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Monika Müller: Dem Sterben Leben geben

GELEITWORT

von Professor Dr. Lukas Radbruch

Ich arbeite als Arzt in der Palliativversorgung. Dazu gehört immer wieder die Begegnung mit Menschen, die nur noch kurze Zeit zu leben haben und dies vielleicht erst vor kurzer Zeit erfahren haben. Wie kann ich diesen Menschen gegenübertreten, und kann ich ihnen vielleicht ein bisschen Trost und Hilfe bieten?

Zu meinen Aufgaben gehört aber nicht nur die Versorgung von schwerstkranken und sterbenden Patienten, sondern auch Unterricht für Medizin-Studierende, Ärzte und andere Berufsgruppen. Dabei müssen Kenntnisse (z. B.: Welche Medikamente gegen Luftnot?), Fähigkeiten (z. B.: Wie führe ich ein Gespräch zur Aufklärung über begrenzte Lebenserwartung?) und Haltung vermittelt werden (Wie trete ich Patienten und Angehörigen gegenüber?). Kenntnisse kann ich unterrichten, Fähigkeiten können die Teilnehmer einüben, aber wie vermittle ich Haltung?
Bei all diesen Fragen ist das vorliegende Buch eine wertvolle Hilfe. Monika Müller beschreibt die Begleitung sterbender und trauernder Menschen als spirituellen Weg. Eigentlich veranschaulicht sie aber nicht einen Weg, sondern eine ganze Landkarte mit vielen unterschiedlichen Wegen. Für sie ist Spiritualität eine Geisthaltung, und Monika Müller berichtet über viele verschiedene Geisthaltungen, die ihr im Lauf ihrer langen, erfahrungsreichen Arbeit begegnet sind.

Sie liefert mit ihrem Buch die vielleicht beste Antwort auf die Frage, was eigentlich Spiritualität ist. Diese Frage wird in der Hospiz- und Palliativversorgung gerne diskutiert, aber meist ohne Ergebnis. Wenn ich sie in einer Weiterbildung für Ärzte stelle, hat jeder eine Antwort, aber kaum jemand eine klare Vorstellung davon. Und Ärzte haben oft andere Auffassungen von Spiritualität als zum Beispiel ehrenamtliche Mitarbeiter oder Seelsorger. Und welche Ansichten von ihrer eigenen Spiritualität haben die betroffenen Patienten und deren Angehörige?

In diesem Buch werden dazu keine festen und ausschließlichen Antworten und keine engen Definitionen vorgegeben. Vielmehr zeigen die erzählten Geschichten die vielen Möglichkeiten, wie sich Spiritualität ausdrücken kann, und damit auch die unzähligen Wege, wie Behandelnde auch Begleiter und für eine begrenzte Zeit sogar Weggefährten werden können, wenn unsere eigene Geisthaltung dafür offen ist. Vor allem aber sind die Geschichten, die Monika Müller hier erzählt, sehr instruktiv. Beim Lesen habe ich immer wieder über meine eigene Einstellung zum Leben und Sterben nachgedacht; und diese Selbstreflexion ist unbedingt nötig in der Hospiz- und Palliativversorgung. Wir sollten doch die Betroffenen so lassen, wie sie sind. Selbst in erfahrenen Teams erlebe ich leider immer wieder, dass wir genau das nicht tun, zum Beispiel wenn die fehlende Krankheitsverarbeitung (oder sogar »Krankheitseinsicht«) bei einem Patienten auf der Palliativstation als behandlungsbedürftiges Problem wahrgenommen wird, ohne zu überlegen, ob es vielleicht für den Betroffenen durchaus Sinn machen kann, seine Zeit und Kraft jetzt nicht mit der Krankheitsverarbeitung aufzubrauchen. Was ist normal, was ist nicht mehr normal, und wie unterschiedlich reagieren Menschen? Konsequenterweise müssen wir bei den Teambesprechungen in der Palliativversorgung immer fragen: Wer hat eigentlich das Problem? Der Patient, seine Angehörigen oder wir als Behandelnde?

Monika Müller zeigt mit diesem Buch, wie unterschiedlich Menschen mit Krisen und existenzbedrohenden Erfahrungen umgehen. Sie macht verständlich und fast fühlbar, warum all diese Wege richtig sein können. Meine Meinung ist, dass dieses Buch jeder lesen sollte, der Schwerstkranke, Sterbende oder Menschen in Krisensituationen begleitet, um diese Menschen in ihrer unterschiedlichen Art akzeptieren zu lernen und sie so anzunehmen, wie sie sind. Nur in dieser Weise kann die Begleitung zu einem gemeinsamen spirituellen Weg werden.
Und über all dieses hinaus ist das Buch sehr lesenswert, in Anekdoten und Geschichten aus einer reichhaltigen spirituellen Praxis heraus verpackt, sehr menschlich geschrieben und spannend. Ich wünsche viel Spaß beim Lesen, und dass Sie als Leser gar nicht merken, wieviel Sie gerade lernen.

Bonn, im Herbst 2017
Professor Dr. Lukas Radbruch
(Präsident der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin)

Dem Sterben Leben geben

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