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Rezensionen zu
Main Street

Sinclair Lewis

Manesse Bibliothek (6)

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€ 28,00 [D] inkl. MwSt. | € 28,80 [A] | CHF 37,90* (* empf. VK-Preis)

Das Format der Bücher aus dem Manesse-Verlag mag ich sehr. Die Bücher sind klein, aber bieten dennoch viel Platz für den Inhalt. Das Cover hat mir sofort gefallen und es identifiziert sich voll und ganz mit der Handlung des Buches. Neugierig war ich auf die Geschichte, weil ich las, das Main Street, welches in den Zwanziger Jahren veröffentlicht wurde, aktuell wie nie scheinen soll. Dies wurde mir sehr schnell bewusst. Viele der angesprochenen Themen sind auch heute noch in Amerika und überall auf der Welt zu finden. Neben den Zweiklassen-Gesellschaften ist es vor allem auch die unterschiedliche Einstellung zum Leben, welches die Menschen unterscheidet, zB die freier Denkenden und die Spiessbürgerlichen. Leider spielt in diesem Roman auch der Fremdenhass eine große Rolle. Alles Themen, die bis heute leider aktuell sind. Dem Autoren gelang mit Main Street ein wirklich gelungener Roman, der es schafft, die Schwierigkeiten, die Herausforderungen und die Ängste der Menschen in einem Buch zu vereinen und daraus eine zeitlose Lektüre zu schaffen.

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Dieser Roman spielt Anfang des 20. Jahrhunderts, als gerade die ersten Autos aufkamen und Flugzeuge noch der Zukunft angehörten. Die Kleinstadtbewohner waren Bauern mit eurpopäischen Wurzeln, sie arbeiteten hart, lebten bescheiden, besuchten ihre Kirchen und pflegten kleinbürgerliche Geselligkeit. Lewis ist ein hervorragender Schriftsteller, er beobachtet seine Figuren genau und stellt das menschliche Verhalten zwar reichlich detailverliebt und ausufernd, aber auch treffend dar. Es geht um die kleingeistigen Ideale des amerikanischen Mittelstands und man beobachtet auch eine beginnende Entwicklung der Emanzipation der Frau. So wie es immer Kleinbürgertum gegeben hat, wirkt dieser Roman schon fast wie eine Satire. Und "Main Street" erscheint damit heute so aktuell wie damals. "Sie aßen ihre Sandwiches an einer Prärieaue: hohes Riedgras, das aus klarem Wasser emporwuchs, moosiger Moorgrund, rot geflügelte Stärlinge, goldgrüne Schaumspritzer auf den Tümpeln." Zitat Seite 129 Der Roman erzählt die Geschichte von Carol Kennicott, einer jungen Frau mit Idealen, sie möchte etwas in ihrem Leben bewegen. Als sie 1910 einen Landarzt heiratet und mit ihm aufs Land zieht, nach Gopher Prairie in Minnesota, wird schnell deutlich, dass Carol sich hier inmitten der kleingeistigen und spießigen Bewohner nicht wohl fühlt. Die Menschen sehen in allen Zugezogenen nur Außenseiter, lästern über alles Neue und können kaum Toleranz aufbringen. Doch Carol lässt sich so schnell nicht entmutigen, sie ist engagiert genug und versucht immer wieder, durch Kulturangebote wie Tanzabende, Theater und Bibliothek frischen Wind in das öde Landleben einziehen zu lassen. Immer wieder