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Paul Bokowski, Alleine ist man weniger zusammen

Paul Bokowski über »Alleine ist man weniger zusammen«

Der Autor zum Buch

Paul Bokowski, Ihr Thema ist das Skurrile am und im Alltäglichen. Was macht den Alltag für Sie denn so (be-)schreibenswert?

Ich bin kein großer Freund davon, mir komplett fiktive Szenarien herbeizufantasieren. Genau genommen sehe ich auch gar keine Notwendigkeit dafür. Mir begegnen jeden Tag so viele skurrile Momente. Und wenn mir das Leben so einen Ball zuspielt, dann hab ich ziemlich großen Spaß daran, solche Pässe zu verwandeln. Das müssen nicht immer die spektakulärsten Abenteuer sein. Ganz oft reichen kleine alltägliche Situationen, die aber in meinen Augen unheimlich großes humoristisches Potenzial beinhalten. Und eben dieses Potenzial zu erkennen, quasi das Skurrile und Absurde herauszuschälen, das ist meine Art zu arbeiten. So baue ich meine Geschichten.
Natürlich spiele ich dabei ganz bewusst mit den Grenzen zwischen Wahrheit, Fiktion und offensichtlicher Übertreibung. Aber aus der Erfahrung weiß ich, dass meine erfolgreichsten Texte genau diejenigen sind, die fast eins zu eins so abgelaufen sind. Viele meiner Dialoge beispielsweise, die sowohl in „Hauptsache nichts mit Menschen“ als auch in meinem neuen Buch „Alleine ist man weniger zusammen“ auftauchen, sind oft zu großen Teilen einfach aus meiner Erinnerung zu Papier gebracht. Mehr nicht.

Und was hat es zum Beispiel mit der Geschichte auf sich, in der Sie bei der Berliner Polizei anrufen, weil Sie eines Morgens ein fremdes Küken in Ihrer eigenen Küche finden?

Auch diese Geschichte ist in Grundzügen so passiert. Bei mir saß eines Tages ein hilfloses kleines Wildtier auf der kalten Herdplatte. Natürlich kein klassisches Küken, sondern eine junge Nebelkrähe. Aber als eingefleischter Großstadtmensch, der gute 12 Stunden am Tag vor einem Bildschirm verbringt und sich hauptsächlich von Knäckebrot, Senseo-Kaffee und veganem Brotaufstrich ernährt, kann einen so etwas schon ziemlich aus der Bahn werfen. Und als auch Google keine Antwort wusste, hab ich mich irgendwann dazu durchgerungen, den Notruf der Berliner Polizei anzurufen. Zum fertigen Text war es danach wirklich nicht mehr weit.

Was ist in „Alleine ist man weniger zusammen“ also Fiktion?

Die Fiktion steckt überall. In jeder einzelnen Geschichte. Das ist dem Leser natürlich klar. Die eigentliche Kunst besteht darin, die Leserschaft dahin gehend in die Irre zu führen, an welcher Stelle das Fiktive einsetzt. Gerade bei meinen Lesungen erlebe ich diese Unsicherheit. Wie das Gelächter sich verändert, wenn ich das Publikum aus seiner Komfortzone herauslocke und auf's literarische Glatteis führe. In dem Augenblick in dem ich den Rahmen dessen, was das Publikum erwartet, verlasse, macht es mir als vortragender Künstler oft am meisten Spaß.


Worin besteht für Sie das Faszinierende am Alltäglichen?

Ich schreibe am liebsten über Dinge, die den meisten Menschen so nahe und vertraut sind, dass sie das Witzige und Absurde daran längst ausgeblendet haben. Den alltäglichen Wahnsinn. Wenn es einem gelingt, diesen Wahnsinn zu fokussieren oder auf den Punkt zu bringen, dann ergeben sich hinreißend komische Geschichten. Es geht darum tagtägliche Erlebnisse derart zu verdichten, dass sie in ihrer Alltäglichkeit das größte humoristische Potenzial entwickeln. Nicht obwohl, sondern weil sie jeder kennt!


Ertappen Sie sich beim Schreiben denn auch selbst mal beim Lachen?

