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SPECIAL zu Sophie Andresky

"Bei mir geht nicht das Licht aus, wenn die Hüllen fallen"

Sophie Andresky, geboren 1973, wurde mit ihren Kurzgeschichtenbänden und dem Roman »Vögelfrei« zur erfolgreichsten Porno-Autorin Deutschlands. Ihre Artikel erschienen in zahlreichen Magazinen, derzeit ist sie Kolumnistin beim Penthouse-Magazin und bei www.joyclub.de. Mehr zur Autorin auch unter www.sophie-andresky.de

Interview mit Sophie Andresky

Wie würden Sie Ihr eigenes Genre bezeichnen, Liebe, Erotik, Porno?
Sophie Andresky: Das, was ich schreibe, ist im Prinzip feministische Pornografie (und nein: das ist kein Widerspruch!), wobei der neue Roman „Fuck your friends“ fast eine eigene Gattung ist, die ich als „romantic Porn“ bezeichnen würde. Es gibt darin sehr viele, sehr explizite, masturbationstaugliche Sexszenen, bei denen VerbalerotikerInnen sicherlich auf ihre Kosten kommen, aber sie sind darüber hinaus verbunden durch eine emotionale, dramatische Handlung. Die vier Hauptfiguren des Buches sind echte Menschen mit Wünschen, Bedürfnissen, Unzulänglichkeiten und einer eigenen Biographie, Menschen, die sich entwickeln und scheitern oder über sich hinauswachsen. Ihre Liebe zueinander ist kein unverbindliches Swingen, sondern eine Beziehung, die weit darüber hinausgeht. Der Unterschied zum herkömmlichen Liebesroman liegt darin, dass ich nicht abblende. Bei mir geht nicht das Licht aus, wenn die Hüllen fallen – und die fallen oft.

Wo liegt der Unterschied zwischen Pornofilmen und erotischer Literatur?
Sophie Andresky: Pornofilme kann man nur konsumieren, sie lassen sich im Kopf kaum verändern. Die oft sehr stereotypen Bilder überlagern die eigenen Phantasien bzw. lassen die erst gar nicht entstehen. Beim Lesen gestaltet man die Szenen mit, man kann hin- und herswitchen zwischen den einzelnen Figuren, Einstellungen ausschmücken oder andere weglassen. Ein Buch verändert sich mit seiner Leserin. Wenn ich eine Geschichte mit 15 lese und dann noch einmal mit 50 ist das ein ganz anderer Text. Und manchmal ist viel mehr von einem selbst in der Erinnerung als wirklich gedruckt dasteht. Ich erinnere mich an eine Szene, die ich als Jugendliche unglaublich heiß fand. Da schreitet eine Frau nur mit einem Bademantel bekleidet eine Treppe hinunter. Unten stehen ihr Freund und ein fremder Mann. Und ihr Freund zieht den Gürtel ihres Bademantels auf und entblößt sie vor dem Fremden. Das fand ich gleichzeitig schockierend und erregend. In meiner Erinnerung war das eine große, seitenlange, hochpornografische Szene. Aber als ich das Buch neulich noch einmal zufällig fand und diese Stelle suchte, waren das nur zwei Sätze. Und der Gürtel des Bademantels lockert sich nur etwas, von aufziehen, zur Schau stellen usw. war da überhaupt nicht die Rede. Das ist die Magie von Büchern.

In den zahlreichen Pressestimmen, die es zu Ihren Büchern gibt, wird immer wieder Ihre offene Sprache gelobt. „Die Frau redet Tacheles“, sie hat „einen geilen Ton am Leib“ – ja sogar das Wort „Ausnahmeerscheinung“ fällt. Was machen Sie anders als andere Erotik-Autoren?
Sophie Andresky: Ich verstecke mich nicht hinter irgendwelchen Chiffren, bei denen schon jeder wissen wird, was gemeint wird, ich benenne Körperteile und Handlungen. Und ich führe da keinen Kreuzzug für erotische Völkerverständigung, ich habe überhaupt keinen pädagogischen Ansatz, sondern ich habe Spaß dabei, es macht mich an, wenn ich Sexszenen schreibe, und ich glaube, das merkt man. Ich bin selbst eine Verbalerotikerin, ich möchte diese ganzen schlimmen, dreckigen, säuischen Wörter sagen und hören. Beim Sex ist das schön und beim Schreiben und Lesen auch. Außerdem sehe ich Sex auch nicht so bierernst. Wenn etwas absurd oder bizarr ist, dann darf man sich darüber auch lustig machen, finde ich. Wenn mir beim Schreiben eine Pointe begegnet, dann denke ich immer: gut, jetzt steht der Bulle da, jetzt reite ich ihn auch. Und die Dinge, die sich da zwischen Männlein und Weiblein abspielen, die Balzrituale, das Gegockel und Gegacker, das hat doch sehr komische Seiten.

Woher nehmen Sie Ihre Ideen, was inspiriert Sie?
Sophie Andresky: Ich habe eine ausufernde verdorbene Phantasie, die sofort anspringt, wenn mir irgendetwas oder –jemand auffällt. Das kann ein attraktiver Mann sein oder das dünne Sommerkleid einer Frau, eine Bewegung, ein Gesichtsausdruck, ein Wort, das mich anmacht, ein Lied im Radio, eine Situation oder eine Zeitungsmeldung, eigene Wünsche oder auch etwas, das ich tatsächlich erlebt habe. Ich bin ständig in diesem und-was-geschah-dann-Modus einer Märchenerzählerin. Das Gehirn ist das größte Lustorgan, das wir haben, und meins ist geradezu nymphoman, es will immer mehr Stoff, mehr Erregung und immer mehr Geschichten. Andere haben ein Second Life, ich habe zig parallele Leben in meinem Kopf. Das ist manchmal ganz schön schizophren, aber immer sehr lustvoll.