scheitert sie, wird belächelt und bekommt nur schräge Blicke der anderen Bewohner zugeworfen. Weltgewandtheit kann man nicht vermitteln, es muss auch gewollt sein. Das gilt auch für ihren Ehemann, der anfangs noch von ihrer sprühenden Lebendigkeit begeistert war und sich auf dem Land wieder in einen spießigen Dörfler verwandelt, für den Frauen nur für Haushalt und Kinder zuständig sind. Es war ermüdend, wie häufig Carols Aufmüpfigkeit für Veränderungen ständig gegen eine Wand von Widerstand von Seiten der provinziellen Hinterwäldler lief. Es war ein Auf und Ab von Anpassung und Aufstand gegen die Engstirnigkeit der Kleinstädter. Daneben sorgten einige schöne landschaftliche Beschreibungen für etwas Abwechslung, doch weiterführende Handlungen konnte ich nicht erkennen. Insofern musste ich mich ziemlich durch das Buch mühen. Unterschiedliche Charaktere sind reichlich vorhanden, allesamt mehr oder weniger austauschbar. Vom Schreibstil her lässt sich der Roman sehr gut lesen, insgesamt ist er allerdings viel zu ausgeschmückt und weitschweifig, wenn man bedenkt, das einige Handlungen immer nach dem gleichen Schema ablaufen. Letztendlich ändert sich nicht viel an der Ausgangssituation in Gopher Prairie. Als der Roman 1920 erschien war er wohl ein "reaktionäres" Buch, heutzutage ist das nicht unbedingt nachvollziehbar. Für mich erscheint dieses Buch als eine Zustandsbeschreibung vom amerikanischen Mittelstand, den man auch heute noch in provinzieller Lebensart vorfindet. Allerdings kann man gesellschaftskritische Romane auch anders darstellen, dafür hätte dieses Buch den Nobelpreis für Literatur vielleicht nach heutiger Ansicht nicht unbedingt verdient. Doch darüber möchte ich mit keine Kritik anmaßen, die Zeiten für kritische Literatur haben sich jedoch gewaltig geändert, was man von den dargestellten urbanen Kleinbürgern nicht unbedingt behaupten kann. Die gibt es noch immer. Dieses Buch wirkt melancholisch und trägt durchgängig die Hoffnung auf Veränderung in sich. Die Protagonistin Carol ist kritisch, hinterfragt vieles, möchte Dinge verändern, darin ist sie schon fast fanatisch. Sie ist gegen das Spießertum, doch sie lebt ein ebensolches Leben. Es geht ihr um den Wert des Lebens. Doch sie kämpft gegen Windmühlenflügel an, ihre Bemühungen scheitern von Mal zu Mal. Ein lesenswertes Buch, bei dem man nicht nur viel Lesezeit und Geduld aufbringen muss, sondern sich auch mit dem zeitlichen Hintergrund befassen sollte, um es richtig zu verstehen. Auf den letzten 50 Seiten des Buches gibt es 253 Anmerkungen zum besseren Leseverständnis und ein erhellendes Nachwort von Heinrich Steinfest. Es geht um Emanzipation, den Wunsch nach Veränderungen, nach Modernisierung von Gesellschaft und Lebensqualität. Ein melancholisch wirkender Roman, der den Zeitgeist der 1920er Jahre wiedergibt und trotzdem heute noch aktuell erscheint. Insgesamt wirkt die Handlung allerdings recht langatmig, denn sämtliche Hoffnung auf Veränderungen zerplatzen wie Seifenblasen. Dennoch lesenswert und besonders.

