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LESEPROBE: Das erste Kapitel


INHALT

ERSTES KAPITEL
ES WAR EINMAL ...
IM VON NAZIS BESETZTEN FRANKREICH

ZWEITES KAPITEL
INGLOURIOUS BASTERDS

DRITTES KAPITEL
EINE DEUTSCHE NACHT IN PARIS

VIERTES KAPITEL
OPERATION KINO

FÜNFTES KAPITEL
DIE RACHE DES RIESENGESICHTS



AUSSEN - MILCHBAUERNHOF - TAG
Bescheidener milchwirtschaftlicher Hof auf dem Land bei Nancy, Frankreich (von den Franzosen Kuhland genannt).

Wir lesen einen TITEL am Himmel über dem Bauernhaus;

ERSTES KAPITEL
„ES WAR EINMAL IM ...
VON NAZIS BESETZTEN FRANKREICH“

Der TITEL verschwindet und wird durch einen anderen ÜBERBLENDET;

„1941
Ein Jahr nach der Besetzung Frankreichs
durch die Deutschen“

Der Hof besteht aus einem Haus, einer kleinen Scheune und zwölf verstreut stehenden Kühen.

Der Eigentümer des Anwesens, ein Stier von einem FRANZÖSISCHEN BAUERN, schlägt mit der Axt auf einen Baumstumpf ein, der sein Anwesen verunziert. So einfach das aussieht, weiß man nicht, ob er seit einem Jahr oder erst seit heute Morgen auf diesen Stumpf einhackt.

JULIE
eine seiner drei hübschen heranwachsenden Töchter, hängt Wäsche auf eine Leine. Während sie ein weißes Bettlaken aufhängt, hört sie ein Geräusch, sie schlägt das Laken zur Seite und sieht;

JULIES PERSPEKTIVE:
Eine offene deutsche Limousine, auf deren Kotflügeln zwei kleine Hakenkreuzfahnen flattern, ein DEUTSCHER SOLDAT hinter dem Lenkrad, ein DEUTSCHER OFFIZIER allein im Fond, folgt ZWEI WEITEREN DEUTSCHEN SOLDATEN auf Motorrädern; sie kommen auf der Landstraße, die zu ihrem Haus führt, den Hügel herauf.

JULIE
Papa.

Der französische Bauer versenkt die Axtklinge in dem Stumpf, blickt über die Schulter nach hinten und sieht die Deutschen kommen.

Die FRAU DES BAUERN, CHARLOTTE erscheint in der Tür ihres Hauses, hinter ihr die beiden anderen HERANWACHSENDEN TÖCHTER; sie sehen die Deutschen näher kommen.

Der Bauer ruft auf FRANZÖSISCH, ENGLISCH UNTERTITELT, zu seiner Familie hinüber;

BAUER
Geht wieder rein und macht die
Tür zu.

BAUER
(zu Julie)
Julie, bring mir etwas Wasser zum Waschen
und dann geh hinein zu deiner Mutter.

Die junge Dame läuft zu der Wasserpumpe neben dem Haus. Sie nimmt eine Wanne und beginnt zu pumpen, nach wenigen Stößen spritzt Wasser in die Wanne.

Der französische Bauer lässt sich auf dem Stumpf nieder, auf den er vorher eingehackt hat, zieht ein Taschentuch aus der Hosentasche, wischt sich den Schweiß aus dem Gesicht und erwartet die Ankunft des Nazi-Konvois. Ein Jahr lang hat er mit dem Damoklesschwert über dem Kopf gelebt, jetzt könnte das Ende gekommen sein.

Julie hat die Wasserwanne gefüllt und stellt sie auf die Fensterbank.

JULIE
Fertig, Papa.

BAUER
Danke, Schatz, und jetzt geh rein
und sieh nach deiner Mutter.
Aber nicht rennen.

Julie geht ins Bauernhaus und schließt hinter sich die Tür.

Während ihr Vater sich von seinem Stumpf erhebt und zur Fensterbank und der Wanne hinübergeht...

... werden die MOTORENGERÄUSCHE der beiden Motorräder und des Automobils LAUTER.

Der Bauer SPRITZT sich Wasser aus der Wanne über das Gesicht und den Oberkörper. Er nimmt ein Handtuch von einem Nagel, wischt sich das Wasser von Gesicht und Brust, während er die beiden Motorräder, das Automobil und die vier Vertreter der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei vor seinem Haus halten sieht.

