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Kirchen, Macht und Geld. Oder: Warum Kirchensteuern zahlen?

Herr Drobinski, warum ist es sinnvoll, das Verhältnis von Kirche und Staat zu überprüfen oder zu hinterfragen?

Matthias Drobinski
© privat
Das Verhältnis von Staat und Kirche sollte sich in einer Gesellschaft, die sich ändert, anpassen, damit es ein gutes und sinnvolles Verhältnis bleibt. Prinzipiell ist es ja gut, dass der freiheitliche und säkulare Staat die Religionsfreiheit garantiert und fördert, denn Religionen schaffen Grundvoraussetzungen für das Zusammenleben der Bürger, die der Staat nicht garantieren kann.

Aber die Gesellschaft hat sich geändert in den vergangenen 20 Jahren. Auch vielen Kirchenmitgliedern ist heute nicht mehr verständlich zu machen, warum die Kirchen ein eigenes Tarif- und Arbeitsrecht haben, warum es die Kirchensteuer gibt, was kirchliche Krankenhäuser von anderen unterscheidet. Es ist das Misstrauen gewachsen, ob die Kirchen wirklich gut und transparent mit ihrem Geld umgehen. Da müssen die Kirchen vieles neu begründen, was lange als selbstverständlich galt - oder sich auch von Gewohnheiten verabschieden. Und dann ist der Islam als neue Religion sichtbar geworden. Auch er braucht einen Platz in einem neuen Religions-Gesellschafts-Recht.

Unterscheidet sich das Staat-Kirche-Verhältnis in Deutschland von dem in anderen europäischen Ländern?

In Europa haben sich sehr unterschiedliche Formen dieses Verhältnisses entwickelt: In Frankreich sind seit 1905 Staat und Kirchen streng getrennt, in Norwegen war die evangelische Kirche bis 2012 Staatskirche, an der Spitze der Church of England steht auch heute die Königin von England. In Deutschland gibt es seit 1919 die so genannte „hinkende Trennung“ von Staat und Kirchen: Staat und Kirche sind im Gesetz getrennt, arbeiten aber in der Praxis eng zusammen. Der Staat zieht für die Kirchen die Kirchensteuer ein und garantiert ihnen den konfessionellen Religionsunterricht, die Kirchen betreiben Krankenhäuser und Kindergärten für den Staat, aber zu ihren eigenen Bedingungen, was das Arbeitsrecht angeht. Das sichert den Kirchen Milliardeneinnahmen und macht sie reich und mächtig wie in kaum einem anderen europäischen Land. Das hat viele Vorteile auch für den Staat. Und trotzdem ist inzwischen vieles in diesem wohlgeordneten Staat-Kirche-Verhältnis umstritten: Bedeutet die Kirchensteuer, dass nur glaubt, wer zahlt? Warum sind in kirchlichen Einrichtungen Streiks verboten, muss eine katholische Kindergärtnerin die Entlassung fürchten, wenn sie nach einer Scheidung wieder heiratet? Selbst viele Kirchenmitglieder verstehen das nicht mehr.

Welchen Einfluss haben die Kirchen außerhalb ihres innerkirchlichen Rahmens?

Zum Glück sind Religionsgemeinschaften in Deutschland nicht auf den innerkirchlichen Bereich beschränkt – es ist Teil der Religionsfreiheit, dass sie öffentlich sichtbar sind, sich öffentlich äußern und auch ihre Interessen vertreten. Die beiden großen Volkskirchen haben in Europa, im Bund und den Ländern Vertreter, die für die Anliegen der Kirchen eintreten, ob es um ein Sterbehilfegesetz geht oder um die Aufnahme von Bürgerkriegsflüchtlingen. Der Einfluss geht aber weit über diese Lobby-Arbeit hinaus. Die Kirchen sind die größten Institutionen des Landes und werden es auch bleiben; viele Politiker sind aktive Christen oder kirchlich geprägt: Bundespräsident Joachim Gauck und Kanzlerin Angela Merkel, Bundestagspräsident Norbert Lammert, Frank-Walter Steinmeier, Katrin Göring Eckardt. Es muss nicht schlecht sein, wenn Politiker wissen, dass der Staat nicht die höchste Instanz des Lebens ist. Was den Kirchen aber inzwischen nicht mehr verziehen wird, ist, wenn sie Lobbyarbeit nur in eigener Sache machen, um des Machterhalts, der Einfluss-Sicherung willen. Da reagieren die Leute genervt.