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Percy Bresnahan ist eine Berühmtheit - zumindest in Gopher Prairie, einem amerikanischen Provinznest zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Denn P. B. ist ein berühmter Automobilhersteller und Vorbild der Einwohner von Gopher Prairie. P. B. hat bewiesen, dass jeder, der aus Gopher Prairie kommt, ungeahnte Möglichkeiten hat, wenn er sie nur ergreift. Er ist sozusagen der Inbegriff des Amerikanischen Traums. Nahezu jede Kleinstadt hat einen Helden vorzuweisen. Da spielt es keine Rolle, dass sowohl Percy Bresnahan als auch Gopher Prairie der Phantasie von Sinclair Lewis entsprungen sind. Sein Roman „Main Street“ spielt in eben diesem Gopher Prairie. Der Literaturnobelpreisträger von 1930 und gleichzeitig erster amerikanischer Autor, der diesen Preis erhielt, hat mit „Main Street“ einen Roman geschrieben, der wahrscheinlich nie an Aktualität einbüßen wird – solange es Kleinstädte gibt. Besagte Main Street bildet das Herzstück von Gopher Prairie. Mehr hat das Nest im Westen der USA nicht zu bieten. Nichtsdestotrotz sind die Einwohner über alle Maßen stolz auf ihre kleine Stadt. Schwer nachvollziehbar, denkt sich auch Carol Kennicott, die frisch verheiratet mit Will Kennicott, dem Arzt aus Gopher Prairie, aus der Großstadt in eben diesen Ort zieht. Carols Erwartungen sind hoch. Denn Will hat Gopher Prairie in allen vorstellbaren und unvorstellbaren Farben angepriesen. So ist Carols Enttäuschung nicht verwunderlich. Doch die resolute junge Frau versucht sich mit ihrem Leben als Arztfrau in einem Provinznest zu arrangieren. Sie hofft sogar, das gesellschaftliche Leben mit ihrem Charme und Esprit zu beleben sowie das triste Stadtbild auf Vordermann zu bringen - Pläne, an denen sie sich die Zähne ausbeißen wird. Denn die Einwohner von Gopher Prairie geben viel auf ihr (nicht) vorhandenes gesellschaftliches Leben. So begegnen sie Carol nach anfänglicher Neugierde mit viel Skepsis. Carol wird sich 10 Jahre ihres Lebens mit den eigenbrötlerischen Einwohnern rumschlagen. Dabei wird sie auf Snobs, bibelfeste Scheinheilige, eingebildete Damen der Gesellschaft sowie Hütern von Moral und Anstand treffen. Die Gopher Prairierianer haben eines gemeinsam: Neuerungen kommen ihnen nicht ins Städtchen. (Gopher Prairie heißt übrigens wörtlich übersetzt "Taschenratten- oder Erdhörnchen-Prairie" wie ich den Anmerkungen am Ende des Buches entnehmen konnte.) Sinclair Lewis wusste, wovon er schrieb. Er ist selbst in einer Kleinstadt aufgewachsen und hat seine Erinnerungen in „Main Street“ einfließen lassen. Sein Roman ist eine Satire auf das Leben in einer Kleinstadt. Doch trotz aller Kritik stellt er die Charaktere, so eigen sie auch sein mögen, in einer sehr liebevollen Weise dar. Die Menschen sind ihm ans Herz gewachsen und auch der Leser findet die eine oder andere nette Eigenschaft an den Einwohnern von Gopher Prairie. Fast hat man den Eindruck, dass Sinclair seine Charaktere mit einem verschmitzten Augenzwinkern beschreibt. Sinclair Lewis hat nicht nur die Menschen geliebt, sondern auch Landschaft seiner Heimat Minnesota schien einen ganz besonderen Reiz auf ihn auszuüben. Mit viel Wortgewalt vermittelt er deren atemberaubende Schönheit. Carol hat es schwer. Sie bemüht sich die Stadt und ihre Einwohner zu lieben, was man ihr jedoch nicht leicht macht. Aufgewachsen in Minneapolis hat sie eine sehr gute Schulbildung genossen. Nach Beendigung der Schule hat sie sich zur Bibliothekarin ausbilden lassen. Diesen Beruf hat sie auch noch