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SPECIAL zu Hannah Rothschild - "Die Launenhaftigkeit der Liebe" - DVA

Drei Fragen an Hannah Rothschild

Wie lange haben Sie an diesem Buch gearbeitet?

Ich habe schon vor Jahren mit der Arbeit an dem Roman begonnen, ließ den Text aber immer wieder in einer Schublade verschwinden. Die Kunstwelt ist voller faszinierender Charaktere und unglaublicher Geschichten über List und Tücke, Reichtum und Ruhm in der Vergangenheit wie in der Gegenwart. So stellte sich vor allem die Frage, was ich aufnehmen und was ich weglassen sollte, um der Materialfülle Herr zu werden. Einer der Gründe, warum ich mich für ein bestimmtes Gemälde und nicht für eine Serie zu einem bestimmten Motiv oder gar für ein ganzes Genre entschieden habe, war, dass ich einen schmalen Pfad durch diesen Dschungel bahnen wollte.

Warum haben Sie sich für ein Gemälde von Watteau entschieden? Mussten Sie viel recherchieren?

Das Gemälde Die Launenhaftigkeit der Liebe, ein fiktives Werk des real existierenden Künstlers Antoine Watteau, gab vor, welche Art von Charakteren die Geschichte bevölkern würden – zu den französischen alten Meistern passen nur gewisse Typen. Wenn ich mich für ein Werk von Monet, Sigmar Polke oder Tracy Emin entschieden hätte, wären die Menschen, die es umgeben, völlig andere gewesen. Da ich mich beruflich schon mit ganz verschiedenen Aspekten der Kunst und des Kunsthandels beschäftigt habe, fühlte es sich für mich sehr vertraut an, auch fiktiv darüber zu schreiben. Trotzdem schien es mir vernünftig, einen Künstler wie Antoine Watteau auszusuchen, über den nur sehr wenig bekannt ist. Tizian oder Picasso wären eine viel größere Herausforderung gewesen, da man über ihr Leben einiges weiß und auch schon viel über sie geschrieben wurde.
Ich wurde auf Watteau aufmerksam, als ich ein Gemälde von Lucian Freud sah, das den Titel trägt Large Interior W11 (after Watteau). Dieses Werk ist inspiriert von der Darstellung einer Fête galante von Watteau. Bis dahin hielt ich den französischen Künstler lediglich für einen Maler, der sein Handwerk verstand, und gern höfische Szenen zeigte. Doch als ich Lucian Freuds zeitgenössische Umsetzung sah, erkannte ich, wie viel Spannung und Intrigen Watteaus Werke widerspiegeln.
Als ich mehr über den Menschen Watteau herausfand, überraschte es mich, dass ein solcher Einzelgänger so fröhliche Momentaufnahmen malen konnte. Wie die junge Frau in meinem Roman faszinierte er mich immer mehr, und ich studierte seine Werke im British Museum, im Louvre, in Sanssouci und an anderen Orten.
Diese Recherche über Watteau war jedoch noch vergleichsweise einfach – schwieriger war es für mich, bei der Arbeit an dem Roman etwas darüber zu erfahren, welche Rolle das Essen im höfischen Leben des 18. Jahrhunderts spielte. Ich habe Stunden damit zugebracht, Rezeptbücher zu wälzen, und sogar versucht, im Stil der Gerichte am Hof Ludwigs des XIV. zu kochen – allerdings mit wenig Erfolg …

Was hat Sie zu diesem Roman inspiriert?

Die Idee zu dem Buch kam mir während eines Besuchs der National Gallery, bei dem ich ein Gemälde mit einer besonders interessanten Vergangenheit sah. Ich wünschte mir so sehr, alles über seine Geschichte zu erfahren, über die vielen Ereignisse und Affären, die es bezeugt hatte. Ich fragte mich: Was würde uns dieses Bild erzählen, wenn es sprechen könnte? Das wurde zum Grundstein meines Romans.
Ich habe immer schon Antiquitätenläden und Flohmärkte durchforstet in der Hoffnung, ein verloren gegangenes Meisterwerk zu entdecken. Für die BBC habe ich eine Serie mit dem Titel The Great Picture Chase („Die große Bilderjagd“) produziert, bei der ich zum Beispiel Joan Collins auf einem Pariser Flohmarkt nach einem Meisterwerk suchen ließ. Glücklicherweise war ihr damaliger Freund ein begabter Kunsthändler, sodass sie ein ordentliches Gemälde ergattert hat.
Ich sammle selbst nicht wirklich ernsthaft Kunst, abgesehen von dem einen oder anderen Werk eines Freundes und manchem Spontankauf. Als ich noch in der Schule war, habe ich einmal für vier Pfund ein Bild gekauft, von dem ich mir sicher war, dass es sich um eine Rembrandt-Skizze handelte. Später stellte sich heraus, dass sie nur eine gut gemachte Kopie war – also doch kein Schnäppchen … Aber ich mag sie trotzdem und habe sie bei mir zu Hause aufgehängt.
Während des Zweiten Weltkriegs raubten die Nazis mehr Kunstwerke von den Rothschilds als von irgendeiner anderen Familie. Manche wurden später zurückgegeben, aber viele sind noch verschollen. Wenn ein verloren geglaubtes Werk wiederauftaucht, ist unsere Freude riesengroß. Folglich ist es wenig erstaunlich, dass die Raubkunst der Nazis schon immer eine große Faszination auf mich ausgeübt hat.
Anfang der Neunziger arbeitete ich an einer BBC-Fernsehserie mit dem Titel Relative Values („Relative Werte“), in der es darum ging, was Kunst für bestimmte Individuen und Gesellschaften bedeutet. Wir zeigten, was Einzelpersonen, Länder, Händler, Sammler und Kenner an Kunst schätzten. Viele Einsichten meines Romans stammen aus der Arbeit an dieser Serie.
Ich interessiere mich sehr für die verschiedenen Strömungen und Moden in der Kunst – zu einer gewissen Zeit, zum Beispiel, war ein Watteau unglaublich viel wert, und dann, ungefähr zehn Jahre später, geriet sein Werk in Vergessenheit, und es war quasi unmöglich, etwas von ihm zu verkaufen. Nur sehr wenige Bilder halten ihren Wert über die Zeiten hinweg.
Ist es heutzutage möglich, ein Kunstwerk zu betrachten, ohne über seinen Wert nachzudenken? Es ist doch faszinierend, dass etwas mit so einem geringen Materialwert – ein mit Ölfarbe bedecktes Stück Leinwand – Abermillionen von Pfund einspielen kann.

(Quelle: Bloomsbury Verlag, gekürzt und übersetzt von Karin Kirchhof)

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