Könnten die Kirchen ohne die Kirchensteuern leben?

Ja, sicher, sie tun es ja in fast allen anderen Ländern auch. Sie könnten entweder selber Kirchensteuern erheben wie in Österreich, was mehr Verwaltungskosten als bisher bedeuten würde. Deutschland könnte eine Kultursteuer einführen wie in Italien oder Spanien, wo die Steuerzahler mit darüber entscheiden können, wer das Geld bekommt – die Kirchen oder eine andere Organisation. Oder sie können sich ganz über Spenden finanzieren wie zum Beispiel in den USA. Die Kirchen hätten dann wahrscheinlich deutlich weniger Geld als bisher; sie müssten Stellen abbauen, Gehälter senken und auch manche sinnvolle Arbeit einschränken. Ob Armut in jedem Fall zu christlicherem Leben führt, ist nicht ausgemacht – aber wahrscheinlich müssen sich die Kirchen ohnehin darauf einstellen, dass sie mit weniger Geld als jetzt auskommen müssen und dass vielleicht sogar irgendwann die Kirchensteuer fällt. Sie täten deshalb gut daran, sich Wege zum fröhlichen Verarmen zu überlegen.

Welche Konsequenzen sollte man aus dem Fall Tebartz-van Elst ziehen? Gehen die Kirchen falsch mit ihrem Geld um?

Limburg ist Einzelfall und Symptom zugleich. Der Einzelfall: Ein Bischof will sich mit dem Bau eines Bischofshauses selbst verwirklichen, verschweigt die wahren Baukosten und treibt sie mit seinen Sonderwünschen noch nach oben. Und wundert sich dann, dass die Gläubigen im Bistum empört sind. Da denken und leben die meisten seiner Amtsbrüder bescheidener. Der Limburger Bauskandal ist aber auch ein Symptom: Da wird auf einmal öffentlich, dass der Bischöfliche Stuhl neben dem Bistumshaushalt 100 Millionen Euro besitzt, da gab es ein Kontrollgremium, das nicht kontrollierte, sondern stolz darauf war, dem Bischof zur Hand gehen zu dürfen, da gab es ein autoritäres System, innerhalb dessen niemand den Mut fand, den Irrsinn zu stoppen. Gerade der katholischen Kirche fehlt es an Transparenz und an einer offenen Diskussion darüber, wofür das Geld eingesetzt werden soll, das die Kirche nun mal besitzt. Und wenn das fehlt, darf man sich nicht wundern, dass Journalisten wie Gläubige misstrauisch werden. Mein Wunsch an die Kirchen: Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon! Setzt euer Geld so ein, dass es der Gerechtigkeit, dem Frieden und der Umwelt dient und nicht der Machtdemonstration, den Menschen und nicht dem toten Stein!

Der Autor versichert an dieser Stelle: Er ist katholisch, hat aber keinen Kirchenkomplex. Er ist kein abgesprungener Priesterseminarist, der nun wütend auf alles Kirchliche ist; niemand hat ihm als Kind Höllenangst gemacht, und nie war ein Kirchenmitarbeiter zudringlich. Er ist auch kein reumütig Heimgekehrter oder frisch Bekehrter, der nun im Überschwang jeden Weg und Holzweg der Kirchen verteidigen muss, der Schwarzes weiß redet, weil es irgendwie der großen Sache dient. Er schreibt als Journalist nun schon seit einigen Jahren über Kirchen und Religionsgemeinschaften und damit auch über das Verhältnis der Religionen und Gemeinschaften zu Staat und Gesellschaft.
Er hat als Journalist gelernt: Selten ist etwas einfach gut oder böse, schwarz oder weiß. Manchmal sind die Dinge grau – noch öfter aber sind sie zum Glück bunt – bunt wie das Leben. Und wenn das Buch auch ein wenig zum Bunten beiträgt, ist er zufrieden, ein wenig sogar glücklich.


Kirche, Macht und Geld

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