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Special zu Susanne Kliem »Trügerische Nähe«

Die Autorin über ihren Weg zum Schreiben

8 – 28 – 39 – 42 …


Nein, das sind nicht die Lottozahlen. Diese Ziffern bezeichnen mein jeweiliges Alter an Wendepunkten in meinem Leben.
Viele Autorinnen können von sich behaupten, dass sie schon als Kind den Traum hatten, Schriftstellerin zu werden. Unablässig produzierten sie Gedichte und kleine Geschichten, aus denen irgendwann große Romane wurden. Wenn ich solche Biographien lese, kommt mir schlagartig eine Szene aus meiner eigenen Kindheit in den Kopf, die mir noch heute die Schamesröte ins Gesicht treibt.

8


Meine Schulfreundin Ute W. und ich (wir müssen so in der dritten Klasse gewesen sein) beschlossen, unser erstes, eigenes Buch zu schreiben. Kaum lagen die weißen Blätter vor uns, begann Ute Funken der Kreativität um sich zu sprühen und entwickelte flugs einen Plot mit einer guten Fee und einem Wurf Hundebabys (ehrlich gesagt, hab ich den genauen Zusammenhang vergessen).
Und ich? Ich hab mir eines von Utes Pixi-Büchlein gegriffen und es … abgeschrieben. Sie lesen richtig. In Schönschrift zwar, aber Wort für Wort abgeschrieben. Ein traumatisches Erlebnis. (Ich hab es bis heute nie jemandem erzählt.)

28


Das frühe Trauma verfolgte mich durch ein unstetes Berufsleben. Es gibt Freunde, die behaupten, es gäbe sehr wohl einen roten Faden in meinem chaotischen Lebenslauf: In sechs verschiedenen Berufen kreiste ich um das Wort, um den Text (Theaterstücke, Synchron-Drehbücher, Pressemitteilungen, Zeitungsartikel, Ratgeber) wie ein Geier um das Aas.
Bis mich mit Achtundzwanzig eine weitere erfolgreiche, kreative Freundin, von Beruf Schauspielerin, erlöste.
Ich hatte ihr gerade vorgejammert, wie unglücklich ich über mein Arbeitsleben sei, und dass ich überlegte, auch mal was Künstlerisches zu machen, aber leider keine Ahnung hätte, was. Sie sah mich sehr erstaunt an und sagte: Aber Kreativität muss doch aus einem inneren Bedürfnis heraus kommen!
Hä? Bisher hatte ich kreativ sein wollen, weil alle um mich herum es waren, und weil ich dachte, alle erwarten das von mir. Aber doch nicht, weil ich …?

39


Lange Phase des Nachdenkens. Eigentlich war ich erleichtert. Ich musste ja gar nicht … Aber etwas gärte in mir. Nichts passierte. Schließlich wurde ich Neununddreißig. Und hatte meine erste Begegnung mit einem Motivationscoach. (Warnung: Passen Sie verdammt gut auf, wenn Sie einen solchen Menschen treffen. Erfahrene Coachs können Sie dazu bringen, Dinge in sich zu entdecken, die Sie niemals für möglich hielten, ja, sogar, Ihr ganzes Leben auf den Kopf zu stellen und Schlimmeres!)
›Mein‹ Coach wollte, dass ich ein Buch für ihn schreibe. Über ihn und seine Coaching-Methode – natürlich als Ghostwriterin. Sein Name war bekannt, er war sehr erfolgreich. Wir trafen uns, um über seine Methode zu sprechen. Nach etwa zwei Stunden hatte ich verstanden, dass er keine hat. Er stellte sich individuell auf sein Gegenüber ein! Mir wurde klar, es würde viel Zeit kosten, um auch nur annähernd ein Konzept für sein Buch zu entwickeln – kurz, ich habe abgelehnt.
Nun fühlte sich der Coach bei der Ehre gepackt und wandte seine gesammelten Motivationskünste auf mich an. Am Ende des Gesprächs spürte ich es: Ich kann alles schaffen, was ich will! Ich bin begabt, zu schreiben! In mir stecken ungeahnte Fähigkeiten!
Klingt abgedroschen. Aber, Mann! Es war ein erhebendes Gefühl! Und ich stand auf und sagte ihm, ich könne leider sein Buch nicht schreiben, weil ich jetzt mein eigenes schreiben müsse.

42


Mein erster Roman »Theaterblut« lag gedruckt vor mir. Es war der lange, schwierige Weg einer Spätzünderin. Aber ich hatte Blut geleckt. Und mache seitdem das, was mir ein inneres Bedürfnis ist: Schreiben, schreiben, schreiben.
Nach dieser langen Zeit.
Ich freue mich, wenn Sie meine Bücher lesen. Meine Figuren sind auch Leute, in denen etwas brodelt und die mit sich selbst nicht klarkommen. Aber inzwischen habe ich gelernt, dass man der Leserin, dem Leser auch die Chance geben muss, sie lieben zu können. So wie sich selbst.