Natürlich ist der eigene Humor der wichtigste Maßstab. Wenn ich beim Schreiben ins Kichern oder gar ins Lachen gerate, dann habe ich ein gutes Gefühl und ahne: Das ist der rechte Weg. Das wird was.


Wie sieht sie denn aus, die typische „Paul Bokowski schreibt“-Szenerie?

Ich habe ein kleines Arbeitszimmer, in dem ich schreibe. Leider liegt dieses Arbeitszimmer genau auf dem geografischen Mittelpunkt zwischen Bett, Balkon und meinem Kühlschrank. Deshalb hab ich feste Arbeitszeiten, die ich penibel genau einhalten muss. Drei Blöcke pro Tag, die durch ein Mittagessen und einen Kaffee am Nachmittag unterbrochen werden. Beides auswärts, damit mir nicht irgendwann die Decke auf den Kopf fällt. Letztendlich ist meine Art zu schreiben also vielmehr Handwerk und Sitzfleisch, als eine von Musen und Inspiration geküsste Kunst.


… und die Ideen?

Die kommen überall. In der Bahn, im schwedischen Möbelhaus, beim All-inclusive-Urlaub zu Mutters 60. Geburtstag, bei geselligen Runden nach einem meiner Auftritte oder im Spätkauf um die Ecke. Ausgearbeitet wird aber einzig und allein am heimischen Schreibtisch. Nur getestet wird auf der großen Bühne. Die Gelegenheit brandneue Texte vor Publikum auszuprobieren ist ein unheimlich großer Luxus! Die unverblümten, knallharten Reaktionen helfen sehr dabei, einen objektiven Blick zu behalten und die eigenen Geschichten besser und besser zu machen. Das gibt ein gutes Gefühl und viel Selbstsicherheit, wenn es schlussendlich darum geht, aus den besten Texten ein neues Buch zu schmieden.


Ihre Professionalität hinter dem Autorenleben eint Sie mit jemandem, mit dem Sie gerne assoziiert werden – schließlich gelten Sie als „Woody Allen des Wedding“. Mit Blick auf diesen Titel ist eine Frage unumgänglich: Wie neurotisch ist Paul Bokowski?


Auf einer Skala von eins bis zehn würde ich mich bei einer gesunden Sechs einordnen. Natürlich spreche ich ab und zu mal mit mir selbst, aber zum Glück noch in der ersten Person Singular. Für Außenstehende ist besonders mein Hypochondertum offensichtlich. Auch die Tatsache, dass die Bücher in meinem Regal nach Größe und Farbe sortiert sind, findet immer besondere Beachtung. Aber solange ich keine Stimmen höre, noch U-Bahn fahren kann und mir nicht häufiger als einmal am Tag die Frage stellen muss, ob ich eigentlich die Kaffeemaschine ausgemacht habe, mache ich mir keine allzu großen Sorgen. Besonders für einen Eigenbrötler, der seit Jahr und Tag zu Hause arbeitet, finde ich mich erstaunlich ausgeglichen und normal geblieben.


Apropos: Ganz normal gehen Sie in Ihren Geschichten auch mit Ihrer Homosexualität um. Warum diese bewusste Entscheidung dafür?

Ich habe nie versucht, eine allzu große Sache daraus zu machen, mit wem ich das Bett teile. Die Geschlechtlichkeit wird von mir so beiläufig behandelt, wie es meine heterosexuellen Kollegen auch tun. Was aber nicht heißen soll, dass ich die Thematik bewusst oder gezielt umschiffe. Ich sehe nur keinen Sinn darin meine Geschichten darauf zu reduzieren. Ich bekomme auch selten die Gelegenheit dazu. Denn im Gesamtvergleich ist mein Liebesleben von den gleichen Hoffnungen und Herausforderungen bestimmt, wie das meiner heterosexuellen Freunde auch. Trotzdem hat sich herausgestellt, dass mein erstes Buch sehr wohl auch in schwul-lesbischen Kreisen die Runde gemacht hat.


Neben Ihrem Alltag spielt eine zweite Konstante die Hauptrolle in Ihren Geschichten: der Wedding. Könnten Ihre Geschichten auch in einer anderen Stadt als in Berlin spielen?

