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Special zu »Der Fall Thomas Quick« von Hannes Råstam

Dies ist die Geschichte des Serientäters Thomas Quick. Im Laufe von fast dreißig Jahren wird er rund dreißig Menschen umbringen: Frauen, Männer, Halbwüchsige, Kinder. Im Alter von nur vierzehn Jahren tötet er das erste Mal, und seine Art zu töten gibt das Muster vor für alle Morde, die folgen sollen. Es handelt sich um bestialische Sexualdelikte. Er vergewaltigt, quält, tötet und zerteilt seine Opfer. Er trinkt ihr Blut und verspeist Teile von ihnen. Wie Trophäen nimmt er Körperteile an sich, um seine Fantasien zu befriedigen, bis er das nächste Opfer findet, und schließlich entledigt er sich der Überbleibsel, indem er sie zerhackt, vergräbt oder einfach ins Gebüsch wirft.

Mit gewöhnlichem kriminologischen Maß gemessen, ist Thomas Quick bezüglich der Bestialität und der Anzahl seiner Opfer kein durchschnittlicher Serientäter. In der gesamten Kriminalgeschichte der westlichen Welt steht er ziemlich weit oben auf der Liste ebenjener Täter, und was einige der Grausamkeiten betrifft, die auf sein Konto gehen, ist er sogar einzigartig.

Das Problem besteht jedoch vielmehr in dem Bild von ihm, das in unseren Medien und in unseren Köpfen fünfzehn Jahre lang herumspuken soll: Denn nichts davon ist wahr. Alles war nur erfunden. Thomas Quick hat kein einziges seiner angeblichen Opfer jemals getroffen, geschweige denn umgebracht. Der Serientäter Thomas Quick ist ein Fantasiegeschöpf, das dem Bösen ein Gesicht gegeben hat, und das in erster Linie von anderen und nicht von ihm selbst geschaffen wurde.

Nun hat Hannes Råstam die wahre Geschichte erzählt. Die von Sture Bergwall, geboren 1950 in Korsnäs bei Falun, der seit früher Kindheit massiv an physischen und psychischen Krankheiten litt, sein halbes Leben lang in der Psychiatrie behandelt wurde und seit früher Jugend schwer alkohol-, drogen- und tablettenabhängig war. Råstam erzählt, wie die schwedische Justiz in Zusammenarbeit mit der Psychiatrie aus einem psychisch schwer kranken Drogenabhängigen und Mythomanen einen Serienmörder machen konnte.
Ausnahmsweise ist es auch einfach einmal so, dass Råstam nicht nur ein Buch über das geschrieben hat, was wirklich passiert ist, sondern auch derjenige war, der dafür gesorgt hat, dass die Wahrheit ans Licht gekommen ist.

Zweifler und Skeptiker hat es sicherlich immer gegeben, seit der Serienmörder Thomas Quick Anfang der Neunzigerjahre ungehindert in unseren Köpfen sein Unwesen trieb. Rein zeitlich betrachtet, ist Hannes Råstam erst spät aufgetaucht. Ein hochgewachsener, schlanker Journalist, nie laut und stets korrekt, bisweilen ein leichtes Lächeln auf den Lippen, der für das Fernsehen drei Sendungen über unseren landeseigenen Serienmörder gemacht und ihn in letzter Sekunde auch noch dazu bewegt hat, zuzugeben, dass er leider alles erfunden hat. Und sogar auch dazu, uns zu erklären, warum er das getan und wer ihn dazu gebracht hat.

Wenn es Hannes Råstam nicht gegeben hätte, würden viele mit nichts als ihren Zweifeln weiterleben und sich damit trösten, während die meisten von uns das Problem vermutlich lösen würden, indem sie nicht mehr daran denken.

Dass Hannes Råstam auch ein Stück schwedische Rechtsgeschichte geschrieben hat auf seinem Weg zur Wahrheit über Thomas Quick, traue ich mich kaum zu sagen, ganz einfach deswegen, weil damit selten sonderlich große Lesefreude einhergeht. In diesem Fall ist das umgekehrt. Råstams Buch ist gut geschrieben und gut erzählt. Er schildert darin einen schwedischen Rechtsapparat, der von einer moralischen, juristischen und intellektuellen Kernschmelze erfasst worden ist, und ein schwedisches psychiatrisches Gesundheitswesen, das Assoziationen weckt mit Ähnlichem in der frühen Sowjetunion, von dem wir bisher dachten, es geistere nur in Berichten herum.

Und wenn wir doch einmal darüber lasen, so hatte das keinesfalls mit uns zu tun.
Summa summarum: Wir haben ein Buch vor uns, in dem berichtet wird, wie schwedische Polizeibeamte, Staatsanwälte, Anwälte und Richter – mit geneigter Unterstützung diverser Ärzte, Psychologen, eines sogenannten Experten der Gedächtnisfunktion und viel zu vielen Journalisten und Gesichtern aus dem Kulturbereich – aus einem psychisch kranken Mythomanen den schlimmsten Serienmörder der Kriminalgeschichte machten. Das ist furchtbar, das ist die Wahrheit, und das ist vollkommen phänomenaler Lesestoff.

Leif GW Persson
(Professor der Kriminologie und einer der
erfolgreichsten schwedischen Krimiautoren)