kurze Zeit ausgeführt, bevor sie ihren Mann kennenlernte. Sie ist geistreich, witzig und vor allen Dingen selbstbewusst. Eine Frau, die sich schwer darin tut, sich ihrem Mann unterzuordnen – was man in der damaligen Zeit vom weiblichen Geschlecht erwartet hat, und was für die Frauen von Gopher Prairie eine Selbstverständlichkeit ist und niemals in Frage gestellt wird. Anfangs wirkt Carol wie ein Wirbelwind in der Kleinstadt, der die Menschen aus ihrer routinierten Lethargie reißt. Doch ihre Energie erhält schnell einen Dämpfer als sie merkt, dass sie als Zugezogene und Angeheiratete auf dem Präsentierteller lebt und noch lange nicht akzeptiert wird. Also versucht sie auf subtilere Weise und durch das Schmieden von Allianzen ihre Pläne zur Rundumerneuerung der Stadt umzusetzen. Was mich an diesem Roman verblüfft hat, ist seine Aktualität. Wir sprechen von einem Roman, der erstmalig 1920 veröffentlicht wurde. Die Probleme, die es damals in Amerika gab, sind auch heute noch zu finden – wenn auch in abgewandelter Form: Fremdenfeindlichkeit – Klassendenken – Angst vor dem Neuen – Spießbürgertum. Und tatsächlich ist das Thema dieses Romanes keines, das den USA vorbehalten ist. Gopher Prairie gibt es überall auf der Welt. Fazit: Main Street ist ein zeitloser und amüsanter Klassiker, den es sich auf alle Fälle zu lesen lohnt. © Renie

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Wie schnelllebig unsere Zeit geworden ist, kann man gut erkennen, wenn man Sinclair Lewis bald 100 Jahre altes Buch liest. Die von Lewis in dieser 1920 erstveröffentlichen Gesellschaftssatire vorausgesetzte Aufmerksamkeitsspanne ist hoch. Hier ist Durchhaltevermögen gefragt. Nicht, weil der Autor oder das Thema unvermögend oder uninteressant sind, doch seine ausnehmend akribische Darstellung der Verhältnisse, die seine junge Protagonistin in Gopher Prairie, dem Kuhkaff im mittleren Westen, in das sie qua Heirat verschlagen wurde, vorfindet ist trotz des feinen Witzes manchmal etwas zäh. Lewis berichtet von den Erlebnissen der jungen Carol, die bereits auf dem College gedanklich die Welt zu bereichern versucht und ihren Platz darin finden möchte. Als Brötchenerwerb dient ihr der Bibliothekarsberuf, bis sie auf ihren hartnäckig werbenden Verehrer, den Landarzt Will Kennicott stößt. So ist Carol alsbald frischgebackene Arztgattin, angetreten diese kleine Welt mit Bildung, Chic und schönen Künsten zu verbessern und zu verfeinern. Hier trifft sie auf angesehene und weniger angesehene Honoratioren, die mit dem Status Quo durchaus zufrieden sind und von der forschen, erschreckend liberalen jungen Frau wenig angetan sind. Intrigen, Machtspielchen, Mobbing, Nepotismus und Lobbyismus. Alle -ismusse sind bestens vertreten in Gopher Prairie . Statusdenken, Abgrenzung, Rassismus, alles schon da. Dann die psychologischen Neuordnungen, wenn Altbewährtes auf Neues trifft. Wer aus einer Stadt aufs Dorf zog findet sich leicht wieder. Erfreulicherweise allerdings mit Duschen, besserer Heizanlage und – positiv oder nicht mal dahingestellt – mehr Freizeitmöglichkeiten. So witzig und aktuell Mainstreet auch ist, es ermüdet auf Dauer von diesen Menschen zu erfahren. Vielleicht liegt es daran, dass, wenn man, wie ich selbst auf dem Land lebt, etliche der beschriebenen Charaktere bereits kennenlernen konnte und feststellen muss, dass sich in den letzten hundert Jahren in dieser Richtung kaum etwas verändert hat. S. 108 „Ezra Stowbody war ein Troglodyt.