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Rezensionen zu
Ungeheure Veränderungen in letzter Minute

Grace Paley

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Der Titel ist Programm: Paileys Geschichten beginnen alltäglich, offenbaren jedoch schon bald das Ungewöhnliche. Mal subtil, mal mit einem Paukenschlag. In ihren Kurzgeschichten geht es um eine Stadt und eine Zeit, die beide von Veränderungen geprägt sind. In New York City gehen in den sechziger Jahren Hippies, Junkies, Jugendliche, Bürgerrechtler, Feministinnen, Kapitalisten, Sozialisten, Weiße und Schwarze auf die Straße, um für das Große und Ganze oder die kleinen Belange ihres Alltags zu kämpfen. Ihre oft dramatischen Hintergründe versieht Pailey mit einem klugen Sinn für Humor. Das Absurde des Alltags betrachtet sie aus gesunder Distanz, ihre Stärke ist die Beobachtungsgabe, ihre Sprache nimmt durch die Klarheit sofort gefangen. Oder wie es die Protagonistin der Kurzgeschichte „Ganz einfach“ ausdrückt: „Sie würden mich sicher gerne kennenlernen. Ich war eine Frau, die ihre Jugend ausgekostet hat.“ Die aus einer jüdischen Einwohnerfamilie stammende Grace Pailey rückt dabei vor allem die Frauen in den Fokus ihrer Geschichten. Diese Frauen müssen ihren Mann stehen. Auffallend oft werden sie von selbigen verlassen, schlagen sich mit ihren Kindern allein durch. Zum einen scheint das Schicksal der Alleinerziehenden ein unsicheres Wanken zwischen Sozialamt, Prostitution, Alkohol, schlecht bezahlten Job und der Rolle der ewigen Geliebten zu beinhalten. Auf der anderen Seite sind da die Frauen, die von zuhause ausreißen und sich in New York City selbst finden wollen oder sich von weitaus jüngeren Taxifahrern abschleppen lassen. Nicht immer nimmt dies ein gutes, manchmal sogar ein grauenhaftes Ende. Die Männer wiederum scheinen von der Last des Familienernährers erdrückt, wirken wankelmütig und wenig belastbar. Grandios rückt Pailey dabei ganz unerwartete Schauplätze in den Fokus ihrer Auseinandersetzung zwischen Geschlechtern und Generationen. In Parks und auf Spielplätzen finden die wirklich wichtigen Entscheidungen und Treffen statt. Faith, die als Protagonistin in mehreren Geschichten auftaucht, philosophiert gerne aus den Baumwipfeln heraus, während zu ihren Füßen junge Eltern gegen den Vietnamkrieg protestieren. Schwarze reißen hier junge weiße Mädchen auf, es wird gedealt, protestiert, geflirtet und flaniert. Weitere Begegnungsstätten sind Bibliotheken, Altersheime, Joggingstrecken. Stilistisch lässt die Autorin immer wieder Lyrik in ihre Prosa einfließen – wurde sie für beide Gattungen doch mehrfach mit Preisen ausgezeichnet. Mal tobt sich der Songwriter in der titelgebenden Kurzgeschichte in seinen Liedertexten aus. Mal fordert eine Elterninitiative einen Zaun um den Spielplatz, damit all die Dealer und Pädophilen auf Abstand gehalten werden. Ihr Gesuch präsentiert sie vor dem Stadtrat in Gedichtform. Die wohl persönlichste Geschichte dieses Bandes lautet „Gespräch mit meinem Vater“. Hier lässt sich jener über die schriftstellerischen Qualitäten seiner Tochter aus und ihr Unvermögen „eine ganz normale, geradlinige Geschichte zu schreiben“. Genau dies, was wir Leser als den größten Verdienst von Paileys Geschichten zu schätzen wissen… auch hier bricht Paileys Humor wieder durch. Wunderbar abgerundet werden die 17 Kurzgeschichten von einem Interview, das 1978 mit der Autorin geführt wurde sowie einigen Eckdaten zu ihrer Biografie. So war Grace Pailey in der Bürger-, Frauenrechts- und Friedensbewegung aktiv. Das Gelesene kann dadurch nochmals in einem neuen Kontext hinterfragt werden. Ein außergewöhnliches Lesevergnügen mit starken (Anti-) Heldinnen, die in bewegten Zeiten ihren Mann stehen müssen. Garniert mit lakonischen Wortwitz, der die Klammer zwischen alltäglicher Ausgangssituation und wendungsreichem Subtext gekonnt meistert.

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