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SPECIAL zu »Ein Bulle im Zug« von Franz Dobler

Donner und Dobler

Franz Dobler im Gespräch

Franz Dobler ist nicht einfach nur irgendein Autor. Er hat seinen ganz eigenen Sound. Lässig reiht er eine große Szene an die nächste. Er ist ein scharfer Beobachter der Menschen und ihrer Lebensumstände. Er hat ein Herz für die Außenseiter der Gesellschaft und eine rauchende Wut auf alles Kleingeistige. Er ist ein Erzähler mit Haltung. Und weil es von dieser Sorte nicht allzu viele gibt, haben wir ihn gleich zweimal im Programm: Als Übersetzer des Jim-Thompson-Klassikers »Fürchte den Donner« und als Autor des Krimis »Ein Bulle im Zug«. Ein Interview.

Glückwunsch, lieber Franz. Dein Roman »Ein Bulle im Zug« wurde mit dem Deutschen Krimi Preis ausgezeichnet. Aber siehst du dich überhaupt als Krimi-Schriftsteller?
Franz Dobler: Eine Shortstory in meinem ersten Buch Falschspieler (1988) hieß Wie man Detektiv wird und handelte von einem Cop, der nicht länger Polizist sein will, weil er – ich hatte vermutlich eine Überdosis Mickey Spillane intus – gezwungen war, seine kriminelle Geliebte zu erschießen. Meine beiden ersten Romane sind verkappte Kriminalromane, das heißt, es gibt tatsächlich jeweils ein Verbrechen, dessen Klärung jedoch kaum eine Rolle spielt, und die Protagonisten sind bewaffnet. Und bei Bulle im Zug habe ich meinen Hang zum Crime-Genre endlich richtig ausgelebt. Trotzdem steht wieder nur »Roman« dabei – wahrscheinlich weil ich von dem Trend schockiert war, dass jetzt jeder, der mal einen Tatort gesehen hat, einen Krimi schreibt, und jeder, der seiner Mutti ein schönes Geschenk machen will, einen Heimatkrimi.

Der Protagonist des Romans, Kriminalhauptkommissar Fallner, wird für dienstunfähig erklärt, nachdem er einen jungen Kriminellen erschossen hat. Um Abstand zu gewinnen, begibt er sich auf eine ausgedehnte Zugreise quer durch Deutschland. Beim Lesen stellt man sich natürlich vor, dass du den Text ebenfalls im Zug geschrieben hast. Stimmt das?
Franz Dobler: Ich bin schon lange Zugfan und Vielfahrer, und für den Roman bin ich dann sozusagen auf jeden Zug aufgesprungen. Der Zug ist einer der letzten Versammlungsorte, an denen unterschiedlichste Menschen aufeinandertreffen, und literarisch gesehen fand ich es eine simple Methode, um viel und zugleich alltägliche Action herzustellen. Ich habe dabei einige Notizbücher vollgeschrieben, aber fast nie am Laptop richtig gearbeitet. Wenn man ernsthaft am Text arbeitet, kriegt man nicht mit, wenn am Nebentisch zwei Frauen darüber reden, wie man seinen Mann killt, ohne dass es nach Mord aussieht.

Wie genervt bist du bei Verspätungen? Das Schimpfen auf die Bahn ist ja mittlerweile Volkssport.
Franz Dobler: Gaaanz selten ein kleiiines bisschen. Im Gegenteil: Verspätungen erhöhen immer die Spannung, zumindest für den Beobachter. Habe allerdings noch nie einen Termin deswegen verpasst. Mir ist es (leider!) auch noch nie passiert, dass der Zug Stunden irgendwo herumsteht und keiner mehr rauskommt. Übrigens eine der wenigen Stellen im Buch, die ich erfinden musste.