Wir fahren nicht an sie heran, beobachten sie - wie der Bauer - aus der Distanz.

Die BEIDEN DEUTSCHEN MOTORRADFAHRER sind abgestiegen und stehen neben ihren Maschinen stramm.

Der FAHRER des NAZI-CABRIOLETS ist um das Automobil herumgegangen und hält seinem Vorgesetzten die Tür auf.

Der DEUTSCHE OFFIZIER sagt zu dem Chauffeur auf DEUTSCH OHNE UNTERTITEL;

NAZI-OFFIZIER
Das ist also der Hof von Perrier
LaPadite?

NAZI-FAHRER
Jawohl, Herr Oberst.

Der Offizier klettert aus dem Fond des Fahrzeugs, in der linken Hand trägt er einen schwarzen Aktenkoffer.

NAZI-OFFIZIER
Hermann, Sie lassen mich allein,
bis ich Sie rufe.

NAZI-FAHRER
Wie Herr Oberst befehlen.

Der OBERST der SS ruft zu dem Bauern hinüber, FRANZÖSISCH mit ENGLISCHEN UNTERTITELN;

NAZI-OFFIZIER
Ist das hier der Hof von Perrier
LaPadite?

BAUER
Ich bin Perrier LaPadite.

Der Oberst der SS überbrückt mit langen Schritten die Distanz zwischen ihnen und sagt lächelnd auf Französisch;

DEUTSCHER OFFIZIER
Freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen,
Monsieur LaPadite, ich bin Oberst Hans
Landa von der SS.

Oberst Hans Landa reicht dem französischen Bauern PERRIER LAPADITE seine Hand. Der Franzose ergreift die Hand des Deutschen und schüttelt sie.

PERRIER
Was kann ich für Sie tun?

OBERST LANDA
Ich hatte gehofft, Sie würden mich in Ihr Haus
bitten, damit wir uns unterhalten können.

INNEN – BAUERNHAUS LAPADITE – TAG

Die Tür des Bauernhauses öffnet sich, der Bauer bittet den SS-Oberst einzutreten. Der Deutsche nimmt die graue SS-Mütze ab, als er das Haus des Franzosen betritt.

Das erste, was Oberst Landa sieht, sind die Frau und die drei hübschen Töchter des Bauern, die zusammen in der Küche stehen und ihm lächelnd entgegenblicken.

Der Bauer tritt nach ihm ein und schließt die Tür.

PERRIER
Oberst Landa, das ist meine Familie.

Der Oberst der SS schlägt die Hacken zusammen und streckt der französischen Bauersfrau die Hand entgegen ...

OBERST LANDA
Oberst Landa von der SS, zu Ihren
Diensten, Madame.

Er küsst seiner Gastgeberin die Hand und redet weiter, ohne ihre Hand wieder freizugeben ...

OBERST LANDA
Bitte verzeihen Sie mir mein rüdes
Eindringen in Ihren Alltag.

BAUERSFRAU
Aber ich bitte Sie, Herr Oberst.

Der SS-Oberst hält immer noch die Hand der Französin und blickt ihr in die Augen, während er sagt;

OBERST LANDA
Monsieu LaPadite, jedes Wort, das
man sich im Dorf über Ihre Familie
erzählt, ist wahr. Sie haben eine
wunderschöne Frau.

Sein Blick sucht die drei Töchter.

OBERST LANDA
Und eine Tochter ist reizender als
die andere.

PERRIER
Vielen Dank. Nehmen Sie doch bitte
Platz.

Der Bauer bietet dem SS-Oberst einen Platz am hölzernen Esstisch der Familie an. Der Nazi-Offizier nimmt die Einladung des französischen Bauern an und lässt sich auf einem Stuhl nieder. Seine graue SS-Mütze legt er auf den Tisch, den schwarzen Aktenkoffer stellt er zu seinen Füßen auf den Boden.

Der Bauer (ganz perfekter Gastgeber) wendet sich an seine Frau und sagt;

PERRIER
Charlotte, wärst du so gut, dem Herrn
Oberst etwas Wein zu holen?

OBERST LANDA
Merci beaucoup, Monsieur LaPadite, bitte
keinen Wein. Auf einem Milchwirtschaftsbetrieb
darf man doch gewiss auf Milch hoffen?

CHARLOTTE
Oui.