“ Wer auf dem Dorf oder in einer Kleinstadt lebt dürfte jetzt sicher ein Bild dazu vor Augen haben … So bleibt nur Carol Kennicotts unermüdliches Wirken für Bildung und Intellekt und ihr Streben zu bewundern, sich trotz aller Anfeindungen und Rückschläge zu einer der Honaratiorinnen der schäbigen kleinen Stadt aufzuschwingen. Auch hier hatte ich das Bild einer lieben Freundin vor Augen … Nobelpreisträger Sinclair Lewis Gesellschaftsstudie lädt ein ein persönliches Resümmé zu ziehen und Vergleiche zwischen Vergangenheit und Gegenwart anzustellen. Wir haben Menschen auf den Mond geschickt, aber die meisten sind doch sehr fest auf ihrem Fleckchen Erde geblieben und dort wollen sie auch bleiben. Die Schilderung dieser kleinen Stadt im mittleren Westen und ihrer Bewohner ist großartig und humorvoll bis boshaft, die kleinen Scharmützel die der Einzug der jungen Frau nach sich zieht und ihre Erlebnisse, samt der Schlüsse die sie zieht, ziehen sich. Carol ist die Seele des Romans und diese Seele ist ab einer gewissen Seitenzahl schwer auszuhalten. Wie im richtigen Leben. So schreibt Heinrich Steinfest in seinem großartigen und informativem Nachwort zu Mainstreet, das übrigens bereits 1936 verfilmt wurde, „Über das masochistische Vergnügen, an einem schmerzendem Zahn zu saugen.“ Das trifft meine Leseerfahrung exakt. Nur zählt Masochismus nicht zu meinen Vergnügungen.

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Wie in seinem Roman Babbitt nimmt Sinclair Lewis – übrigens der erste amerikanische Autor, dem der Nobelpreis verliehen wurde – in seinem Buch Main Street die amerikanische Mittelschicht auf die Schippe. Sinclair Lewis erzählt die Geschichte von Carol Kennicott, die frisch nach der Schule und voller Ideale, Wünsche und Träume hofft, die Welt ein Stück besser machen zu können. Sie heiratet einen Landarzt und zieht mit ihm in den kleinen Ort Gopher Prairie, Minnesota. Schnell stellt die junge Frau fest, dass sie sich ein anderes Leben vorgestellt hatte. Die Leute in dem kleinen Örtchen sind spießig, kleinbürgerliche, engstirnig. Carol vermisst die Weltoffenheit großer Städte, es gibt keine kulturellen Einrichtungen, ja Bücher sind schon fast verpönt von den Bewohnern. Also beschließt Carol, etwas zu ändern. Sie versucht die störrischen Stadtbewohner immer wieder dazu zu bewegen, etwas an ihrem Leben zu ändern. Sie versucht eine Theatergruppe zu arrangieren, gibt witzige Partys mit Spielen usw. Aber alle ihre Versuche werden von den sturen Einheimischen boykottiert. Selbst, wenn die Spiele auf der Party Spaß gemacht haben – wiederholt werden sie nicht. Ausflüge werden wieder gestrichen. Die Theatergruppe aufgelöst. Carol scheitert jedes Mal aufs neue. Die junge Frau scheint einfach nicht gegen die Konformität der Massen anzukommen. Bloß nicht gegen den Strom schwimmen. Bloß nicht anders denken! Bloß nicht von den Vorurteilen abkommen. Zwar lästern die Stadtbewohner immer über die dummen Bauern, die um ihre Stadt herum das Land bewirtschaften. Aber ansonsten gehen sie ganz nach dem Motto: Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht. Fast schon erschreckend ist das Desinteresse an Neuem, Anderem oder Fremden. Carol wird für ihr „Anderssein“ so oft angefeindet. Die skandinavischen und deutschen Einwanderer sind für die „Amerikaner“ nur fremdes Pack – und das obwohl Amerika doch quasi nur aus ehemaligen Einwanderern besteht. Auch fremde Kulturen sind ein No-Go! So kann der Buchclub mal eben die ganze englische Literatur in einem Meeting abdecken – mit Vorträgen die eigentlich nur aus den Geburts- und Sterbedaten der Autoren bestehen. Und