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Rezensionen zu
Wir werden erwartet

Ulla Hahn

Die Geschichte der Hilla Palm (4)

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€ 28,00 [D] inkl. MwSt. | € 28,80 [A] | CHF 37,90* (* empf. VK-Preis)

Auf Ulla Hahns Bücher bin ich erst im Zuge eines Seminars über die DDR und Post-DDR gestoßen und war sofort von ihrer Sprache in den ersten drei Bänden "Das verborgene Wort", "Aufbruch" und "Spiel der Zeit" begeistert! Mit ihrem vierten Band: "Wir werden erwartet" beendet sie nun ihre Tetralogie und autobiographischen Schriften, an denen sie fast 20 Jahre gearbeitet hat. Sie hat hiermit einen würdigen Abschluss ihres Romanzyklus vorgelegt, der dort ansetzt, wo der dritte Roman geendet hat. Hilla Palm, das Alter Ego der Autorin, ist nun mit ihrem Kommilitonen Hugo verlobt und arbeitet in Köln an ihrer Doktorarbeit. Doch Hugo stirbt bei einem Unfall und Hilla stürzt in die größte Krise ihres bisherigen Lebens. Schließlich gelingt es dem alten Pfarrer aus ihrem Heimatort Dondorf, ihr durch Zeichen und Verständnis, so etwas wie Halt und Orientierung zu geben. Auf einer WG-Party lernt sie Marga kennen, die ebenfalls an ihrer Dissertation schreibt und in der sie einen Leidensgenossen gefunden zu haben glaubt. Die Treffen mit Marga sind für Hillas politische Aktivierung, die Lektüre der marxistischen Klassiker und schließlich die Mitgliedschaft in der DKP entscheidend und so landet sie schließlich in Hamburg. Dort glaubt sie zunächst, den richtigen politischen Ort und eine neue Heimat gefunden zu haben. Ihr politisches Engagement bringt sie auch in einen neuen Kontakt mit ihrer Herkunft, mit ihrem Vater und ihrem geliebten Bruder. Nach und nach tauchen jedoch erste Zweifel auf an der Ideologie der Partei, doch es wird einige Jahre dauern, bis sie sich davon befreien kann. Sie bemerkt, dass eine eigene Meinung nicht wirklich erwünscht ist und von ihr verlangt wird, dass sie Zusammenhänge so zu sehen, zu interpretieren hat, wie die Partei es will. Den Rest gibt ihr eine Fahrt zu den Genossen nach Ost-Berlin. Sie erlebt das durchgängige Bespitzelungssystem in der DDR und die Auswirkungen auf die Bevölkerung hautnah. Sie pocht auf ihr eigenständiges Denken und ihre Sprache und will sich das nicht bieten, vor allem nicht verbieten lassen. Die Distanz zu den Genossen wird immer größer, Hilla zieht sich immer mehr zurück und gibt letztlich ihr Parteibuch wieder ab. Und immer wieder schreibt sie Gedichte, versucht in ihrer Sprache eine Heimat zu finden, überzeugt davon, dass es vielleicht eine Welt ohne Gott, nicht aber ohne Wort geben kann. Meine Meinung: Wenn man Ulla Hahns immense Leistungen als Prosaschriftstellerin und Lyrikerin auch nur annähernd begreifen möchte, kommt man an Wir werden erwartet nicht vorbei. Es geht um Sehnsucht und Leidenschaft, um Wahrheit und Glauben, um den Kampf für Gerechtigkeit und den selbstverantworteten Glauben an "Dendaoben" in einer sich verändernden Welt voller Gewalt und Ungerechtigkeit. Und es geht darum, wie Liebe alte Verletzungen heilen kann. Ein, wie ich finde, mal wieder sehr beeindruckender Roman. Ihrem inzwischen gewohnten narrativen Stil bleibt die Autorin treu und ihre Ich-Erzählerin lässt immer wieder Kommentierungen zu. So wie in den ersten Bänden der Trilogie entscheidet sich Hahn auch hier für eine Großstrukturierung ihres Textes in drei Teile: „Der Tod“, „Der Kampf“, und „Das Fest“, die wiederum in viele kleine Abschnitte zerfallen. Im Vergleich zu ihren Vorgängerromanen fand ich diesen ein wenig langatmig und zum Teil stockend und zäh. Aufgelockert wird dieser Eindruck dann aber wieder durch ihren zeitweise ironisch heiteren Unterton, mit denen sie sprachlich in Distanz zu den Inhalten geht. Insgesamt mehr Fahrt nimmt der Text auf, wenn die Erlebnisse während der Reise in die DDR und damit die Konfrontation mit dem real existierenden Sozialismus im Mittelpunkt stehen. Wie immer bei Ulla Hahn ist die poetische Leistung einfach großartig und mir gefallen die eingearbeiteten Gedichte und ihre Sprache sehr. Fazit: Mit diesem letzen Band ist Ulla Hahn eine überaus lesenswerter, jedoch etwas zu langgezogener Roman gelungen, der neben den biografischen Elementen der Hilla Palm und ihrer Familie die Zeit nach 1968 lebendig werden lässt, mit all den langatmigen Diskussionen ums „richtige Leben“. „Wir werden erwartet“ ist ein großer autobiographisch geprägter Roman und ein gelungener Abschluss einer Tetralogie, die sich über die ersten drei Jahrzehnte Nachkriegsdeutschlands erstreckt. Eine wahre Liebeserklärung an die Sprache, ihren Reichtum und ihre Schönheit und ein Loblied des Lebens und dessen, der es schenkt und bewahrt. Heute gibt es für den überaus poetischen Roman aber keine volle Punktzahl, da ich ihre letzten Bände als ein wenig besser und nicht so zäh empfand. Dennoch ein würdiger Abschluss für dieses großartige Lebenswerk.

