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Rezensionen zu
Utopia

Thomas Morus

Manesse Bibliothek (12)

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Utopia - die erste Utopie der Neuzeit

Von: ricysreadingcorner

03.11.2018

Ich liebe Dystopien und Utopien und jede Art von Gedankenspiel über gesellschaftliche Systeme. Schon vor einiger Zeit habe ich mir deshalb vorgenommen mal die erste Utopie zu lesen, die den Begriff an sich erst prägte: Thomas Morus' 1516 erschienenes Utopia! Als diese Geschichte dann im Oktober in einer schönen kleinen Schmuckausgabe der Manesse Bibliothek, aus der sich auch bereits Mary Shelleys Frankenstein und Kafkas Das Schloss in meinem Regal befinden, erschien, dachte ich, dass die Zeit nun gekommen ist, mich endlich diesem Werk zu widmen. An dieser Stelle vielen Dank an das Bloggerportal und den Manesse Verlag für das Rezensionsexemplar! Worum geht's? Der Protagonist dieser Geschichte ist Thomas Morus selbst, der von einem Treffen mit einem weitgereisten Seefahrer berichtet. Über verschiedene Gesprächsthemen wie beispielsweise der Kritik des Seefahrers an der harten Bestrafung von Dieben im England des 16. Jahrhunderts, die er selbst nur als Opfer einer ungerechten Politik und Wirtschaft sieht, und der Kritik an Geld und Privatbesitz im Allgemeinen als Ursprung allen Übels, kommt er auf ein Volk zu sprechen, welches er auf seinen Reisen kennenlernte und dessen Staatsform er als die beste erachtet: Die Utopier. Im Folgenden erklärt er diese Staatsform bis ins kleinste Detail. Die Bildung der Regierung, den Aufbau der Städte und Institutionen, die Regeln im Umgang miteinander, die Rolle der Religion und Strafen für besondere Vergehen erläutert er genaustens. Bei Utopia handelt es sich um einen Staat, in dem jeder Arbeit hat, niemand in Armut lebt oder zu wenig zu essen hat, jedoch gibt es weder Geld noch Privatbesitz. Die Regierung ist demokratisch gewählt, die Bürger sind gebildet und kultiviert und Krieg wird so gut es geht vermieden: klingt utopisch oder? Meine Meinung Ich bin ja der - vielleicht etwas pessimistischen - Meinung, dass es DIE perfekte Utopie nicht gibt. Eine Überzeugung, die sich nicht besser als mit den Worten Margaret Atwoods in ihrem Roman Der Report der Magd, begründen lässt: "Better never means better for everyone. It always means worse for some.". Dementsprechend gespannt war ich natürlich, ob mich Thomas Morus' berühmte Fantasie einer besseren Welt überzeugen könnte... Wenn man das Alter des Textes und die Tatsache, dass das Original auf Latein verfasst war, betrachtet, bin ich echt verwundert, wie leicht und flüssig sich dieser Text lesen ließ. Der Aufbau der Geschichte als philosophischer Dialog, erinnerte mich immer wieder an die alten griechischen Philosophen. Wie bei so vielen Klassikern ist es natürlich wichtig, das Buch in seinem historischen und gesellschaftlichen Kontext zu sehen. Thomas Morus, englischer Staatsmann und Humanist schreibt in einem durch und durch von Standesunterschieden und Armut geprägten Europa des 16. Jahrhunderts einen Roman über Demokratie, die Gleichheit aller Bürger und die Verteufelung von Privateigentum, dem Streben nach Bildung und das, nachdem er zu Beginn zunächst einmal die englischen Verhältnisse dieser Zeit direkt und scharf kritisiert. Alleine dafür hat Morus meiner Meinung nach jede Bewunderung verdient. Und auch über den historisschen Kontext hinaus, hat seine Utopie einige wirklich interessante, und auch weiterhin erstaunlich aktuelle Ansätze. So baut seine Gesellschaftsvision beispielsweise darauf auf, dass jeder eine Arbeit hat, Untätigkeit hingegen ist verboten. Das hört sich