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Hannah Richell: Geheimnis der Gezeiten, Das Jahr der Schatten

SPECIAL zu Hannah Richell: »Das Jahr der Schatten« & »Geheimnis der Gezeiten«

Die Landschaft aus GEHEIMNIS der GEZEITEN

Ein Streifzug mit Hannah Richell durch ihre Heimat Dorset

© Mark Rusher
Als Kind habe ich mich auf dem Land mit am wohlsten gefühlt, wenn ich mit unseren beiden Hunden durch Felder und Wälder getollt bin. Ein perfekter Moment für Tagträume. Dieses Foto fasst die vielen Spaziergänge, die ich als Kind gemacht habe, perfekt zusammen. Ich kann förmlich hören, wie meine Gummistiefel über den schlammigen Weg schmatzen, und der hölzerne Zaunübertritt knarrend protestiert, als ich mich daran hochziehe, um mit einem Sprung auf der anderen Seite der Weide zu landen. Ich liebe diese Zaunübertritte, sie sind so etwas typisch Englisches, ja eine regelrechte Aufforderung, weiterzumarschieren, die Gegend zu erkunden, nicht innezuhalten.
© Mark Rusher

Als Richard Helen zum ersten Mal nach Clifftops mitnimmt, macht er mit ihr einen Spaziergang zum stürmischen Golden Cap. Dabei könnten sie an diesem Wegweiser vorbeigekommen sein.

»Die Klippe, die du vor uns sehen kannst, ist der höchste Punkt der Südküste Englands. Sie hat ihren Namen vom gelben Sandstein des Gipfels. Ich habe darin immer eine Art goldene Krone gesehen.« Helen starrte auf den kahlen Fleck, der die Klippe krönte. Im trüben Licht des bedeckten Himmels wirkte es nicht golden, sondern eher schmuddelig und senffarben. Richard schien Gedanken lesen zu können. »An einem Sonnentag sieht es eindrucksvoller aus. Von dort hat man eine tolle Aussicht. Der Weg ist es wert, das verspreche ich dir.«

Sehen Sie es, dort in der Ferne, von Nebelschwaden umgeben? Das ist das Golden Cap. In jedem Dorseturlaub bin ich mit meiner Familie hinaufgelaufen, und obwohl der Weg zum Gipfel ganz schön anstrengend ist, ist die Aussicht einfach spektakulär. An einem klaren, sonnigen Tag funkelt das Meer tiefblau, die Felder und Klippen der Umgebung sind von einem umwerfenden Grün. Man kann meilenweit sehen, bis nach Dartmoor. Ist es bedeckt und windig, hat man beinahe den Eindruck, man würde dort oben mit den Möwen fliegen.
© Mark Rusher

Das ist der Strand von Seatown an einem besonders nassen, windgepeitschten Tag. Genau so muss Helen den fiktiven Strand von Summertown erlebt haben, als sie mit Richard zum ersten Mal dorthinkam – ganz und gar verlassen, bis auf zwei umgedrehte Fischerboote.
© Mark Rusher

Richard hatte auf einen romantischen Strandspaziergang gehofft, aber das bleifarbene Meer brandete an den Kiesstrand und ein unangenehmer Wind umtoste sie, zerrte an ihren Mänteln. Fröstelnd stolperten sie die Küste entlang, bis sie beide klein beigaben und mit eingezogenen Köpfen zum Wagen eilten. »Na, das war ja ein voller Erfolg«, scherzte Richard und drehte die Autoheizung auf. »Es gibt wirklich nichts Schöneres als einen englischen Frühling.«

© Mark Rusher

Im Sommer sieht es dort natürlich ganz anders aus, dann drängen sich hier Familien und Urlauber, und in der schmalen Allee, die zur Küste hinunterführt, stauen sich die Autos und Wohnwagen. Die grünen Felder im Hintergrund sind voller ordentlich geparkter Autos, deren Kühlerhauben in der Sonne funkeln.

Es ist der Strand von Seatown, der mich zu den Ereignissen an jenem tragischen Sommertag inspiriert hat, die das Leben der Tides unwiderruflich verändern. Ich habe mir immer vorgestellt, dass die Felsenhöhle irgendwo hinter den Klippen am Ende des Strands liegt.