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Ein Koffer in

Von: wal.li

25.11.2017

Hilla Palm hat es geschafft, sie ist ihrer einfachen Herkunft aus Dondorf entwachsen, sie studiert, sie will ihre Doktorarbeit machen. Das gemeinsame Leben mit ihrem Freund Hugo läuft bestens. Doch dann stirbt Hugo bei einem Unfall und alles, was so hell und sicher schien, ist auf einmal wie ausgelöscht. Nur mühsam kann sich Hilla zurück kämpfen. Sie geht nach Hamburg, weil dort das Thema ihrer Doktorarbeit angenommen wird. Ein neuer Start, ganz neue Einflüsse stürzen auf sie ein. Politische Themen werden Hilla wichtig. Eine Heimat bietet ihr die Kommunistische Partei. Dieses Hörbuch wird von der Autorin selbst gelesen. Bestens versteht diese es, die Zuhörer in die Welt ihrer Protagonistin zu geleiten. Man leidet mit Hilla als ihr Lebensgefährte stirbt und ihre heile Welt zusammenbricht. Man freut sich an ihrem Aufbruch nach Hamburg, ihrem neuen Start. Man sieht die Hilla aus den vorherigen Bänden aufblitzen, wenn es um den Schwimmkerl geht, der den Leser zum Lachen und Hilla zum Heulen bringt. Man fremdelt etwas mit ihren politischen Ansichten, die man von ihrer Lage aus gesehen, der Suche nach Halt, nach Heimat, doch irgendwie versteht. Siehste, denkt man, wenn ein weiterer Traum zerplatzt und möchte sich diesen Gedanken doch gleich wieder verbieten. Die späten 1960er und die frühen 1970er waren schon eine bewegte Zeit. Hilla, Mitte zwanzig bis um die Dreißig, für einen Menschen häufig eine bewegte Zeit. Hillas bewegte Zeit gibt einen Abriss des Zeitgeschehens und einen Einblick in die Entwicklung und Formung ihrer Persönlichkeit. Schließlich hat Hilla sich ein Stück weit selbst gefunden. Das gedruckte Buch ist mit über sechshundert Seiten angegeben, diese gekürzte Hörbuchfassung umfasst knapp 4 Stunden und 30 Minuten. Da fehlt also einiges und man beginnt sich während des Hörens zu fragen, ob da nicht doch ein wenig zu viel gekürzt wurde. Denn so schön und authentisch der Vortrag der Autorin ist, das Gehörte wirkt etwas episodenhaft. Ein gelungener Abschluss von Hilla Palms Erzählung über ihre Jugendjahre, lebensvoll, dramatisch, manchmal lustig, manchmal ernüchternd, immer fesselnd.

