie sehr die Figuren Bela ans Herz gewachsen sind. Und auch mir hat dieser wilde Parforceritt außerordentlich viel Spaß gemacht, nicht zuletzt durch die vielen Referenzen: Da werden kleine Exkurse auf italienische Splatterfilme- und Exploitationflicks geliefert – Der unscheinbare Superheld Trotsky ist eine Art Watchmenesquer Dr. Manhattan, der sich zunehmend von der Menschheit entfremdet, die Cops agieren hier auch mal ahnungslos aber selbstherrlich nach klassischer Dirty Harry-Manier und zwischenzeitlich gibt es auch mal eine Episode aus der Sicht eines homosexuellen Eichhörnchen-Paares. Die Nutzung der Sprache ist im Großen und Ganzen nicht sonderlich kunstvoll oder hochtrabend literarisch ausgestaltet, aber auf der anderen Seite schüttelt Bela die Stories recht locker aus dem Ärmel – beinahe so, als würde er dir einen Pitch für ein Projekt bei einem Bierchen vorstellen. Die Sprache ist simpel, hat aber was sehr filmisches an sich. Natürlich sind einige Episoden vernachlässigbarer als andere, Die dezent surreale Eichhörnchen-Story etwa hat mir nichts gegeben, und natürlich sind einige sprachliche Konstrukte auch ein wenig redundant geraten. Nichtsdestotrotz hat Scharnow was sehr schön unprätentiöses an sich – Man merkt einfach, dass das Ding kein selbstzweckhaft zusammengeschustertes Promi-Ego-Projekt ist, sondern einfach ein weiteres künstlerisches Ventil für Herrn Felsenheimer. Und das macht Laune. Wie es auf (negative) Weise anders geht, zeigt ganz aktuell “Aus dem Dachsbau” vom Tocotronic-Barden Dirk von Lotzow. Fazit: Scharnow ist skurrill. Scharnow ist abgründig. Scharnow gibt keinen Fick. Bela B. hat hier als Schriftsteller offenbar absolute Narrenfreiheit genossen. Seine Liebe zu Comics- und B-Movies zieht sich durch das ganze Ding hindurch. Gleichermaßen ist er aber auch pointierter und kluger Beobachter, der die Empfindlichkeiten deutscher Provinzbiografien in seinen wahnwitzigen Stories persifliert, ohne die Figuren dabei der Lächerlichkeit vorzuführen. Scharnow ist wie ein klamaukigeres, deutsches Twin Peaks – Häufig ein bisschen doof, manchmal grenzgenial. Manchmal albern, punktuell auch tragisch. Durch das Buch zieht sich ein hoffnungsvoller Feel Good-Tenor, obwohl Bela auch vor beinahe pornografischen- und extrem gewalttätigen Sequenzen nicht zurückschreckt. Die Erzählweise beruht natürlich auf der Montagetechnik, das ist nicht sonderlich innovativ, durch die Dynamik der Ereignisse bekommt das ganze Ding aber einen sehr filmischen Charakter. Es ist schön, dass Bela seinen Bekanntheitsgrad ausschließlich dafür nutzt, tatsächlich die künstlerischen Grenzen des Verlagsprogramms auszureizen. Scharnow macht nicht zuletzt durch die unprätentiöse Herangehensweise sehr viel Spaß.

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Inhalt In Scharnow passiert eigentlich nie etwas. Es ist die meiste Zeit ruhig und nicht gerade spannend. Deswegen ist Nami damals auch froh gewesen, aus Scharnow wegzukommen. Nun ist sie wieder in der Stadt, um ihre Großmutter zu besuchen. Genau zu dieser Zeit beginnt das große Chaos in Scharnow. Ein fliegender Mann wird gesichtet, ein Mord wird in Auftrag gegeben, die Verschwörungstheoretiker laufen heiß, der Supermarkt wird überfallen, ein böswilliges Buch treibt sein Unwesen und der Polizeichef ist überfordert. Zu eben dieser Zeit begegnet Nami aber auch ihrer großen Liebe und kümmert sich liebevoll um ihre Oma. Nach und nach wird deutlich, dass alle ungewöhnlichen Vorfälle in Scharnow mit einander zu tun haben. Mitspieler bei dem Ganzen sind dazu noch der Bund der besorgten Bürger und der Pakt der Glücklichen. Meinung Ich bin begeistert, aber auch noch immer durcheinander. Fiktion wird hier so genial und selbstverständlich mit der Wirklichkeit vermischt, dass man am Ende noch immer nicht sicher sein kann, was wahr ist und was nicht. In diesem Buch gibt es so viele geniale Wendungen. Ich liebe es, wie die Personen und die Ereignisse alle aufeinander aufbauen und miteinander zu tun haben. Außerdem finde ich Scharnow generell sehr clever gemacht. Das Buch ist in Abschnitte aufgeteilt und hat relativ kurze Kapitel. Diese erzählen immer wieder aus einer anderen Sicht. Vorne und hinten im Buch gibt es eine Karte und zu Beginn ist ein Personenregister enthalten. Dieses habe ich mehr als nur einmal gebraucht, denn die wechselnden Sichtweisen können schon etwas verwirren. Mein einziger Kritikpunkt ist, dass ich aus dem Ende nicht ganz schlau werde. Eine Freundin hat die Schreibweise des Buches mit der von Murakami vergleichen. Ich finde dies ist ein cleverer Vergleich. Doch anders als bei Murakami bin ich am Ende von Scharnow ein wenig unbefriedigt geblieben. Es bleibt für mich noch so viel ungeklärt, aber wahrscheinlich soll das genau so sein. Davon lebt die Erzählweise des Autors auch irgendwie. Fazit Scharnow ist ein genial geschriebenes Buch mit Humor, Fiktion und Intelligenz. Dabei nimmt es bestimmte Teile der Bevölkerung sehr gut auf die Schippe. Von mir gibt es 4/5 Sternen.

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