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Rezensionen zu
Der Garten meiner Mutter

Anuradha Roy

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Was fühlt ein kleiner Junge, dessen Mutter ihn von einem Tag auf den anderen verlässt, um mit einem Maler und einer Tänzerin nach Bali zu ziehen? Erst im hohen Erwachsenenalter versucht Myshkin zu verstehen, was mit seiner Mutter damals, im Indien der 30er Jahre, geschah und warum sie das getan hat. Eine vielversprechende Geschichte, die Wahrheit und Fiktion miteinander vermischt und aus der Sicht des zurückgelassenen Sohnes erzählt wird. Er, der sich sein ganzen Leben lang mit der Frage herumschlagen musste, ob seine Mutter ihn nicht wirklich geliebt hat. „Der Garten meiner Mutter“ erzählt sehr detailverliebt, was geschah und beleuchtet die Geschichte aus Sicht des Protagonisten Myshkin, aber auch aus Sicht der Mutter. Es wird über die Zeit bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Mutter die Familie verlässt, sehr genau erzählt und dann später fast nur noch über Briefe, was vieles langsam klar werden lässt. Der Sohn ist Zeit seines Lebens von dieser Frage geprägt und auch sein Leben hat sich danach komplett geändert. Wie wäre es verlaufen, wenn die Mutter ihn nicht allein bei seinem Vater zurückgelassen hätte? Eine interessante Art, die Geschichte zu erzählen, die Anuradha Roy sich überlegt hat. Man fühlt mit dem Jungen mit, wie er leidet und seine Mutter vermisst. Aber man bekommt auch einen Überblick über die damalige Zeit, was bewegte sich in Indien und wie sehr war auch der Vater noch in seiner traditionellen Rolle gefangen, obwohl er sich für die Reformideen einsetzte. Und auch die Seite der Mutter ist zu verstehen, niemand wird komplett an den Pranger gestellt. Insgesamt hat mir „Der Garten meiner Mutter“ gut gefallen, allerdings hatte es durch die teilweise sehr detaillierte Erzählweise Längen, die der Geschichte ein wenig den Schwung genommen haben und ich zeitweise gedacht habe, dass es kürzer besser gewesen wäre. Ohne diese Ausschweifungen hätte es mich richtig fesseln können. Aber das ist ja wie immer auch Geschmacksache.

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Anuradha Roy verwirkt in ihrem Roman „Der Garten meiner Mutter“ Fiktion und Wirklichkeit auf fesselnde Art; stets bemerkt man, weviel Hintergrundwissen und Lesen verschiedener Biographien und weiterer Texte miteingeflossen sind. Man kann gar nicht umhin immer wieder zur Vertiefung im Internet weiter zu recherchieren, sich Bilder, auch von Pflanzen und Orten, anzuschauen, um noch intensiver in diese ausgefeilt und poetisch erzählte Geschichte einzutauchen. Erzählt wird die Geschichte, die ihren Anfang in den 1930er Jahren in dem kleinen, fiktiven Ort Muntazir in Indien, unterhalb des Himalya nimmt. Gayatri, die als Kind von ihrem Vater gefördert wurde, mit ihm Studienreisen unternahm, wurde als Jugendliche unmittelbar nach dem Tod ihres Vaters verheiratet und lebt mit Schwiegervater, Ehemann und Sohn Myshkin in eben diesem kleinen, fiktiven Ort. Zwar genießt sie ein paar kleine Freiheiten, vermisst jedoch vieles, träumt von einem freiheitlichen Leben wie zu Zeiten mit ihrem Vater. Sie singt, tanzt und malt gerne, ist ob der vielen Verzichte eher unglücklich. Als der Maler