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Ausgezeichnet mit dem Leipziger Buchpreis 2014: Saša Stanišić über »Vor dem Fest«

„Das Thema sucht mich“

Saša Stanišić
© Magnus Terhorst
Er gilt als Shootingstar der deutschen Literaturszene und hat schon einige wichtige Auszeichnungen gewonnen: Saša Stanišić. Gerade erst hat er den Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie „Belletristik“ für seinen Roman „Vor dem Fest“ erhalten. Besonders daran ist vor allem, dass das Buch erst Stanišićs zweites Werk ist.

Vier Jahre hat der Luchterhand-Autor Saša Stanišić sich für seinen neuen Roman Zeit gelassen, ganze acht Jahre sind vergangen, seit sein Debütroman „Wie der Soldat das Grammofon reparierte“ erschienen ist. „Ich suche nicht nach einem Thema, sondern das Thema sucht mich“, erklärt er und fügt lachend hinzu, er schreibe auch einfach sehr langsam. Überhaupt wirkt er sehr ehrlich und bodenständig, ganz ohne irgendwelche Attitüden, und nicht wie jemand, dessen Roman gerade fast ausnahmslos gute Kritiken einhält. Das mag auch daran liegen, dass Saša Stanišić eine sehr klare Vorstellung von seiner Arbeit und von seiner Rolle hat: „Ich bin für eine bestimmte Zeit Schriftsteller, habe aber auch noch ein Leben neben dem Schreiben, ein Leben, das ich sehr mag.“
In „Vor dem Fest“ erzählt Saša Stanišić über die Nacht vor einem Fest in dem Dorf Fürstenfelde in der Uckermark. Das Dorf ist ein fiktiver Ort. „Ich hatte ein genaues Bild davon, wie das Dorf aussehen sollte“, so der 35-jährige. Irgendwann fand er das Dorf und fing langsam damit an, sich mit dem Ort und den Menschen vertraut zu machen. „Das war nicht immer einfach. „Sobald die Leute hörten, dass ich ein Buch schreiben wollte, das in der Uckermark spielen würde, dachten sie, ich wolle über die DDR oder Nazis schreiben.“ Dabei ist es ein Zufall, dass die DDR in „Vor dem Fest“ Thema ist. „Das liegt nur daran, dass Fürstenfelde in der Uckermark liegt. Es hätte aber genauso gut in Bayern liegen können.“

Irgendwann kam Saša Stanišić aber doch mit den Menschen vor Ort ins Gespräch. Diesen Gesprächen verdanken die Charaktere ihre Besonderheiten, ihre skurrilen Züge. Da ist zum Beispiel Herr Schramm, ehemaliger Oberleutnant der NVA, dann Förster, jetzt Rentner und Aushilfskraft in einer Maschinenfabrik. Oder Frau Kranz, passionierte Malerin, die seit vielen Jahren die Chronik der Stadt anhand von Ölbildern malt. An ihr habe er gemerkt, so Stanišić, dass das Thema Flucht ihn nicht loslasse. 1976 im bosnischen Višegrad geboren, musste er in jungen Jahren mit seinen Eltern vor dem Krieg in Bosnien fliehen, so kam er nach Deutschland. Heute fährt Saša Stanišić ungefähr einmal im Jahr nach Bosnien. Auf die Frage, ob er eine große Sehnsucht nach seinem Heimatland empfinde, antwortet er: „Ich weiß, dass bei vielen mit dem Alter die Sehnsucht nach der Vergangenheit größer wird, bei mir ist das nicht so. Ich bin gerne in Bosnien, aber das hängt vor allem mit den Menschen zusammen, die ich dort treffe, und weniger mit dem Land an sich.“

In Bosnien habe er sich auch zum ersten Mal intensiv mit den strukturellen Problemen und der zunehmenden Abwanderung junger Menschen beschäftigt. „In meiner Heimatstadt herrscht eine hohe Arbeitslosigkeit, ganze Landstriche werden alt, und die Jugend geht weg.“ Diese Problematik mache ihm Sorgen, und darum setze er sich damit auseinander.
Die Flucht und das Leben in dem bis dato unbekannten Land sowie den Jugoslawienkrieg behandelte Saša Stanišić in seinem Debütroman „Wie der Soldat das Grammofon reparierte“. Er erzählt die Geschichte des jungen Aleksandar, der mit seinen Eltern vor dem Bürgerkrieg in Bosnien nach Deutschland flieht und seine ersten Eindrücke von der neuen Heimat sowie verschiedene, teils skurrile Begebenheiten in seiner Heimatstadt Višegrad beschreibt. Das Buch war sehr erfolgreich, wurde unter anderem mit dem Adelbert-von-Chamisso-Preis ausgezeichnet und mittlerweile in mehr als 30 Sprachen übersetzt. Die Parallelen zum Autor sind offensichtlich. Hat Saša Stanišić in seiner Kindheit viel mit seinen Eltern über die Flucht gesprochen? „Nein, eigentlich wurde das Thema erst zu einem Thema, als ich die Recherche für das Buch begonnen habe“, sagt Stanišić etwas nachdenklich und fügt hinzu: „Ich glaube, wir hatten vorher einfach keine Sprache dafür.“
Eine Sprache hat Saša Stanišić mittlerweile offensichtlich gefunden – und zwar eine ganz wunderbare. „Ein Roman als furioser Chorgesang in Prosa“ begründete die Jury des Leipziger Buchpreises ihre Entscheidung. Der Hörverlag hat jetzt auch das Hörbuch zu „Vor dem Fest“ veröffentlicht, gelesen vom Autor selbst. „Was für ein Erzähler, aber auch: was für ein Vorleser“, heißt es darüber bei Deutschlandradio Kultur. Saša Stanišić freut sich über all das Lob und die Auszeichnung mit dem wichtigen Leipziger Buchpreis. Die gewonnene Summe von 15.000 Euro sei für ihn nun eine Sicherheit zum Weiterschreiben, sagte er in seiner Dankesrede. „Da muss ich nicht weiter über Brotjobs nachdenken.“

© BeNet, Gütersloh 2014

Vor dem Fest

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