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SPECIAL zu David Peace

„Wir sind der Norden, wir machen was wir wollen!“

Das ist zwar nur ein unscheinbarer Satz in David Peaces Debütroman, aber er bleibt nicht ohne Folgen für Leser und Protagonist. 1974 ist ein knallhartes Gesellschaftsportrait und ein alptraumhafter Thriller zugleich, mit dem David Peace einige Literaturpreise abgeräumt hat.

      Yorkshire, im Dezember 1974 – da kam mir beim ersten oberflächlichen Gedanken nicht die beste Grundstimmung auf. Und es geht gleich düster weiter, denn wir begleiten den Protagonisten Eddie Dunford, Gerichtsreporter für Nordengland, auf die Beerdigung seines Vaters. Zur selben Zeit wird ein kleines Mädchen als vermisst gemeldet. Nach ein paar Jahren im gemütlichen London steigt Eddie gleich voll in den Job ein, den er schon immer haben wollte, denn nach kurzer Recherche findet er heraus, dass sich eventuell eine Verbindung zum Fall zweier anderer vermissten Mädchen ergibt.
      Motiviert konfrontiert er Chefredakteur und Polizeichef mit seinen Thesen, die jedoch nicht sonderlich Beachtung finden, man versucht zunächst ihn indirekt auszubremsen. Nach anonymen Hinweisen wird er Zeuge eines nächtlichen, gewalttätigen Einsatzes der Polizei gegen ein Zigeunerlager, sein Kollege stirbt bei einem zweifelhaften Unfall und er rutscht mitten hinein in einen Streit zweier regionaler Baulöwen. Und umso weiter Eddie vordringt, umso rigoroser werden die Eingriffe der Parteien, die etwas zu verbergen haben und das sind ziemlich viele, die hinter einer Mauer des Schweigens, des Bestechens und des Verbergens lauern.
      Im Krimijargon wird bei Romanen wie 1974 gerne der Begriff hardboiled verwendet, aber David Peace liefert mit den vier Teilen der Red-Riding-Serie (1974, 1977, 1980 & 1983) ein viel härteres Brot für den warmgespülten Wallander-Liebhaber als erwartet. Von Lektürebeginn an begleitet einen ein ungutes Gefühl und nach einiger Zeit ist ersichtlich warum, denn es gibt einfach keine positiven Charaktere; sie sind entweder versoffen oder korrupt oder brutal oder alles in einem. Auch Eddie Dunford bildet keine Ausnahme von der Norm; die meisten Menschen sind für ihn nur Mittel zum Zweck, aber er bewahrt sich zumindest etwas Gewissen bei seiner Aufdeckungsjagd.
      Das Buch ist ein nicht endender Alptraum aus Wahnsinn, Gewalt und Korruption, der einen lange im Ungewissen hält, ob es bei all dem gelesenen Grauen ein Happy End gibt. Vom Autor kann man keine Hilfe erwarten und darin besteht auch seine Kunst: dass in einem Gespinst aus Figuren und Nebenhandlungen die Spannung bis zum Schluss auf einem hohen Niveau gehalten wird. Der Roman überzeugt ebenso durch Peaces sprachliche Qualität, denn er prescht mit uns ohne Schnörkel und Schönfärberei durch die Handlung, sodass den Leser das Buch auch nach Beendigung nicht loslässt. Ein klasse Kriminalroman, der nur der Auftakt einer einzigartigen Krimireihe ist.

Björn Hauke