OBERST LANDA
Dann hätte ich gern ein Glas Milch.

CHARLOTTE
Aber gern.

Die Mutter von drei Töchtern nimmt einen Krug mit Milch aus dem Eisschrank und füllt für den Oberst ein großes Glas mit der frischen weißen Flüssigkeit.

Der SS-Oberst trinkt einen langen Schluck aus dem Glas, um es dann LAUT zurück auf den Holztisch zu stellen.

OBERST LANDA
Monsieur, ein Bravo für Ihre Familie
und auch für Ihr Milchvieh.

PERRIER
Merci.

OBERST LANDA
Bitte, leisten Sie mir Gesellschaft an
Ihrem Tisch.

PERRIER
Gern.

Der französische Bauer setzt sich gegenüber von dem Nazi an seinen Holztisch.

Die Frauen bleiben stehen.

Oberst Landa beugt sich vor und sagt leise, in vertraulichem Ton zu dem Bauern;

OBERST LANDA
Monsieur LaPadite, was wir zu besprechen
haben, sollte unter uns bleiben.
Sie sehen, dass ich meine Männer
draußen gelassen habe – würden Sie,
falls es nicht zu kränkend ist, Ihre
reizenden Frauen bitten, die Küche
zu verlassen?

PERRIER
Ja, Sie haben recht.

PERRIER
(zu seinen Frauen)
Charlotte, bring die Mädchen bitte
hinaus. Der Oberst und ich haben etwas
zu besprechen.

Die Bauersfrau kommt der Anordnung ihres Mannes nach, bringt ihre Töchter hinaus und klappt hinter ihnen die Tür zu.

Die beiden Männer sind allein, am Esstisch des Bauern, im bescheidenen Heim des Bauern.

OBERST LANDA
Monsieur LaPadite, zu meinem Leidwesen
muss ich gestehen, dass ich mit meinem
Französisch an meinen Grenzen angekommen
bin. Es wäre mir peinlich, auf diese Weise
weiter zu dilettieren. Allerdings habe
ich Grund zu der Annahme, dass Sie recht
gut Englisch sprechen?

PERRIER
Oui.

OBERST LANDA
Das trifft sich gut, ich auch.
Dies ist Ihr Haus, deshalb bitte ich Sie
um die Erlaubnis, das weitere Gespräch
auf Englisch mit Ihnen führen zu dürfen.

PERRIER
Aber gern.

Ab jetzt unterhalten sie sich auf ENGLISCH;

OBERST LANDA
Monsieur LaPadite, auch wenn ich sehr
gut über Sie und Ihre Familie Bescheid
weiß, entzieht es sich natürlich völlig
meiner Kenntnis, ob Sie wissen, wer ich bin?
Sind Sie sich meiner Existenz bewusst?

Der Bauer antwortet;

PERRIER
Ja.

OBERST LANDA
Das ist gut. Dann wissen Sie auch, welche
Aufgabe ich hier in Frankreich zu erledigen
habe?

PERRIER
Ja.

Der Oberst trinkt einen Schluck Milch.

OBERST LANDA
Erzählen Sie mir, was Sie darüber gehört
haben?

PERRIER
Ich habe gehört, dass Sie vom Führer
beauftragt sind, die Juden aufzuspüren,
die sich noch in Frankreich versteckt
halten oder ihre jüdische Herkunft
verbergen.

Der SS-Oberst lächelt.

OBERST LANDA
Der Führer hätte es nicht korrekter
ausdrücken können.

PERRIER
Der Zweck Ihres Besuchs, so sehr
ich mich darüber freue, ist mir
allerdings nicht ganz klar. Die
Deutschen haben mein Haus bereits
vor neun Monaten nach versteckten
Juden durchsucht und nichts gefunden.

OBERST LANDA
Das weiß ich, ich habe den Bericht über
diese Gegend gelesen. Aber so ist das,
wenn ein Unternehmen unter neue
Leitung kommt, gewisse Duplizitäten
der Maßnahmen lassen sich einfach nicht
vermeiden. Die meisten sind absolute
Zeitverschwendung, aber ergriffen
werden müssen sie trotzdem.
Ich habe nur ein paar Fragen, Monsieur
LaPadite, und wenn Sie mir bei deren
Beantwortung helfen wollen, kann meine
Abteilung die Akte über Ihre Familie
endgültig schließen.