nun schon wieder sehr autoritär an, ist jedoch nicht so gedacht, dass jeder einer harten Zwangsarbeit nachgehen muss. Nein, jeder hat eine leichte Arbeit, die seinen Interessen und Fähigkeiten möglichst gut entspricht. Überarbeiten muss sich wiederum niemand, denn dadurch, dass alle arbeiten, gibt es alles im Überfluss und das ist wiederum durch das fehlende Privateigentum nach Bedarf verteilt. Kranke Menschen sind von der Arbeit natürlich ausgenommen und werden bestens versorgt. Die ausreichend vorhandene Freizeit kann ebenfalls individuell gestaltet werden, während die meisten diese jedoch für die intellektuelle Weiterbildung nutzen. In diesem Staat sind alle Menschen gleich und streben gemeinsam nach dem Wohlstand für alle. Wenn das nicht eine schöne Vorstellung ist in einer Zeit, in der Arbeitslosenquoten, soziale Ungleichheit und die daraus resultierenden gesellschaftlichen Probleme Politikern weiterhin regelmäßig Kopfzerbrechen bereiten? Aber natürlich gab es auch immer wieder diese Momente, in denen mein von heutigen Gerechtigkeits- und Moralvorstellungen sowie von der in der Zwischenzeit geschehenen Geschichte, geprägtes Gehirn erstmal ein lautes "Ja, ABER..." von sich geben möchte. Entweder, weil ich Lücken in dieser Logik vermute oder, weil praktische Anwendungsversuche einiger dieser Ideen in der Vergangenheit bereits gescheitert sind oder auch einfach weil sich mir bei manchen rein vernunftsorientierten Ansätzen einfach die Nackenhaare aufstellen. Auch in diesem Buch gibt Punkte bei denen ich, gerade da sie doch unter dem Titel "Utopia -vom besten Zustand des Staates..." standen, schlucken musste. Da ist zum einen das Bild der Frau, die zwar für die Zeit erstaunlich emanzipiert gleiches Mitspracherecht bei der Partnerwahl wie ihre männlichen Mitbürger hat und genauso einer Arbeit nachgeht, doch dann auch wiederum als das schwächere Geschlecht benannt und als in dem Familiengefüge dem Mann untergeordnet beschrieben wird. Etwas worüber ich bei der Berücksichtigung des zeitlichen Kontextes und der ansonsten so fortschrittlichen Idee noch hinwegsehen könnte. Es kamen jedoch auch andere, ja meiner Meinung nach unmenschliche Ideen wie die hinzu, dass Familien einfach auseinandergerissen und zum Teil umgesiedelt werden, um einen Bevölkerungsrückgang in anderen Landesteilen auszugleichen oder, dass es als heldenhaft gilt in fortschreitendem Alter oder bei unheilbarer Krankheit freiwillig vorzeitig abzuleben, um die Gemeinschaft nicht zu belasten und auch Sklavenhaltung ist nicht unüblich...ich weiß ja nicht, aber vollkommen erstrebenswert klingt das für mich nicht... Doch ganz so ernst hat Morus seine eigene Utopie wohl auch nicht genommen... "[...] so will ich doch ohne Weiteres gestehen, dass es im Staat der Utopier ganz vieles gibt, was ich unseren Staaten eher wünschen möchte, als dass ich an dessen Verwirklichung glaubte." "Utopia", Thomas Morus, S. 220 Utopien müssen wohl einfach übertreiben, an Grenzen gehen und die Unwahrscheinlichkeit mancher Theorien aufzeigen, um dadurch auch einen satirischen Charakter erhalten - den Utopia definitiv immer wieder durchscheinen lässt und der von den kitschigen Seifenblasen auf dem Cover dieser Ausgabe nochmal unverkennbar unterstrichen wird. Denn gerade dadurch verleiten sie meiner Meinung nach erst richtig zum Nachdenken und vor allem zum Diskutieren verschiedenster Ideen und Visionen. Das schafft Utopia auf jeden Fall! Wer ein bisschen fantasieren und die Gedanken spielen lassen will oder einfach Futter für die nächste politische oder wirtschaftliche Diskussion sucht, sollte Morus lesen!

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