Walter Spiess und dieTänzerin Beryl de Zoete sie kennenlernen und als Führerin wählen um den indischen Tanz zu studieren, entwickelt sich eine Freundschaft, zwischen ihnen, die darin mündet, dass die Drei zusammen nach Bali reisen. Gayarti hatte geplant, ihren Sohn mitzunehmen, aber leider war er nicht pünktlich, so dass die Beiden getrennt wurden. Seitdem war Myshkin der Außenseiter, dessen Mutter mit einem Engländer durchgebrannt war…. Man erlebt Myshkins Kindheit in einem sich wandelnden Indien; nicht nur seine Mutter, auch sein Vater, der politisch aktiv war auf Ghandis Wegen, das ganze Land ist auf der Suche nach Freiheit. Widerstand gegen die Briten, Ghandis gewaltlose Methoden, dessen und auch vieler anderer Tod, flankieren die Geschichte um um persönliche und nationale Freiheit. Gayatri ist bemüht, genug Geld zu verdienen um ihren Sohn nachzuholen; aber die Zeit und Umstände arbeiten gegen sie… Ungefähr im letzten Drittel des Buches erhält Myshkin die Briefe seiner Mutter an ihre beste Freundin und kann so die letzten Jahre aus Sicht der Mutter nachempfinden, betont selber, dass seine Erinnerungen trügerisch sein können. Tatsächlich ist er ihr in vielem ähnlicher als er wohl angenommen hatte, kann sich mit einigem aussöhnen und plant, ihre Reise nachzuerleben, vielleicht auf Bali Leute zu treffen, die sie kannten…. Großartig erzählt Anuradha Roy diee Geschichte; man taucht beim Lesen in Landschaften, Farben und sehnsüchte mit ein, wird in eine andere Zeit und Welt entführt. Die Beschreibungen und Biographien von Walter Spiess, Beryl de Zoete oder Collin Mc Phee fand ich sehr interessant; der Kampf und Wandel im Land und in den einzelnen Protagonisten wurde wunderbar beschrieben. Man fragt sich zusammen mit Gayatri, wieviele mögliche Leben sich einem bieten, was man aufgibt um seines zu finden und wie andere damit klarkommen. Nicht nur Gayatri, auch der Leser hat das Gefühl in dieser beschriebenen Welt eine Zeit lang zu Besuch zu sein… Insgesamt hat mich dieser Roman bezaubernd unterhalten und in seinen Bann gezogen; gerne würde ich mehr als 5 Sterne vergeben.

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>>...Die Wurzeln der Bäume wachsen tief und in viele Richtungen, wir können nicht vorhersehen, welche unterirdischen Wege sie nehmen,...<< „Der Garten meiner Mutter“ von Anuradha Roy – ein Buch, das mit einem wie ich finde ganz besonderen Lesegefühl einher geht. Für mich war dieses Buch wie ein sanft fließender Fluss, der mich festhält, mit fließen lässt, berührt und mir eine Geschichte erzählt. Es ist die Geschichte einer ungewöhnlichen Frau, die für die Kunst und ihre ganz eigene Freiheit kämpft und dafür vieles zurück lässt. Die Autorin erzählt eindringlich und doch auf nahezu poetische Weise, wie weit eine Mutter und Ehefrau geht um ihre Freiheit zu leben. Sie hat für mein Leseempfinden eine sehr schön fließende Symbiose geschaffen die Probleme, die damit einhergehen und die politische Situation der Welt, insbesondere natürlich im Blick auf Bali um 1930 herum zu veranschaulichen. „Der Garten meiner Mutter“ ist kein Buch mit hoher Spannungskurve, es ist wirklich ein sehr ruhiges Buch, wenn auch mit tiefer Thematik und Gefühlswelt. Wer die leisen Lesetöne mag, der sollte hier auf jeden Fall einen Blick riskieren!

