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Special zu David Stubbs - »Better Call Saul«

Willkommen, Gesetzesbrecher!

Saul Goodman ist Alburquerques bekanntester und – sagen wir mal – beliebtester Anwalt. Seine Mandanten mögen nicht immer die weißesten Westen haben, aber mal ehrlich: Wer will schon ein Beruf ohne Herausforderungen? Anwaltskollege Rainer Dresen porträtiert für uns den führenden Experten für Schlupflöcher im Rechtssystem.

In der achten Folge der zweiten Staffel von Breaking Bad ist es endlich soweit: Walter White braucht einen Anwalt. Der ehemalige Berufsschullehrer hat bekanntlich nach einer Krebsdiagnose beschlossen, seine hervorragenden Chemiekenntnisse künftig statt zur Unterrichtung gelangweilter Schüler zur Produktion der Modedroge Chrystal Meth in einer noch nie dagewesenen Qualität zu verwenden. Durch die zu erwartenden Erlöse will er seine nichtsahnende Familie finanziell absichern. Nach einigen Anfangsschwierigkeiten mit den arrivierten Drogenbossen und unter Mithilfe seines ehemaligen Schülers, des Gelegenheitsdealers Jesse, hat sich Walter zu einer führenden Figur im Drogenmarkt seiner Heimatstadt Albuquerque in New Mexico hochgearbeitet. Nun aber sitzen Walter und Jesse in der Klemme. Einer ihrer Drogenhändler wollte den Stoff ausgerechnet an einen Polizisten verticken. Der nimmt ihn fest und verspricht ihm Straffreiheit, wenn er über seine Hintermänner auspackt. Höchste Zeit also, einen Anwalt zu mandatieren, um genau das zu verhindern.

Ein Fachmann für Kriminelles

Aber nicht irgendeinen Anwalt, sondern den legendären Saul Goodman!
Dank seiner Erfolge bei der Verteidigung von Kriminellen jeglichen Kalibers, aber auch dank einer cleveren Vermarktungsmasche – sein Konterfei und sein Werbespruch »Better Call Saul« prangen auf den Parkbänken rund um den Stadtpark, wo die ganzen Drogendeals ablaufen, sein Werbespot läuft im Lokalfernsehen – scheint er die perfekte Wahl zu sein. »Wenn es hart auf hart kommt, brauchst du keinen Anwalt, der Fachmann für Strafrecht ist, dann brauchst du einen Anwalt, der Fachmann für Kriminelles ist.«

Alles an Saul Goodman ist eigentlich zu schlecht, um wahr zu sein. Er heißt gar nicht Saul Goodman, den Namen hat er nur aus kommerziellen Gründen gewählt. Seine Krawatten sind zu grell, seine Hemden zu bunt, seine Anzüge zu glänzend. Seine von einem schweigsamen Riesenbodyguard bewachte Ein-Mann-Kanzlei residiert in einer Shopping-Mall direkt neben einem Kautionsbüro. Auf dem Dach steht eine riesige aufblasbare Freiheitsstaue, an der Wand hängen eine Kopie der amerikanischen Verfassung und Sauls Zulassungsurkunde von der Fernuniversität Western Samoa. Hinter dem Schreibtisch befindet sich ein stets gut gefüllter Safe mit Schwarzgeld. Man weiß ja nie, wann man überraschend das Land verlassen muss.
Seine Mandanten verdienen ihr Geld hauptsächlich mit Drogendelikten, Versicherungsbetrug und anderen Gaunereien. Trotzdem ist Saul viel mehr als bloß ein »Ambulance Chaser«, wie man in den USA den Typus des rücksichtslosen Anwalts nennt, der für ein Mandat alles tun würde. Nein, Saul wüsste Besseres, als untätig am Polizeifunk zu sitzen und auf Verkehrsunfälle zu warten, um dann den Opfern das Mandat anzutragen. Saul würde, immer clever, immer charmant, den Verkehrsunfall vielleicht selber inszenieren oder am besten gleich die Sanitätergewerkschaft bestechen, damit sie ihn bei jedem Ausrücken automatisch anruft.