In Ihrem neuen Roman „Fuck your Friends“ geht es um zwei Paare, die von einem Leben zu viert träumen. Was ist so attraktiv an dieser Idee? Ist es zu zweit nicht schon kompliziert genug?
Sophie Andresky: Kein Partner ist vollkommen, er kann noch so perfekt sein, irgendwo gibt es eine Leerstelle, etwas, das er nicht befriedigen oder ausfüllen kann. Und die Idee ist doch verführerisch, dass man solche Punkte mit einem anderen Partner ergänzt. Es geht dabei nicht nur um den anderen, sondern auch um mich selbst. Ich bin mit dem einen Mann vielleicht die anschmiegsame, rücksichtsvolle Partnerin und mit dem anderen eine ungezügelte, gierige Jägerin. Vier Menschen, die sich lieben, die miteinander in Beziehung stehen, sind für eine Erotikautorin natürlich auch eine Traumbesetzung, denn man hat unendlich viele Konstellationen und Kombinationsmöglichkeiten, und alles ist hochemotional. Die Spielarten potenzieren sich, die Konflikte auch. Die Figuren spiegeln sich in einander und das schraubt die Intensität immer höher. Dass es am Ende krachen muss, war von Anfang an klar, denn vier Leute, die sich dolle lieb haben und friedlich miteinander Radieschen züchten, sind zwar vielleicht nett, aber keine spannende Geschichte.

Sie gelten als eine Autorin, die erotische Literatur für Frauen schreibt. Wenn man die Cover Ihrer Romane sieht, gewinnt man den Eindruck, dass aber durchaus auch Männer angesprochen werden sollen. Werden Ihre Bücher eher von Frauen oder eher von Männern gelesen?
Sophie Andresky: Von beiden hoffe ich. Männer müssen bei mir einiges einstecken, sie sind nicht die unbesiegbaren Superhelden, die immer entscheiden, wo's langgeht. It's not a man's world. Bei mir gibt es durchgehend die weibliche Perspektive. Aber das ist für Männer vielleicht auch ganz interessant, mal zu lesen, wie Frauen das ganze Getümmel unterm Laken eigentlich sehen und empfinden. Männer grübeln doch immer „Was will das Weib?“ Da könnte man(n) ja einfach mal fragen – oder eben meine Bücher lesen.

Wie sieht denn der Alltag einer Verbalerotikerin aus? Haben Sie die entsprechenden Szenen im Buch selbst durchgeturnt oder wie recherchieren Sie?
Sophie Andresky: Manches recherchiere ich im Selbstversuch. Vor allem, wenn ich mich frage, wie sich etwas wohl anfühlt. Für Fuck your friends war ich zum Beispiel erstmals bei einer Depiladora und habe mir den Intimbereich waxen lassen. Das war lehrreich – und schmerzhaft! Aber seitdem weiß ich: Sex ist nackig untenrum einfach besser. Von der Recherche hatte ich privat also auch etwas. Bei inhaltlichen Fragen suche ich mir gern Fachmänner und -frauen. Hyper, einer der Hauptfiguren, arbeitet als Pyrotechniker, den Job habe ich mir genau erklären lassen und das fertige Manuskript wurde von der Feuerwerksfirma auch noch einmal auf Richtigkeit gegengelesen. Ich hasse es, wenn in einem Roman sachliche Fehler drin sind, deshalb bin ich da lieber etwas zu pingelig.

Wenn man Ihre Romane liest hat man den Eindruck, dass es keine Tabus gibt. Ist das richtig?
Sophie Andresky: Ich lehne jede Art von Zwang ab. Köperlichen natürlich, aber auch die subtileren Formen. Deshalb wird man so etwas in meinen Geschichten auch nie finden, das ist für mich tabu. Niemand MUSS auf sexuellem Gebiet irgendetwas tun oder gut finden. Das predige ich ja immer wieder. Jeder hat seine eigenen Vorlieben, und wenn alle Beteiligten einverstanden sind, ist jede dieser Vorlieben okay. Wer bin ich, dass ich irgendjemandem erzähle, was normal oder richtig ist?

Was möchten Sie mit Ihren Büchern erreichen? Wünschen Sie sich etwas von Ihren Lesern?
Sophie Andresky: Wenn mir LeserInnen schreiben, dass sie sich freier fühlen, seitdem sie meine Bücher lesen, dass sie selbstbewusster zu dem stehen, was sie sich sexuell wünschen und weniger Hemmungen haben, das auch auszusprechen, dann ist das ein Riesenkompliment für mich, das freut mich wirklich sehr. Was ich gern erreichen würde, aber das ist zugegebenermaßen ein Riesen-Projekt, ist, dass sich die öffentliche Meinung zu Sexualität und Pornografie etwas entspannt. Nur weil es so wahnsinnig viel unteriridisch schlechte Pornografie gibt, heißt das nicht, dass man sie generell abschaffen muss. Und Sex ist ganz bestimmt nichts Böses, Frauenfeindliches oder Jugendverderbendes. Schlimm und destruktiv ist nicht Sex und Lust, sondern Zwang und Gewalt, Verachtung und Angst. Ich schließe mich da durchaus den Hippies und 68ern an: Make love, not war!

Hörprobe

Sophie Andresky liest aus ihrem Roman »Fuck your Friends«

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