Er stellt den schwarzen Aktenkoffer auf den Tisch und nimmt eine schwarze Mappe heraus. Dann zieht er aus der Brusttasche seiner Uniformjacke einen teuren schwarzen Füllfederhalter hervor. Die Mappe öffnend, auf sie Bezug nehmend;

OBERST LANDA
Also, vor der Besetzung lebten vier
jüdische Familien in dieser Gegend,
allesamt Michbauern wie Sie.
Die Loveitts, die Doleracs, die
Rollins und die Dreyfus, ist das
richtig?

PERRIER
Soweit ich weiß, waren das die
jüdischen Familien unter den
Milchbauern. Herr Oberst, stört es
Sie, wenn ich Pfeife rauche?

Schaut von seinen Unterlagen hoch.

OBERST LANDA
Aber woher, Monsieur LaPadite,
dies ist Ihr Haus, tun Sie sich
bitte keinen Zwang an.

Der Bauer erhebt sich vom Tisch und geht hinüber zu einem Regal über dem Kamin, von dem er einen HOLZKASTEN nimmt, in dem er die Utensilien für das Pfeiferauchen aufbewahrt. Dann setzt er sich wieder zu seinem deutschen Gast an den Tisch.

Während der Bauer den Pfeifenkopf mit Tabak stopft, ein Streichholz daranhält und ihn mit langsamen Zügen zum Glühen bringt, studiert der SS-Oberst seine Unterlagen.

OBERST LANDA
Nach meinen Unterlagen ist der Verbleib
aller jüdischen Familien aus dieser Gegend
geklärt - mit Ausnahme der Familie Dreyfus.
Irgendwann im letzten Jahr scheinen sie
plötzlich verschwunden zu sein.
Und das lässt nur zwei Schlüsse zu,
entweder ist Ihnen die Flucht gelungen,
oder jemand hält sie äußerst erfolgreich versteckt.
(blickt von seinen Papieren hoch, über
den Tisch hinweg auf den Bauern)
Was ist Ihnen über den Verbleib der Dreyfus zu
Ohren gekommen, Monsieur LaPadite?

PERRIER
Nur Gerüchte –

OBERST LANDA
Ich liebe Gerüchte! Tatsachen können
so irreführend sein, während Gerüchte,
ob falsch oder richtig, einem oft
die Augen öffnen. Also, Monsieur
LaPadite, welche Gerüchte haben Sie
über die Familie Dreyfus gehört?

Der Bauer schaut Landa an.

OBERST LANDA
Sprechen Sie frei heraus, Monsieur
LaPadite, mich interessiert, was
das für Gerüchte sind, nicht, wer sie
Ihnen erzählt hat.

Der Bauer zieht nachdenklich an seiner Pfeife.

PERRIER
Noch mal, es ist nur ein Gerücht,
aber wir haben gehört, die Dreyfus
sollen es nach Spanien geschafft
haben.

OBERST LANDA
Die Gerüchte, die Sie gehört haben,
sprechen also von Flucht?

PERRIER
Ja.

OBERST LANDA
Waren die Familien LaPadite und
Dreyfus befreundet?

Während der Bauer auf die Frage antwortet, FÄHRT DIE KAMERA hinter den Stuhl, hinunter zum Fußboden und unter die Bodenbretter, hinein in einen schmalen Zwischenraum unterhalb des Fußbodens, wo;

FÜNF MENSCHLICHE WESEN
horizontal unter den Bodenbrettern des Bauern liegen. Es handelt sich um die Familie DREYFUS, die während des vergangenen Jahres vorwiegend liegend unter dem Haus der Milchbauern gelebt hat. Wobei man es eigentlich nicht Leben nennen kann, wie die Dreyfus das vergangene Jahr verbracht haben. Diese Familie hat das Einzige getan, was sie tun konnte, sie hat sich vor einer Besatzungsarmee versteckt, die sie ausrotten will.

PERRIER
Wir waren Familien in derselben Gemeinde,
im selben Gewerbe. Ich würde nicht sagen,
wir waren Freunde, aber Mitglieder
derselben Gemeinde mit gemeinsamen
Interessen.

Der SS-Offizier wägt die Antwort ab, scheint keine Einwände gegen sie zu haben, kommt zur nächsten Frage.

OBERST LANDA
Da ich die Dreyfus nicht kennengelernt
habe, können Sie mir die einzelnen
Mitglieder des Haushalts und ihre
Namen nennen?