Er kennt alle Tricks

Dabei ist Saul alles andere als eine eindimensionale Figur. Als Anwalt hochkompetent, erkennt er jedes noch so kleine Schlupfloch. Nie verliert er seinen Optimismus oder gar seinen Humor, wie sich bereits in seinem ersten Auftritt als Verteidiger des kleinen Drogenhändlers zeigt. Er hat zwar offenbar den Überblick über seine zahlreichen Mandanten verloren, wenn er seinen neusten Kunden, den Drogenhändler, fälschlicherweise, aber launisch mit den Worten begrüßt »Wen haben wir denn da? Du bist doch der, der in einem Starbucks öffentlich masturbiert hat. Warum kannst du das nicht zu Hause machen wie wir alle, vor einem großen Flachbildschirm und einem PayTV Sender?« Aber er kennt alle Tricks und unterbricht die polizeiliche Vernehmung, indem er den Beamten über das Schweigerecht seines Mandanten belehrt und diesen fragt: »Hast du irgendwas Dummes gesagt? Und damit meine ich: irgendwas gesagt?«

Sein Schwert ist das Wort

Trotz seiner Verstrickungen gelingt es Saul, seine Würde und auch ein wenig an Restanstand zu wahren. So ist er nie anwesend, wenn von seinen Klienten tatsächlich einmal Gewalt angewendet werden muss. Waffen verachtet er. Sein Schwert ist das Wort. Stets betont er das ihm heilige, verfassungsrechtlich geschützte Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant. Das verrät er selbst dann nicht, als er von Walter und Jesse gefesselt und in die Wüste entführt wird, um mit vorgehaltener Waffe überzeugt zu werden, dass es keine gute Idee ist, wenn ihr Drogenhändler tatsächlich auspackt. Auch in dieser für einen handelsüblichen Anwalt eher ungewöhnlichen Situation verliert Saul nicht die Contenance. Stattdessen labert er die beiden verblüfften Männer in Grund und Boden. Zwar nimmt er, die Anwaltsehre ist unantastbar, kein Schmiergeld von ihnen, aber wenn Walter und Jesse ihn direkt mandatieren, findet er für sie rasch einen anderen Kriminellen, der an Stelle ihres Drogenhändlers und gegen eine kleine Bezahlung in den Knast wandert.

Better Call Saul!

Schon bald darauf wird Saul der Firmenanwalt von Walter und betreut alle rechtlichen Aspekte seines prosperierenden Geschäfts. Saul weiß, wie man einen Tatort aufräumt, bevor die Spurensicherung anrückt, Saul kennt jemanden, der eine fremde Wohnung verwanzt, Saul kann dabei helfen, wenn man ein Drogenlabor im Wohngebiet betreiben will, und Saul kommt auf die Idee, das in Massen verdiente Drogengeld mittels einer Autowaschanlage auch im übertragenen Sinn zu waschen.

Ein Mann mit flexibler Moral

Aber nicht nur der immer stärker in den Sumpf der Gewalt eintauchende Walter, auch Saul verändert sich im Lauf der Serie. Als sich im Zuge des Kampfes um die Vorherrschaft im Drogenmarkt in New Mexico die Spirale der Gewalt weiter und weiter dreht, gibt er schließlich seinen Grundsatz der Gewaltfreiheit auf und empfiehlt Walter, sowohl dessen Schwager Hank, den Drogenfahnder, als auch den zunehmend außer Kontrolle geratenen Jesse umbringen zu lassen. Walt weigert sich, aber Saul hat seine Ideale verraten. Schließlich beschließt Saul angesichts des eskalierenden Streits zwischen Walt, den anderen Drogenhändlern und der Drogenbehörde die Gegend zu verlassen und sich woanders eine neue Existenz aufzubauen.

Hier endet Breaking Bad, und daran knüpft die vor Kurzem auf Netflix veröffentlichte Serie Better Call Saul an, in der Saul Goodman die Hauptrolle spielt. Saul ist offenbar erfolgreich aus New Mexico verschwunden und betreibt mittlerweile eine eigene Bäckerei in einem Einkaufszentrum in Omaha. Er hat aber ständig Angst, von seiner Vergangenheit eingeholt zu werden. Die Serie erzählt dann Sauls eigentliche Geschichte. Geprägt hat ihn nicht nur sein Leben als krimineller Anwalt in New Mexico, sondern viel stärker sein Leben davor, als gutmütiger, naiver Bürobote in der Kanzlei seines erfolgreichen Bruders, wo er sich im Fernstudium zum Anwalt weiterbildete und alles lernte, im Guten wie im Schlechten, was er dann in New Mexico anwenden musste. Aber das ist eine neue Story.

Rainer Dresen