Diese alte Kirchenruine in der Gemeinde Stanton St. Gabriel am windgepeitschten Hang des Golden Cap hat mich zu der Szene inspiriert, in der Dora auf das Grab ihrer Großeltern stößt. Einer Legende nach soll die Kirche, nachdem sie im 19. Jahrhundert aufgegeben wurde, als Lagerraum für Schmuggler gedient haben. Heute steht das Ensemble unter Denkmalschutz und ist auf jeden Fall einen Besuch wert. In dieser Gegend spürt man die Geister der Vergangenheit ebenso wie den Atem der Geschichte.
© Mark Rusher
© Mark Rusher

Als Kind habe ich mich an jedem Strandtag in Dorset gefühlt wie auf Schatzsuche. Mein Großvater hat uns ermuntert, die Gezeitentümpel nach Muscheln abzusuchen, und meine Geschwister und ich haben jedes Mal gehofft, ein besonderes Fossil unter den Millionen von Kieseln zu finden. Wenn wir nicht gerade auf der Suche nach neuen Kostbarkeiten waren, haben wir oft Steine übers Wasser hüpfen oder Stöckchen schwimmen lassen.


© Mark Rusher


In Lyme Regis sehen sogar die Laternenmasten aus wie Fossilien, und ich bin mir sicher, dass diese Bank an einem wärmeren Tag äußerst einladend aussieht – sie ist wie dafür gemacht, sich hinzusetzen und heiße, salzige in Zeitung eingewickelte Fish & Chips zu essen.



Auf mich wirkt die Küste von Dorset mit ihren Extremen und Kontrasten wie ein sich ständig veränderndes Landschaftsbild. An einem Sonnentag wimmelt es hier nur so von Leben, Lärm und leuchtenden Farben. Unter einem stürmischen Himmel ist sie heftig, wild, und unberechenbar. Diese Fischerboote zum Beispiel: Normalerweise würden sie auf dem Wasser schaukeln und die Fischer würden vielleicht gerade die Netze einholen. Aber wenn sie bei Unwetter an Land gezogen werden, wirken sie gespenstisch-melancholisch. Diese wechselnden Stimmungen und Farbschattierungen machen Dorsets Küste zu einer perfekten Kulisse für die Geschichte der Familie Tide.
© Mark Rusher
In so einer Regen durchnässten Gasse wie dieser in Bridport habe ich Tobias Greys Atelier und Galerie angesiedelt. Hier könnte Helen wütend hineinstolpern, um sich vor dem Unwetter in Sicherheit zu bringen – nur um sich bald darauf in ganz anderen Tumulten wiederzufinden.
© Mark Rusher
Dieses Foto habe ich auf meiner letzten Dorsetreise gemacht, bevor ich 2005 mit meinem Freund Matt nach Australien ausgewandert bin. Die Gegend bedeutet mir so viel, dass ich sie ihm vor der Abreise noch unbedingt zeigen wollte. An einem sonnigen Tag sind die Kreidefelsen der Küste gleißend weiß, während sich das Meer endlos weit erstreckt und in den Himmel übergeht.
© Mark Rusher
© Mark Rusher
Das bin ich im Jahr 2005, beim Auffrischen alter Erinnerungen im Gastgarten des Anchor Inn in Seatown. Dort war es immer herrlich, außerdem ist es einer der Orte, wo wir Kinder Cola trinken (und zwar direkt aus der Flasche!) und jede Menge Chips essen durften – allerdings nie ohne die Warnung: Verderbt euch nicht den Appetit aufs Mittagessen! Da ich beim Schreiben von Geheimnis der Gezeiten keinen Zugang zu alten Familienfotos hatte, habe ich mir öfter diese neueren Fotos angesehen – sie haben mir geholfen, mich dorthin zurückzuversetzen und die damit verbundenen Gefühle wachzurufen. Erst jetzt, wo ich miterlebe, wie mein Roman um die Welt geht, und meine eigenen Kinder groß werden, beginne ich zu begreifen, wie stark Kindheitserinnerungen sein können.



Hannah Richell
im Juli 2012


Herzlichen Dank an Orion und Mark Rusher für die freundliche Genehmigung der Nutzung des Materials und der Fotos.

Geheimnis der Gezeiten

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