PERRIER
Sie waren fünf. Der Vater, Jacob ...
die Frau, Miriam ... ihr Bruder, Bob ...

OBERST LANDA
Wie alt ist Bob?

PERRIER
Dreißig – einunddreißig?

OBERST LANDA
Weiter.

PERRIER
Und die Kinder ... Amos ... und
Shosanna.

OBERST LANDA
Alter der Kinder?

PERRIER
Amos – sechs – glaube ich. Und Shosanna
war fünfzehn oder sechzehn, ich weiß es
wirklich nicht genau.

SCHNITT ZU
AUSSEN – MILCHHOF – TAG

Die Mutter und ihre drei Töchter haben alle Wäschestücke von der Leine genommen.

Sie hören nichts von dem, was drinnen vor sich geht.

Die drei deutschen Soldaten beobachten die drei Töchter.

ZURÜCK ZU LANDA UND PERRIER

OBERST LANDA
Gut, ich denke, das sollte reichen.

Er sammelt seine Papiere zusammen, steckt sie zurück in den Aktenkoffer.

Der Bauer, eiskalt, raucht seine Pfeife.

OBERST LANDA
Dürfte ich Sie, bevor ich gehe
noch um ein Glas Ihrer köstlichen
Milch bitten?

PERRIER
Aber natürlich.

Der Bauer steht auf, geht hinüber zum Eisschrank und nimmt den Milchkrug heraus. Während er zum Tisch zurückkehrt, um dem Nazi-Oberst das Glas zu füllen, redet der deutsche Offizier.

OBERST LANDA
Monsieur LaPadite, wissen Sie, welchen
Spitznamen die Franzosen mir gegeben
haben?

PERRIER
So etwas interessiert mich nicht.

OBERST LANDA
Aber Sie wissen es?

PERRIER
Ja, ich weiß es.

OBERST LANDA
Wie lautet er?

PERRIER
Man nennt Sie den „Judenjäger“.

OBERST LANDA
Korrekt! Ich kann Ihre Scheu, ihn
auszusprechen, durchaus verstehen.
Heydrich hat den Spitznamen gehasst,
mit dem ihn die Prager beehrten, bevor
sie ihn ermordet haben.
Was er gegen die Bezeichnung „Henker“
einzuwenden hatte, ist mir allerdings
ein Rätsel, hat er doch alles Erdenkliche
getan, sie sich zu verdienen.
Genau deshalb liebe ich meinen
inoffiziellen Titel, eben weil ich
ihn verdiene.

Während der „Judenjäger“ sich an seiner frischen Milch gütlich tut, doziert er dem französischen Bauern weiter etwas vor.

OBERST LANDA
Meinen Erfolg als Jäger von Juden
verdanke ich vor allem einem Umstand
- im Unterschied zu den meisten deutschen
Soldaten verstehe ich es, wie ein
Jude zu denken, während sie wie Deutsche
denken, besser gesagt, wie deutsche
Soldaten.
Wollte man Attribute benennen, welche
die Deutschen mit einem Tier gemein haben,
dann wären es die Schlauheit und der räuberische
Instinkt des Falken.
Neger – Verstand, Lippen, Geruch, Körperkraft
und Penislänge des Gorillas.
Wollte man aber bestimmen, welche tierischen
Attribute dem Juden eigen sind, dann wären
es die einer Ratte. So kann man es fast wörtlich
in Goebbels' und des Führers Propaganda nachlesen.
Im Unterschied zu ihnen sehe ich derlei
Vergleiche allerdings nicht als Beleidigung.
Bedenken Sie nur, in was für einer Welt so eine
Ratte lebt. In was für einer feindseligen
Welt. Wenn in diesem Augenblick eine
Ratte zur ihrer Haustür hereingeschlüpft
käme, würden Sie ihr nicht feindselig
begegnen?

PERRIER
Ich denke schon.

OBERST LANDA
Und hat je eine Ratte irgendetwas getan,
um die Feindseligkeit zu rechtfertigen,
mit der Sie ihr begegnen?