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„Der Garten meiner Mutter“ von Anuradha Roy Anuradha Roy ist eine großartige Erzählerin! Bereits auf den ersten Seiten hat sie mich mit ihrem bildreichen Stil für ihren Roman gewonnen. Es ist eine Familiengeschichte, rückblickend erzählt von dem alten Myshkin. Er wuchs in einer bürgerlichen Familie im Indien der Dreißiger Jahre auf, sein Großvater ein Arzt, sein Vater College-Professor und seine Mutter Gayatri nach arrangierter Ehe äußerst unzufrieden. Es ist die Zeit der großen Umbrüche, des gewaltlosen Widerstandes Gandhis, der Unabhängigkeitsbewegung Indiens, der Emanzipation von der kolonialen Abhängigkeit von England. In wunderschönen Bildern schildert Roy, wie der junge Myshkin nicht nur die politischen Veränderungen sondern auch die zunehmende Unzufriedenheit und Streitbarkeit seiner Mutter wahrnimmt. Wie er den Einfluss des Deutschen Malers Walter Spieß und seiner Begleiterin, der Tänzerin Beryl de Zoete zunächst nicht als bedrohlich empfindet. Doch dann ist er vollkommen davon überrascht, dass seine Mutter ihn und seinen Vater verlässt als er neun Jahre alt ist, um mit dem Künstler nach Bali zu gehen. Mich hat der Roman nicht nur wegen seiner wunderschönen Sprache begeistert sondern auch, weil hier zwei große Emanzipationsgeschichten miteinander verschränkt werden und parallel ablaufen: die von Gayatri und die des Landes Indien. Myshkins Vater, der die Unabhängigkeitsbewegung begeistert unterstützt, bemerkt gar nicht, dass, was er über das Land sagt, ebenso sehr auf seine Frau zutrifft. Seine Uneinsichtigkeit führt dazu, dass er sie, wie auch England seine Kolonie- verliert. Die ersten beiden Drittel des Buches handeln daher überwiegend von der Einsamkeit und der Leerstelle, die seine Mutter Gayatri bei Myshkin hinterlässt. Im letzten Drittel dagegen kommt sie selbst zu Wort, in Briefen, die sie an ihre Freundin Lis nach Hause schreibt. Sie spiegeln ihre Perspektive, ihre Träume, Wünsche und widerstreitenden Gefühle wider. Dabei nehmen sie immer wieder Bezug auf Walter Spieß, kreisen um sein Leben auf Bali, seine Kunstwerke, sein Museum. So tritt die Figur der Gayatri ein wenig hinter der des historischen Malers zurück und bleibt weiterhin nicht wirklich greifbar, weder für ihren Sohn Myshkin, der diese Briefe erst als alter Mann liest, noch für uns Leserinnen. Dennoch ein empfehlenswertes Buch und eine Hommage an die indische Kunst, den Tanz, die Kultur. Ich hoffe sehr, dass auch noch weitere Werke dieser großen, mit zahlreichen Preisen geehrten Autorin übersetzt werden!

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Vielen lieben Dank an das @bloggerportal und den @luchterhand_verlag, dass wir diesen poetischen Roman lesen und rezensieren durften! Anuradha Roys „Der Garten meiner Mutter“ ist eine vielschichtige indische Familiensaga, die die Geschichte eines von seiner Mutter verlassenen Kindes und den Kampf einer jungen Frau um persönliche Freiheit und künstlerische Selbstverwirklichung vor dem Hintergrund Indiens in den späten 1930er Jahren zeichnet. Gayatri Rozario, eine ungewöhnliche, lebenshungrige und künstlerisch begabte junge Frau lässt 1937 ihren Mann und ihren Sohn im indischen Mantazir unterhalb des Himalaya zurück und zieht heimlich mit dem deutschen Maler und Musiker Walter Spies und der Tänzerin Beryl de Zoete nach Bali, bestrebt, ein freies Leben zu führen und sich der Malerei zu widmen. Gayatri droht an den Zwängen der indischen Gesellschaft und ihrer traditionellen Ehe zu einem dogmatischen Collegeprofessor zu zerbrechen. Sie sehnt sich nach persönlicher und künstlerischer Freiheit, nach einem neuen Leben. Sie war der Liebling ihres Vaters, von ihm in intellektueller und künstlerischer Sicht gefördert und unternahm bereits als junges Mädchen ausgedehnte Reisen. Ihr Alltag als Ehefrau und Mutter im starren Rahmen von Tradition und gesellschaftlichen Erwartungen erscheint ihr als Käfig. Die Begegnung mit Walter Spies stellt ihr Leben komplett auf den Kopf und sie folgt ihm nach Bali, fasziniert von seinem