Die Geschichten meines ersten Buches sind vor allem für mein Berliner Publikum entstanden. Deshalb hat „Hauptsache nichts mit Menschen“ natürlich einen starken Wedding-Schwerpunkt. Beim zweiten Buch bin ich zurückhaltender mit dem Wedding-Bezug umgegangen. Ein Großteil der Geschichten könnte überall spielen. Trotzdem gibt es zwei alte Damen in meinem Buch, die immer wieder auftauchen und dabei jedes Mal und konsequent berlinern. Westberlinern, wenn man es genau nimmt. Ein bisschen Lokalkolorit muss sein!


Die Dialoge dieser beiden Damen sind der rote Faden in „Alleine ist man weniger zusammen“. Kennen Sie ihre Meinung zu den Texten?

Tatsächlich gibt es in meinem Haus zwei alte Musen, die lauthals von Fenster zu Fenster kommunizieren. Aber natürlich habe ich ihre Persönlichkeitsrechte und ihr geistiges Eigentum gewahrt. Trotzdem sind die beiden gerade bei offenem Fenster so ein fester Bestandteil meiner akustischen Kiezkulisse, dass ich gar nicht anders konnte, als ihre Weisheiten in mein Manuskript einfließen zu lassen. Wer weiß, vielleicht offenbare ich mich eines Tages als langjähriger Chronist und großer Fan.

Vielleicht wenn Sie dank Ihrer Dialoge eines Tages den ersten Literaturpreis gewinnen?


Literaturpreise sind für uns Humorautoren ja leider eine seltene Auszeichnung. Außerdem fürchte ich, müsste der Preis schon von Florian Silbereisen oder Andrea Berg vergeben werden, damit „Herta“ und „Rita“ davon Wind bekommen.


Beschreiben Sie doch mal den typischen „Paul Bokowski-Leser“! Wissen müssten Sie’s ja – immerhin haben Sie durch Ihre Lesebühnen-Auftritte direkten Kontakt zu einem Großteil Ihrer Leserschaft …

Mein Stammpublikum bei meiner wöchentlichen Lesebühne ist herrlich heterogen. Ich mag diese Vielfalt des Alters, der Erfahrung und vielleicht auch des sozialen Hintergrunds. Das hat das eigene Urvertrauen gestärkt und vielleicht auch ein Stück weit das Bewusstsein in den Mittelpunkt gerückt, dass ich einige Texte in meinem Repertoire habe, mit denen ich doch tatsächlich die verschiedensten Arten von Publikum begeistern kann. Bis heute ist mir ein stark durchmischtes Publikum aber am allerliebsten. Und wenn ich von den Zuschauern meiner Lesungen rückschließe, dann könnte ich mir tatsächlich vorstellen, dass meine Hauptleserschaft ein sehr weites Altersspektrum abdeckt.

Ihre optischen Markenzeichen sind Schiebermütze und Hipsterbrille. Kritiker erkennen zusätzlich gerne den Scharfsinn und Ihren Humor als herausragende Eigenschaften an. Was ist außerdem typisch Paul Bokowski?

Eine Sitznachbarin auf einer Bahnreise nach Baden-Baden hat mir mal attestiert, ein sehr gebärfreudiges Becken zu haben. Fast schon bedauerlich, dass mir die passenden Reproduktionsorgane fehlen. Außerdem wurde mir nach meinem ersten Buch sehr oft unterstellt, ein Misanthrop zu sein. Aber auch wenn die Titel meiner Bücher das vermuten lassen, muss ich doch zugeben, dass die Kernthematik meiner Geschichten zwischenmenschliche Beziehungen sind. Wenn auch aus einer satirischen Perspektive. Eine satirische Perspektive die übrigens nie von oben herab geschieht. Ich bin immer sehr darauf bedacht, herablassenden Humor zu meiden. Zum Beispiel mache ich niemals Witze über Äußerlichkeiten. Nicht zuletzt weil ich selbst mit abstehenden Ohren und einer großen Nase gestraft bin. Apropos: Wenn eines an meinen Texten typisch ist, dann zumindest die Tatsache, dass ich mir in humoristischer Hinsicht auch gerne mal an die eigene Nase fasse.

Das Gespräch führte Sara-Lena Niebaum.

Alleine ist man weniger zusammen

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