PERRIER
Ratten verbreiten Krankheiten, sie beißen
Menschen –

OBERST LANDA
Solange einer nicht so unklug ist, eine
lebende Ratte berühren zu wollen, kommt
keine Ratte auf die Idee, einen Menschen
zu beißen. Gut, Ratten waren die Ursache
für die Beulenpest, aber das ist ja schon
eine Weile her. Sind Sie in Ihrem Leben
auch nur an einem einzigen Tag wegen einer
Ratte krank gewesen? Ich versichere Ihnen,
dass jede von einer Ratte übertragene Krankheit
ebenso gut von einem Eichhörnchen übertragen
werden könnte.
Und ich nehme nicht an, dass Sie gegen
Eichhörnchen dieselben Animositäten hegen
wie gegen Ratten, oder?

PERRIER
Nein.

OBERST LANDA
Obwohl beides Nagetiere sind, richtig?
Und mal abgesehen davon, dass eines einen
großen buschigen Schwanz hat und das andere
einen langen, widerlichen Schwanz aus nackter
Haut, sehen sie sich sogar ziemlich ähnlich,
oder nicht?

PERRIER
Ein interessanter Gedanke, Herr Oberst.

OBERST LANDA
Und obwohl dieser Gedanke so interessant
klingt, ändert er nicht das Geringste an
Ihren Gefühlen. Käme in diesem Moment
eine Ratte zur Tür hereingehuscht, würden
Sie ihr etwa eine Schale von Ihrer köstlichen
Milch anbieten?

PERRIER
Vermutlich nicht.

OBERST LANDA
Das dachte ich mir. Sie mögen sie nicht.
Ohne genau zu wissen, warum. Sie wissen
nur, dass Sie sich vor ihnen ekeln.
(lässt die
Metapher wirken)
Was für eine entsetzlich feindselige
Welt muss so eine Ratte ertragen.
Aber sie überlebt nicht nur, sie
blüht sogar noch auf. Und der
Grund dafür ist der unübertroffene
Schutz- und Überlebensinstinkt unseres
kleinen Feindes. Und den, Monsieur,
hat der Jude mit den Ratten gemeinsam.
Und jetzt muss also ein deutscher Soldat
ein Haus durchsuchen, in dem er versteckte
Juden vermutet. Wo sucht der Falke? Er
sucht in der Scheune, er sucht auf dem
Dachboden, er sucht im Keller – er
sucht überall, wo er sich verstecken
würde. Aber es gibt viele Orte, wo es
keinem Falken einfallen würde, sich zu
verstecken. Und der Führer hat mich
nur deswegen aus meinen österreichischen
Bergen geholt und hier in das französische
Kuhland gesetzt, weil ich einer bin, dem
es einfällt. Weil ich weiß, zu welch
ungeheuren Leistungen Menschen fähig
sind, die ihre Würde preisgegeben haben.
(den Tonfall wechselnd)
Darf ich auch meine Pfeife rauchen?

Die kühle Fassade des Bauern beginnt zu zerbröckeln.

PERRIER
Aber bitte, Herr Oberst, fühlen Sie sich wie
zu Hause.

Der Judenjäger bringt eine Pfeife und einen Beutel mit Tabaksbesteck zum Vorschein. Bei der Pfeife handelt es sich erstaunlicherweise um eine Calabash aus einem s-förmigen Kürbis mit gelber Oberfläche, wie Sherlock Holmes sie berühmt gemacht hat.

Der Nazi-Oberst widmet sich seiner Raucherei, während er weiter Hof am Tisch des Franzosen hält.

OBERST LANDA
Der andere Fehler der deutschen
Soldaten ist die strenge Behandlung der
Bürger, die den Juden Schutz und Hilfe
anbieten. Diese Bürger sind keine Staatsfeinde.
Es sind einfach nur verwirrte Menschen, die
versuchen, sich irgendwie mit dem Wahnsinn
des Krieges zu arrangieren.
Man sollte diese Bürger nicht bestrafen.
Es reicht völlig aus, sie an ihre Pflichten
in Zeiten des Krieges zu erinnern.
Nehmen wir Sie als Beispiel, Monsieur
LaPadite. Dieser Krieg hat Sie ohne
Vorwarnung in einen Konflikt geworfen, der
nicht das Geringste mit Ihnen selbst, Ihren
reizenden Damen oder ihren Kühen zu tun hat –
trotzdem stecken sie mittendrin. Und jetzt
lassen Sie mich Ihnen eine Frage stellen,
Monsieur LaPadite. Was ist, in diesen Zeiten
des Krieges, Ihre erste Pflicht? Im Namen
Frankreichs bis zum letzten Atemzug gegen die
Deutschen zu kämpfen? Die Besatzungsarmee
nach besten Kräften zu ärgern? Oder vielleicht
die armen unglücklichen Opfer des Krieges zu
beschützen, die sich nicht selber schützen
können? Oder ist Ihre erste Pflicht in dieser Zeit
des Blutvergießens, diese ausnehmend
schönen Frauen zu beschützen,
die Ihre Familie sind?

