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SPECIAL zu Lisa See

Interview mit Lisa See

Ihrem Roman »Eine himmlische Liebe« liegt eine wahre Geschichte zugrunde, die sich um eine umstrittene Oper mit dem Titel »Der Päonienpavillon« dreht. Worum geht es?

»Eine himmlische Liebe« basiert auf der wahren Geschichte dreier Frauen im China des 17. Jahrhunderts. Sie waren nacheinander mit demselben Mann verheiratet. Diese drei Frauen schrieben das weltweit erste Buch seiner Art, ein literaturkritisches Werk, und zwar über die berüchtigte Oper »Der Päonienpavillon«, in der es um verbotene Liebe geht. Damals durften Frauen in China die Oper lesen, aber sie durften nicht bei einer Aufführung zugegen sein. Mädchen, die diesen Text lasen, wurden liebeskrank, siechten dahin und starben, genau wie die Hauptfigur in der Oper. In meinem Roman bin ich dem gefolgt, was die drei Ehefrauen im echten Leben erlebt haben.

Warum haben wir noch nie von den drei Ehefrauen gehört? Sie haben das erste literaturkritische Werk der Welt geschrieben, und wir haben keine Ahnung davon. Wie ist das möglich?

Bei den Recherchen für meinen letzten Roman »Der Seidenfächer« stieß ich auf die Geschichte der drei Ehefrauen und damit auf dieses ganze Phänomen der vielen schreibenden Frauen zu dieser Zeit. Ich fragte mich immer wieder: Wie kann es sein, dass es so viele weibliche Autorinnen gab und ich nichts von ihnen wusste, warum wissen wir alle nichts über sie? Offenbar handelte es sich um ein weiteres Stück Frauengeschichte, das verloren, vergessen oder verheimlicht worden war. Erst vor kurzem verzögerte sich die Inszenierung des Lincoln Center, als die chinesische Regierung merkte, dass zuvor zensierte Teile der Oper mit aufgeführt werden sollten. »Der Päonienpavillon«, der eine Liebesaffäre zwischen einem unverheirateten Paar sowie Kritik an der Regierung enthält, war der erste literarische Text in der Geschichte Chinas, in dem die Heldin, ein sechzehnjähriges Mädchen, selbst über ihr Schicksal bestimmt. Die Verschiebung der Lincoln-Center-Inszenierung beweist: Je mehr sich die Dinge verändern, desto mehr bleiben sie gleich. Der Kommentar der Ehefrauen wurde 300 Jahre lang immer wieder nachgedruckt. Das ist eine erstaunliche Leistung, aber dieses wichtige Werk wurde vergessen oder absichtlich verschwiegen.

Wie viel mussten Sie für »Eine himmlische Liebe« recherchieren? Sind Sie noch einmal nach China gereist oder war es leicht, über diese historische Periode etwas herauszufinden?

Ich bin fanatisch, was Recherchen betrifft. Ich liebe das. Ich habe alles über die drei Ehefrauen gelesen, was ich in die Finger bekam, und ich habe mich mit den führenden Experten auf dem Gebiet der chinesischen Frauengeschichte unterhalten. Das Tollste war, als mir eine der Wissenschaftlerinnen die Photokopie einer Ausgabe des »Kommentars der drei Ehefrauen« aus dem 17. Jahrhundert geschickt hat, die einem Privatsammler gehört. Auch meine Suche nach Berichten aus erster Hand über die Invasion der Mandschu in Yangzhou war erfolgreich. Diese wahren Geschichten zeugen von entsetzlichem Leid, aber ich verwendete sie, um zu erzählen, was Mudans Mutter und ihrer Familie zustieß. Die kleinen Details, die man in der Wahrheit findet, sind viel, viel schmerzvoller und grausamer als alles, was ich mir hätte ausdenken können. Ich forschte nach Zaubersprüchen, Traditionen und Heilmitteln, die in diese Zeit und an diesen Ort in China passten. Ich habe jeden Ort besucht, über den ich schrieb. Hangzhou wird heute noch als die romantischste Stadt Chinas betrachtet. Ich hätte diesen Roman nicht schreiben können, ohne einige Zeit in Hangzhou und in der Umgebung verbracht zu haben.

Geschichte und Recherche sind ganz offensichtlich wichtig für Ihre Romane. Was sollen Ihre Leser lernen, wenn sie »Eine himmlische Liebe« lesen?

Zunächst einmal hoffe ich, dass die Leser dasselbe empfinden wie ich, als ich zum ersten Mal den drei Ehefrauen und all den Schriftstellerinnen im China des 17. Jahrhunderts begegnet bin: Das ist doch wirklich unglaublich! Wir hören so häufig, dass es in der Vergangenheit keine Schriftstellerinnen, keine Künstlerinnen, keine Köchinnen etc. gab. Aber es gab sie doch! Nur ihre Geschichten gingen verloren, wurden vergessen oder absichtlich vertuscht. Die Frauen von heute haben es sehr gut, aber wir konnten nur so weit kommen wegen all der Leiden, des Scheiterns, der Tragödien und der Triumphe der Frauen, die vor uns da waren. Wir sollten uns freuen an ihren Werken. Gleichzeitig glaube ich, dass unser Leben gar nicht so weit weg ist von ihrem. Wir – und damit meine ich Männer und Frauen – wollen – müssen – gehört werden. »Eine himmlische Liebe« handelt davon, was ein Mensch alles erträgt, nur um gehört zu werden.