An einer Stelle empfiehlt Fallner, die Leute sollten »sich nicht immer nur den üblichen Comedyscheiß reinziehen, sondern zum Beispiel mal Jim Thompson lesen«. Ein Appell, den du persönlich unterschreiben würdest?
Franz Dobler: Unbedingt. Und diese Stelle ist nicht nur ein kleiner Gag (weil ich zu dem Zeitpunkt schon wusste, dass ich Thompson übersetzen würde; siehe die nächsten Fragen), sondern es ging mir ja mit meiner Hauptperson Kommissar Fallner auch darum, zu zeigen, dass es natürlich Bullen gibt, die einen ähnlichen sozio-kulturellen Hintergrund haben wie ich. Fallner blafft Kollegen an, sie sollten sich quasi mit Thompson-Lektüre mal etwas anders weiterbilden. Weil man bei Thompson auch sehr viel lernen kann, über psychische u.a. Verstrickungen, den Unterschied zwischen anscheinend und scheinbar, kriminelle und bizarre Intelligenz. Ich glaube, ich habe auch irgendwo diesen Satz aus In die finstere Nacht zitiert: »Das Problem mit dem Töten ist, dass es so leichtfällt.« Fallner regt sich über naive und denkfaule Bullen auf, so wie ich mich über eine Flut von naiven und denkfaulen Schriftstellern aufrege.

Du hast für Heyne Hardcore den bislang nicht übersetzten Thompson-Klassiker »Fürchte den Donner« übersetzt. Für alle, die Thompson noch nicht kennen: Wie würdest du ihn mit einem Wort beschreiben?
Franz Dobler: Psychosexthriller.

Friedrich Ani schreibt in seinem Nachwort zu »Fürchte den Donner«, dass es Autoren von dieser Konsequenz auf dem Buchmarkt kaum mehr gibt. Siehst du das auch so? Und wenn ja – was könnte der Grund hierfür sein?
Franz Dobler: Nun, es gibt ja ihn! Und noch zwei Männer und drei Frauen. Ob´s an den Schreibschulen das Fach »Konsequenz« noch gibt, weiß ich jetzt nicht genau (ich habe nur das Gerücht gehört, dass sie das wegen der wahnsinnig hohen Durchfallquote abgeschafft haben).

Wenn du ein Buch übersetzt – ist es dann der Schriftsteller Franz Dobler, der am Werk ist, oder versuchst du dann, deinen Stil in den Dienst des jeweiligen Autors zu stellen (was für einen Autor sicher nicht einfach ist)?
Franz Dobler: Der Schriftsteller in mir (ist das nicht eine schöne Variante zu Thompsons Roman Der Mörder in mir!) ist ja unvermeidlich als Zwilling des Übersetzers dabei, aber ich habe dabei immer total dem Autor gedient. Allerdings habe ich bisher nur drei Werke aus dem Englischen übersetzt, und das waren Autoren, deren Stil von meinem nicht so weit weg ist und deren Bruder im Kopf/Soul ich wohl irgendwie bin (was ich für ziemlich wichtig halte) und deswegen auch als Übersetzer angefragt wurde. Sicher ist: es gibt für einen Schriftsteller kein besseres hartes Training.

Wenn man den Überlieferungen Glauben schenkt, dann war Jim Thompson jemand, der aus dem Bauch heraus unverstellt schrieb. Uns würde interessieren, wie du schreibst, was deine Inspirationen sind.
Franz Dobler: Ich finde, dass sich der Ausdruck »aus dem Bauch heraus« mit Schreiben nicht gut verträgt. Auch wenn jemand sehr schnell buchstäblich etwas raushaut. Jedenfalls mache ich keinen detaillierten Plan vor einem Buch, sondern versuche, in eine bestimmte Atmosphäre reinzukommen, einen Tonfall zu finden, mit meinen Leichen im Keller zu sprechen, Informationen zu sammeln und das Herz einer Story auszugraben und an die Wand unserer gesellschaftspolitischen Realität zu nageln. Für die Fortsetzung von Bulle im Zug, an der ich jetzt schreibe, gibt es eine Art Plot, besser gesagt ein Thema, aber ich habe noch keine Ahnung vom Ende. Ich mache beim Schreiben eine Menge Entdeckungen, ich beschäftige mich mit Sachen, von denen ich (zu) wenig weiß. Ich schreibe nicht auf ein Ende zu und ich will mich bis dahin nicht langweilen.