kreativ-freiheitlichen Lebensstil. Doch der Preis für ihre Freiheit ist, dass sie ihren Sohn Myshkin verlassen muss. Im Alter versucht Myshkin, inzwischen ein einsamer Mann, der sein Leben lang darunter gelitten hat, dass seine Mutter ihn als Neunjährigen verlassen hat und der Zuflucht in seiner Liebe zu Pflanzen findet, rückblickend die Geschichte seiner Mutter und seiner Familie zu verstehen. Dabei verweben sich seine schmerzvollen Erinnerungen mit den Briefen seiner Mutter Gayatri an ihn und eine ihrer Freundinnen. Diese Familiengeschichte breitet sich vor dem Hintergrund der immer prekärer werdenden Weltlage Ende der 1930er Jahre aus: in Deutschland Erstarken die Nazis, die Unabhängigkeitsbewegung Indiens von der britischen Kolonialherrschaft nimmt konkrete Formen an und auch die Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges in Südostasien werden thematisiert. Neben diesen massiven politischen und nationalen Umbrüchen bekommt man aber auch einen farbenprächtigen Einblick in das indische Alltagsleben. Roy verwebt in ihrem Roman Fakten und Fiktion zu einem schillernden Porträt der Zeit, persönliche und politische Kämpfe sind miteinander verschränkt. Leben und Kultur, Kunst, Musik, Flora und Fauna Indiens und Indonesiens werden bildstark beschrieben. Der Originaltitel „All the lives we never lived“ trifft für mich sehr gut die Essenz des Romans, die vielen ungelebten Leben unserer Träume und Sehnsüchte, die unzähligen Möglichkeiten und Abweichungen, die unser Leben nimmt. Ohne die Begegnung mit Walter Spies hätte Gayatri vielleicht nie den Mut gefunden, aus den Zwängen ihres Lebens auszubrechen und ihre persönliche Freiheit in Form künstlerischer Selbstfindung zu realisieren. Doch ihr Verlust hat Myshkins Leben tief getroffen. Erst zum Ende seines Lebens gelingt es ihm, sich durch seine Erinnerungen und Gayatris Briefe ihr wieder anzunähern und ihr Garten hilft ihm, ihre Entscheidung nachzuvollziehen. Dieser einfühlsame und emphatische Roman wirft Fragen nach den inneren und äußeren Faktoren, die unser Leben beeinflussen auf und wie sie unsere Identität formen und der Macht der Erinnerungen auf. Roy lässt uns in wunderschön poetisch und elegischer Prosa in die Welt der Erinnerungen eintauchen!

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1923 kam der deutsche Maler Walter Spies nach Bali. Er interessierte sich jedoch nicht nur für die Bildenden Künste, sondern auch für Tanz und Musik. Sein Haus war ein Treffpunkt für internationale Künstler und Intellektuelle wie Charly Chaplin und Rabindranath Tagore. Auch Anuradha Roy hat es besucht und danach die Geschichte in "Der Garten meiner Mutter" weitergesponnen, indem sie Gayatri auf Walter Spies treffen lässt, wodurch ihr Leben und das ihrer Familie komplett auf den Kopf gestellt wird. Dieses Prinzip heißt übrigens Historical Fiction. Gayatri, selbst Künstlerin und Mutter von Myshkin, droht an den Zwängen der indischen Gesellschaft und ihrer Ehe zu zerbrechen, verlässt von einem auf den anderen Tag ihre Familie und ihren kleinen Sohn. Das Buch handelt jedoch nicht nur von der persönlichen Freiheit in Form einer künstlerischen Selbstfindung, sondern v.a. von den Konsequenzen, die ihr Verschwinden auf die Hinterbliebenen hat, v.a. für Myshkin. 60 Jahre später erzählt er in "Der Garten meiner Mutter" rückblickend, wie er seine Mutter in Erinnerung hat. Sie war eine außergewöhnliche Frau, die im Sari Fahrrad fuhr, bis in den späten Vormittag schlief und ihrem Ehemann Widerworte gab. Roy betrachtet aber auch die Freiheit auf politischer Ebene, nämlich Indiens Unabhängigkeitskampf gegen die Kolonialmacht. Treffender finde ich den englischen Titel "All the lives we never lived", der besser die Träume und Sehnsüchte nach einem anderen Leben, die sich im Roman und in der Wirklichkeit nur selten erfüllen, ausdrückt. Anuradha Roy hat auch mit ihrem neuesten Buch bewiesen, warum sie zu meinen LieblingsautorInnen zählt. Sie schreibt einfühlsam, kritisch und poetisch, ihr Roman ist vielschichtig, lehrreich und jede einzelne Zeile lesenswert.