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Mit „Wir werden erwartet“ schließt Ulla Hahn ihre autobiographische Romanserie ab – und erzählt u.a. von ihrer Mitgliedschaft bei der Deutschen Kommunistischen Partei. Als 2001 Das verborgene Wort erschien, ahnte Ulla Hahn selbst nicht, dass sie erst noch drei weitere Bücher schreiben müsste, bis sie zu dem eigentlichen Thema vorstoßen würde: Ihre zeitweilige Mitgliedschaft in der DKP, der Deutschen Kommunistischen Partei. Mit dem neuen Roman Wir werden erwartet dröselt sie nun en detail auf, wie es hatte kommen können, dass sie Anfang der 1970er Jahre das Parteibuch entgegen nahm, um für die Rechte der Arbeiterklasse zu kämpfen und ein paar Jahre später – desillusioniert oder vielleicht auch einfach weiter entwickelt – die Partei wieder verließ. Dabei wirkt ihre Entscheidung – die in den Besprechungen teilweise als lapidare Jugendsünde, teilweise als schamvolles Fehlverhalten abgestempelt wurde – recht schlüssig, hat man zuvor die ersten drei Bände gelesen (und das sollte man!): Als „Kenk vun nem Prolete“ wächst die kleine Hilla Palm, die unschwer als Ulla Hahn zu erkennen ist, in den 40er und 50er Jahre in einem Dorf im Rheinland auf. Die Eltern sind Arbeiter und weniger gebildet, noch vom Krieg geprägt und streng in ihren Erziehungsmethoden. Doch Hilla hat ein ausgeprägtes Gespür für Sprache, liest alles, was sie in die Finger bekommt und schafft es – wenn auch über einige Umwege – das Abitur abzulegen und sich an der Universität Köln für Literaturwissenschaften einzuschreiben. Dort lernt sie auch Hugo kennen, ihre erste große Liebe. Doch Hugo – ach, das verrate ich an dieser Stelle nicht, aber Hugo ist ein Grund, wieso Hilla letztendlich in den marxistischen Kreisen in Köln und später Hamburg landet, in der man sich nächtelang die Köpfe heiß diskutiert, wie man die Situation der Arbeiter verbessern kann – ohne dabei die theoretische Komfortzone zu verlassen. Und wer würde besser in die Partei passen, wenn nicht das „Arbeiterkind“ Hilla, die die Schufterei ihres Vaters, einem ungelernten Arbeiter, aus nächster Nähe erlebt hat? „Bildung vermitteln wollte ich, mich einsetzen für die Möglichkeit der Arbeitenden, daran teilzunehmen. Ich hatte meine Rolle gefunden. Ich wollte den Menschen die Scheu nehmen vor dem, was sie als ’nix für unsereins‘ betrachteten, vor der sogeannten Hochkultur. Ihnen klarmachen, dass auch die Eroberung dieser Schätze ein Stück Klassenkampf war.“ Doch natürlich ist das alles nicht so rosig, wie es in den Diskussionen klingt: Viele aus der arbeitenden Bevölkerung haben besseres zu tun, als sich mit Hochkultur auseinanderzusetzen, der Satz „geh doch nach drüben“ fällt gelegentlich. Als Hilla Ende dann der 1970er Jahre tatsächlich einer offiziellen Einladung nach „drüben“, also in den „real existierenden Sozialismus“ der DDR folgt, fällt ihr idealistisches Bild des Kommunismus zusammen. She’s not amused. Ulla HahnWir werden erwartet, so viel sei gesagt, ist nicht das stärkste Buch aus der vierteiligen Roman-Reihe. Doch wer Hilla Palm über so viele Jahre begleitet, ihren Kampf um das Recht auf Bildung verfolgt, über die wirren Vorstellungen des Kölner Katholizismus geschmunzelt hat und mit ihr über die Sprachbilder gehüpft ist – der wird sich freuen, die einerseits schüchterne, andererseits selbstbewusste junge Frau erneut zu treffen. Ulla Hahn, so scheint es mir jedoch, hat in diesen letzten Band besonders viel an eigenen Erfahrungen, Anekdoten und damals entstandene erste Gedichte einfließen lassen, so dass es gelegentlich schwer fällt, nicht alles eins zu eins auf die Autorin zu übertragen. Sie schildert die Zerrissenheit einer jungen Frau, die die Gesellschaft verändern möchte und doch gleichzeitig stolz darauf ist, endlich dem „Bildungsbürgertum“ anzugehören. Aber die Bemühung, im Rückblick die Wogen ihrer jugendlichen Fehltritte auszubügeln, schwächt die Geschichte. Auch wenn es noch immer eine große Freude ist, Hillas Gedankenstrom zu folgen, so reicht Wir werden erwartet, was die sprachliche Kühnheit und Rafinesse angeht, leider nicht an die vorherigen Romane heran.

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