Der Oberst lässt die letzte Frage im Raum stehen.

OBERST LANDA
Das war eine Frage, Monsieur LaPadite.
Was sehen Sie in diesen Zeiten des Krieges
als Ihre erste Pflicht an?

PERRIER
Meine Familie zu beschützen.

OBERST LANDA
Und meine Pflicht gebietet es mir,
meine Männer in Ihr Haus zu schicken und
es gründlich zu durchsuchen, bevor ich
offiziell den Namen Ihrer Familie von meiner
Liste streichen kann. Und, seien Sie versichert,
sollte es hier Unregelmäßigkeiten zu finden geben,
werden wir sie finden. Es sei denn,
Sie haben mir etwas zu sagen,
das eine Durchsuchung erübrigt.
(Pause)
Ich sollte vielleicht noch hinzufügen, dass
jede Information, die mir die Ausübung meiner
Pflichten erleichtert, nicht etwa Strafe
nach sich zieht. Ganz im Gegenteil, sie
wird belohnt, in Ihrem Fall damit, dass wir
Ihre Familie bis zum Ende der Besetzung Ihres
Landes durch die deutsche Wehrmacht in keiner
Weise mehr belästigen werden.

Der Bauer, die Pfeife im Mund, starrt seinen deutschen Kontrahenten über den Tisch hinweg an.

OBERST LANDA
Sie gewähren Feinden des deutschen Staates
Schutz, ist das richtig?

PERRIER
Ja.

OBERST LANDA
Sie halten sie unter den Fußbodenbrettern
versteckt, richtig?

PERRIER
Ja.

OBERST LANDA
Zeigen Sie mir den Bereich, unter dem sie
sich versteckt halten.

Der Bauer zeigt ihm den Bereich des Fußbodens an, unter dem die Familie Dreyfus sich verbirgt.

OBERST LANDA
Da alles ruhig geblieben ist, obwohl
sie uns hören können, vermute ich,
dass sie kein Englisch verstehen?

PERRIER
Richtig.

OBERST LANDA
Ich werde jetzt wieder Französisch sprechen
und möchte, dass Sie auf meine Maskerade
eingehen, haben Sie verstanden?

PERRIER
Ja.

Oberst Landa erhebt sich vom Tisch und sagt, auf FRANZÖSISCH mit ENGLISCHEN UNTERTITELN wechselnd;

OBERST LANDA
Monsieur LaPadite, ich danke Ihnen für
die Milch und Ihre Gastfreundschaft.
Ich denke, damit sollte unsere Angelegenheit
hier erledigt sein.

Der Nazi-Offizier öffnet die Haustür und winkt wortlos seine Leute herein.

OBERST LANDA
Madame LaPadite, ich danke Ihnen
für Ihre Geduld, wir werden Ihre Familie
nicht weiter belästigen.

Stattdessen müssen die Damen LaPadite mitansehen, wie die Nazi-Soldaten mit automatischen Waffen im Anschlag auf das Haus zugehen.

Die Soldaten betreten das Haus, Oberst Landa zeigt schweigend auf den Bereich des Fußbodens, unter dem sich die Juden verstecken.

OBERST LANDA
Also, Monsieur und Madame LaPadite, dann
sage ich Ihnen adieu.

Er macht den Soldaten ein Zeichen mit dem Zeigefinger.

Sie SCHIESSEN den Holzfußboden mit ihren AUTOMATISCHEN WAFFEN IN FETZEN.

Das kleine Bauernhaus ist erfüllt von QUALM, STAUB, SPLITTERN, SCHREIEN, PATRONENHÜLSEN, auch etwas BLUT.

Auf ein Handzeichen des OBERST stellen die Soldaten das Gewehrfeuer ein. Der Oberst streckt den Finger in die Luft, das Zeichen für Stille.