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„All the lieves we never lived“ – der Originaltitel des neuen Romans der Autorin Anuradha Roy Der Garten meiner Mutter – trifft es mal wieder viel genauer. Es geht in dem poetischen, bildstarken Text um die vielen ungelebten Leben, die Möglichkeiten und Abzweigungen, die zu Beginn offenstehen, das Gelingen und das Scheitern, um Einsamkeit und Sehnsucht. 1992, im fiktiven Städtchen Muntazir in Nordindien. Zu Beginn erhält der Erzähler, der 64 jährige Myshkin Chand Rozario, einen dicken Luftpostumschlag aus Kanada. Er stammt aus dem Nachlass einer alten Freundin seiner Mutter. Da Myshkin ahnt, dass darin Erinnerungsstücke an sie enthalten sind, zögert er lange mit dem Öffnen. Denn die Erinnerung an seine Mutter ist schmerzvoll, da sie die Familie verließ, als ihr Sohn gerade einmal neun Jahre alt war. Dennoch kehren die Erinnerungen machtvoll zurück. „In meiner Kindheit war ich als er Junge bekannt, dessen Mutter mit einem Engländer durchgebrannt war. Der Mann war eigentlich Deutscher, aber in einer indischen Kleinstadt galten in jenen Tagen alle weißen Ausländer im Allgemeinen als Briten.“ Und auch mit dem „Durchbrennen“ seiner Mutter hat es sich anders verhalten, wie der Erzähler, als er sich endlich entschließt, den Umschlag, der Briefe und Tagebuchaufzeichnungen seiner Mutter enthält, zu öffnen, erfährt. Aber zunächst gehen seine Erinnerungen zurück in seine Kindheit und in die Geschichte seiner Familie. Deren „Stammvater“ Chai Rand kam über den Holzhandel zu viel Geld. Zusammen mit Frederick Wilson, der wie andere im Roman eine reale Person war, verkaufte er mächtige Himmalayazedern gerade in dem Moment, als die Briten zum Ausbau der Eisenbahn in ihrer Kolonie Holz ohne Ende benötigten. 1857 zog sich der Urgroßvater aus diesem Geschäft zurück und gründete eine lukrative Möbelschreinerei. Deren Stammhaus, das er nach seiner anglo-indischen Frau Lucille „Rozario & Sons nannte, wurde später zur Praxis seines Sohnes, der die Medizin zum Leidwesen des Vaters dem Holzhandel vorzog. Myshkin wurde von diesem Großvater, seinem Dada, nach dem gleichnamigen Fürsten aus Dostojewskis „Idiot“ benannt, weil er als Kind häufig an Fieberkrämpfen litt. Nach dem Weggang der Mutter wurde Bhavani Chand, genannt Batty, zur wichtigsten Bezugsperson für den kleinen verlassenen Jungen. Der Vater, ein Collegeprofessor, war eher unnachgiebig, politisch stark in der indischen Unabhängigkeitsbewegung engagiert und verschlossen in seinem Kummer, von seiner Frau verlassen worden zu sein. Die Mutter Gayatri ist natürlich der eigentliche Mittelpunkt des Romans. Liebling des Vaters, von diesem in jeder Hinsicht gefördert und schon als junges Mädchen auf ausgedehnte Reisen mitgenommen, lernt sie auf einer davon 1927 auf Bali den Maler und Musiker Walter Spies aus Deutschland kennen, der sie mit seinem kreativ-freiheitlichen Lebensstil fasziniert und sie dazu inspiriert, selbst Malerin zu werden. Berühmte Künstler, wie Charlie Chaplin, gingen bei ihm ein und aus. Auch er ist eine historische Person. Seit 1923 lebte Spies in Indonesien, zunächst auf Java, dann auf Bali, wo er während des Zweiten Weltkriegs als feindlicher Ausländer in Niederländisch-Indien interniert war. Seine Reise nach Indien mit der englischen Tänzerin und Orientalistin Beryl de Zoete, bei der er Gayatri wiedertraf, ist fiktiv. So ist Der Garten der Mutter von Anuradha Roy neben dem Erinnerungsbuch Myshkins auch eine Historical fiction, die das Leben von Walter Spies, den Unabhängigkeitskampf der Inder gegen die britische Kolonialmacht und die Vorgänge während des Zweiten Weltkriegs in Südasien thematisiert. Wir lesen viel über Leben und Kultur, über Musik und Kunst und über die Landschaften Indiens und Indonesiens. Das Buch ist auch reich an literarischen Anspielungen. So wird in Auszügen die Liebesgeschichte von Maitreyi Devi mit dem rumänischen Philosophen Mircea Eliade zitiert, von der auf Deutsch nur dessen Fassung „Das Mädchen Maitreyi“ vorliegt, auf die diese