der neue Schneider in der Stadt wird auch schnell zur Lachnummer aller, denn ein Mann könne doch nicht solch einen Frauenjob machen! Hier prallen Welten aufeinander! Weltoffenheit vs. Hinterwäldlertum. Liberalität vs. Konservatismus. Und Carol Kennikott mittendrin, die versucht die Mauer zwischen diesen beiden Spähren zu zerbrechen. Außerdem kämpft sie selbst stark dagegen an, nicht von dem „Kleinstadt-Virus“ angesteckt zu werden und sich den Normen und Verhaltensweisen ihrer Nachbarn anzupassen. Zweifellos, so räumte Carol ein, neigen alle Kleinstädte in allen Ländern und zu allen Zeiten nicht nur zu Stumpfsinn, sondern auch zu Gehässigkeit, Hinterhältigkeit und zu der Seuche, die Nase in alles zu stecken. Wer selbst mal in einer heutigen Version von Gopher Prairie gelebt hat, weiß, dass es diese Provinzerfahrungen heute noch gibt! Auch ich kann ein Lied davon singen! Als ich in meiner Studienzeit meine Heimat Berlin gegen schwäbische Landluft eintauschte und schnell merkte, dass die Menschen dort so ganz anders sind als in der Großstadt. Ich lebte nicht mal direkt in meiner Unistadt Tübingen, sondern in einem kleinen Dörfchen davor. Und da gab es sie noch: die klassische Kehrwoche, die neugierigen Nachbarn, die Fremde skeptisch anstarren usw. Ich kann die Einengung und Verzweiflung gegenüber dieses „Anderssein“ also sehr gut nachvollziehen! Und das Buch ist für mich dafür immer noch top-aktuell mit seiner Thematik. Gerade fortschrittlich sind dagegen Carols Ansichten. Für einen Roman der 1920 erstmals erschienen ist, sind die Aussagen unheimlich modern, emanzipiert und feministisch. 1920 war tatsächlich das Jahr, als die Frauenbewegung in Amerika das Wahlrecht für die Frauen errang. Dass Sinclair Lewis dieses Thema bereits so breit in seinem Roman streut, hat mich dann aber doch sehr erstaunt: Wir werden diese Arbeit eines Tages hinschmeißen und das Geschirr mit Maschinen spülen und aus unseren Küchen hervorkommen und mit euch Männern mitmischen in den Büros und Klubs und in der Politik, auf all den Gebieten, die ihr bislang so raffiniert euch allein vorbehalten habt Ich habe Main Street – im Gegensatz zu Babbitt, mit dem ich nicht ganz so warm wurde – wirklich sehr gern gelesen. Vielleicht lag es daran, dass es dieses Mal eine Heldin war und nicht ein männlicher Protagonist, sodass ich mich eher damit identifizieren konnte. Manches mal waren mir die Handlungsstränge allerdings etwas weitschweifig. Auch wenn die Mannesse-Bücher ja im kleinen Format erscheinen, sind es doch knappe 950 Seiten Handlung, die sich manches Mal etwas gezogen haben. Anderseits konnte man sich so auch beim Lesen richtig schön von der Kleinstadt-Stimmung mürbe machen lassen 😉 Aber ich glaube, man hätte diesen Effekt auch mit einem kürzeren Leseerlebnis erzielen können. Die satirischen Schilderungen lassen einen aber sehr oft über die schrulligen Kleinstädter schmunzeln und man kann nur mit dem Steh-auf-Männchen-Carol mitfiebern, die sich immer wieder aufrappelt und gegen diese spießige Welt versucht anzukämpfen.

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Meine eigene Provinzerfahrung im Gedächtnis weiß ich: „Main Street“ ist nach wie vor aktuell. Wer einmal das Leben in der Kleinstadt genoss, der weiß, wie die Uhren und Menschen dort ticken. Sinclair Lewis hat daraus einen wunderbar ironischen Roman, beinahe eine vergnügliche soziologische Studie gemacht, die ihren Bestand hat, solange Menschen in Gruppen so sind, wie sie eben sind.

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