UNTER DEN BODENBRETTERN
liegt die gesamte Familie Dreyfus, tot, mit Ausnahme der sechzehnjährigen SHOSANNA, die wie durch ein Wunder von keiner einzigen Nazi-Kugel getroffen wurde. Inmitten ihrer toten Familienmitglieder entscheidet das Mädchen sich für die Freiheit (symbolisiert durch ein mit Maschendraht vergittertes Lüftungsfenster).

OBERST LANDA
hört Bewegung unter den Bodenbrettern, richtet den Blick nach unten und sieht durch die Ritzen, wie sich dort eine GESTALT bewegt.

OBERST LANDA
Es ist das Mädchen. Keiner rührt sich!

LÜFTUNGSFENSTER
wird von einem FUSSTRITT geöffnet, das Mädchen SCHIESST daraus hervor.

OBERST LANDA
sieht, als er die Küche durchquert, das Mädchen auf den Schutz der Bäume ZURENNEN. Er entriegelt das Fenster, klappt es auf.

Shosanna ist perfekt GERAHMT vom Fenster.

SHOSANNA
RENNT auf den Wald zu. Bauernhaus und Oberst im Fenster im HINTERGRUND.

SCHMUTZIGE NACKTE FÜSSE
KLATSCHEN auf nasses Gras.

CLOSE UP SHOSANNAS GESICHT
wie das eines Tiers, das von einem Raubtier gejagt wird, FLUCHT – PANIK – FURCHT

SHOSANNAS PERSPEKTIVE:
die Sicherheit der Bäume kommt näher.

OBERST LANDA
gerahmt vom Fenster, greift zu seiner WALTHER, nimmt mit gestrecktem Arm die fliehende Jüdin ins Visier, spannt mit dem Daumen den Hahn.

OBERST LANDAS PERSPEKTIVE:
die fliehende Shosanna.

CLOSE UP OBERST LANDA
LANGSAMER ZOOM auf seine Augen, während er zielt.

CLOSE UP SHOSANNAS PROFIL
im verzweifelten Spurt um ihr Leben.

OBERST LANDA
überlegt es sich anders. Er ruft der aus der Falle fliehenden, auf die Sicherheit des Holzstoßes zulaufenden Ratte auf FRANZÖSISCH mit ENGLISCHEN UNTERTITELN nach;

OBERST LANDA
Au revoir, Shosanna!

SHOSANNA
erreicht den Wald und ist nicht mehr zu sehen.

Der SS-Oberst schließt das Fenster.


AUSSEN – MILCHHOF – TAG

Das Nazi-Cabriolet FÄHRT davon.

AUSSEN – NAZI-CABRIOLET (FAHREND) – TAG

Oberst Hans Landa sitzt im Fond des Cabriolets, das sich mit hoher Geschwindigkeit von dem französischen Bauernhof entfernt.

Landa spricht mit seinem Fahrer DEUTSCH, ENGLISCH UNTERTITELT;

OBERST LANDA
Hermann, ich spüre die Frage auf Ihren Lippen.
Heraus damit.

FAHRER
Warum haben Sie eine Feindin des Staates
entkommen lassen?

OBERST LANDA
Ach, ich denke nicht, dass der Staat in
allzu großer Gefahr ist, oder?

FAHRER
Das wohl nicht.

OBERST LANDA
Na, da bin ich froh, dass Sie das auch so sehen.
Einer Sechzehnjährigen nicht in den Rücken
zu schießen und ihr die Flucht zu ermöglichen
muss nicht dasselbe sein. Sie ist ein junges Mädchen,
ohne Nahrung, ohne Schutz, ohne Schuhe,
hat gerade das Massaker an ihrer ganzen Familie miterlebt.
Nicht gesagt, dass sie die Nacht überlebt.
Und wenn sich herumspricht, was hier heute passiert ist,
wird sich kaum noch ein Bauer finden, der ihr weiterhilft.
Müsste ich ihr Schicksal prophezeien,
würde ich sagen, dass einer der Nachbarn sie uns bringt.
Oder sie wird von deutschen Soldaten entdeckt.
Oder wir finden ihre Leiche im Wald, verhungert,
an Erschöpfung gestorben.
Aber vielleicht ... überlebt sie ja auch.
Sie entgeht der Gefangennahme. Sie flüchtet nach Amerika.
Sie zieht nach New York. Und dort
wählt man sie zur Präsidentin der Vereinigten Staaten.

Der SS-Oberst kichert über seinen kleinen Scherz.