antwortete. Maitreyi Devi wurde wiederum vom bengalischen Dichter Rabindranath Tagore gefördert, der im Buch auch eine Rolle spielt. Über die hinterlassenen Briefe und Tagebuchaufzeichnungen von Gayatri erfahren wir aber vor allem auch vom Kampf einer jungen, lebenshungrigen und begabten jungen Frau um Freiheit, Selbstbestimmung und künstlerische Selbstfindung, den sie nach der erzwungenen Heirat mit dem eigentlich liberalen Nek Chand doch immer wieder führen musste. Das Buch bleibt aber hier nicht stehen, sondern beleuchtet sensibel und empathisch die Folgen, die der Ausbruch Gayatris für die Zurückgebliebenen bedeutete. Für ihren kleinen Sohn Myshkin, für den Ehemann, den Schwiegervater, die Freundin. Aber natürlich auch für sie selbst. Dabei macht der Erzähler Myshkin kein Geheimnis daraus, dass seine Erinnerungen durchaus auch trügerisch sein können, zudem Briefe als Quelle auch nicht wirklich zuverlässig sind. „Erzählen wir die Geschichte eines Lebens und ganz besonders die des eigenen, können wir nicht so tun, als hätte sich alles tatsächlich so zugetragen. Unsere Erinnerungen sind Bilder, Gefühle und flüchtige Blicke, manchmal nur in umrissen. Zeit verfestigt sich und löst sich auf. Wir haben keine genauen Erinnerungen daran, wie lange etwas dauert: ein paar Tage, Wochen, einen Monat? Ganze Zeitspannen sind ohne jeden Inhalt, während andere im Nachhinein bedeutsam werden.“ Der Garten der Mutter von Anuradha Roy ist ein melancholisches, elegisches Buch geworden, was natürlich auch mit dem Erzähler, dem alleinstehenden, älter gewordenen Eigenbrötler Myshkin zu tun hat. Es scheint, dass er nach dem frühen Verlassenwerden niemals wieder Vertrauen in echte Bindungen setzen konnte, als staatlicher Gartenbauingenieur schaut er auf etliche gelungene Projekte zurück, letztendlich ist aber nur die Beziehung zur Halbschwester Ila von Dauer. Das Ende ist hoffnungsvoll. Myshkin, der wieder in seinem Elternhaus lebt, zusammen mit Ila, malt den Garten seiner Mutter und bricht auf, auf ihren Spuren, Richtung Bali. „Hatte sie bemerkt, dass das Schiff, während es sich seinen Pfad durch Schaum und Wellen schnitt, ständig seufzte?, hatte der große dichter meine Mutter auf ihrer ersten großen Reise nach Bali gefragt. Klang dieses nie endende Seufzen nicht so, als umspülten die Wasser des Ozeans die Erde mit Tränen der Trauer? Ich hörte das ungläubige, unhöfliche Jungmädchenlachen meiner mutter in meinen Ohren. Trauer was das Letzte, woran ein Mädchen dachte, das eine neue Welt bejubelte, eine Welt, die es malen wollte, jeden Teil von ihr. Ich wünschte mir, dass das Seufzen des Ozeans für sie auf all ihren Passagen seine Bedeutung nicht geändert hatte.“

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Myshkin wächst in einem kleinen Orte nahe dem Himalaya auf. Eines Tages tauchen der deutsche Maler Walter Spies und die Tänzerin Beryl de Zoete auf und wollen den indischen Tanz studieren. Myshkins Mutter Gayatri will der erzwungenen Ehe entfliehen und zieht  heimlich mit den Beiden nach Bali. Aber sie muss ihren 9jährigen Sohn zurücklassen. Jetzt 60 Jahre später versucht Myshkin rückblickend die Geschichte seiner Mutter zu verstehen. Erinnerungen an die frühe Kindheit mit der Mutter werden wieder wach und an die Briefe, die seine Mutter schrieb. Ein reger Briefwechsel begann. Eines Tages ging der Vater weg und kam zurück mit seiner neuen Frau und deren kleine Tochter. Der Großvater arbeitete in der Klinik und war Myshkin sehr zugetan. Bei Kriegsausbruch wurde der Vater verhaftet und lange Jahre festgehalten. Im Schriftwechsel mit Lis beschreibt Gayatri ihr Leben und auch ihre Hoffnung, Myshkin wiederzusehen. Ich finde es wunderbar, eine andere Kultur kennenzulernen. Die preisgekrönte Autorin erzählt das Leben einer Familie und Nation im Umbruch aus der Sicht des Sohnes. Sie verwebt Fakten und Tatsachen in Indien von den dreißiger Jahren bis zum Kriegsausbruch. Außergewöhnlich geschrieben. Unbedingt lesenswert! Daher 5 Sterne

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