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Abir Mukherjee: Ein angesehener Mann, Heyne Verlag

Special zu den Romanen von Abir Mukherjee

Kalkutta 1919 - Die große Krimisaga beginnt

Ein exotisches Setting, ein historisches Panorama, ein packender Kriminalfall.

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Der historische Kriminalroman »Ein angesehener Mann« bildet den Auftakt einer Serie, die sich über mehrere Jahrzehnte durch die indische Kolonialgeschichte zieht.

Kalkutta 1919 – die Luft steht in den Straßen einer Stadt, die im Chaos der Kolonialisierung zu versinken droht. Die Bevölkerung ist zerissen zwischen alten Traditonen und der neuen Ordnung der britischen Besatzung.

Aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekehrt, findet sich Captain Sam Wyndham als Ermittler in diesem Moloch aus tropischer Hitze, Schlamm und bröckelnden Kolonialbauten wieder. Doch er hat kaum Gelegenheit, sich an seine neue Umgebung zu gewöhnen. Denn ein Mordfall hält die ganze Stadt in Atem. Seine Nachforschungen führen ihn in die opiumgetränkte Unterwelt Kalkuttas – und immer wieder an den Rand des Gesetzes.

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»Der Kriminalroman ist eine wunderbare Form, um gesellschaftliche Themen tiefgehender zu beleuchten«

Abir Mukherjee
© Nick Tucker
»Ein angesehener Mann« spielt im Indien des Jahres 1919, kurz nach Ende des Ersten Weltkriegs. Warum haben Sie genau diesen historischen Moment als Startpunkt Ihrer Krimiserie gewählt?

Abir Mukherjee: Meine Eltern sind in den Sechzigern aus Indien nach Großbritannien eingewandert, und mein Leben ist stets von beiden Kulturen geprägt worden. Daher hat mich auch die Epoche von Britisch-Indien immer besonders interessiert. Meiner Meinung nach hat dieser historische Zeitraum enorm viel zum heutigen Indien wie zum heutigen Großbritannien beigetragen. Dennoch ist er weitgehend in Vergessenheit geraten oder er wird bewusst verfälscht, entweder romantisierend oder indem man viele Dinge einfach unter den Teppich kehrt.

Mich hat dieses Phänomen immer sehr verblüfft, und ich wollte gerne die Haltung eines Außenstehenden annehmen, der die ganze Situation zum ersten Mal erlebt. Einer der Aspekte, die mich dabei immer schon fasziniert haben, ist die Tatsache, dass in einer Zeit, in der in Europa damals überall totalitäre Regime um sich greifen, die Andersdenkende ohne großes Zögern gewaltsam aus dem Weg räumen, sich dort in Indien ein im Wesentlichen gewaltfreier Kampf zwischen der einheimischen Bevölkerung und den britischen Herrschern entwickelt. Nirgendwo auf der Welt hat es damals etwas Ähnliches gegeben, und ich denke, wenn ein solcher Kampf auf vergleichsweise zivilisierte Art ausgetragen wird, dann sagt das eine Menge über diese beide Völker.

Außerdem wollte ich untersuchen, wie das Empire sowohl Herrschende wie Beherrschte prägt, wobei mich insbesondere die Frage beschäftigte, was geschieht, wenn eine sich als Demokratie verstehende Nation eine andere unterdrückt, nicht allein in Bezug auf die unterdrückten Menschen, sondern mindestens ebenso sehr hinsichtlich der Psyche der Unterdrücker. Die moralische und psychologische Belastung jener Menschen, die das koloniale System tagtäglich umzusetzen hatten, dürfte gewaltig gewesen sein, und irgendwie ist dieser Punkt bis heute weitgehend unerforscht geblieben.

Ich wollte eine Serie schreiben, die der Beziehung zwischen diesen beiden so unterschiedlichen, aber in vielerlei Hinsicht auch so ähnlichen Kulturen nachgeht. Und da das Ganze den Blickwinkel von jemandem haben sollte, für den die Situation völlig neu ist, erschien 1919 einfach als der ideale Ausgangspunkt. Für mich beginnt hier das Zeitalter der Moderne. Der Erste Weltkrieg ist gerade vorbei. Mit ihm sind viele der alten Gewissheiten zerstört. Viele Menschen sind desillusioniert und nicht länger bereit, einfach zu schlucken, was ihnen die da oben einreden wollen. Der Protagonist Sam ist ein Produkt dieser Zeit und in meinen Augen damit einer der ersten modernen Menschen.

Wie sind Sie vorgegangen, das Kalkutta dieser Zeit wiederentstehen zu lassen? Welche Recherchearbeiten waren dafür nötig?

Abir Mukherjee: Zum Zeitpunkt der Handlung war Kalkutta noch die bedeutendste Stadt Asiens, und auf der ganzen Welt gab es keine Stadt, die prachtvoller und exotischer gewesen wäre. Zugleich gingen gerade enorme Veränderungen in der Stadt vor. Sie bildete das Zentrum der Unabhängigkeitsbewegung, hier konzentrierte sich die Agitation gegen die Herrschaft der Briten. Für die Serie, die mir vorschwebte, schien es die naheliegende Wahl. Natürlich erleichtert es die Sache, dass meine Eltern beide aus Kalkutta stammen, und ich selbst viel Zeit in der Stadt verbracht habe. Ich beherrsche sogar die Sprache, allerdings mit unverkennbar schottischem Akzent.

Was die Nachzeichnung des damaligen Kalkuttas betrifft, so ist erstaunlich, wie viel dieser Zeit noch im heutigen Kalkutta (oder Kolkata) zu finden ist. Zudem identifizieren sich die Bewohner Kalkuttas sehr stark mit der Geschichte ihrer Stadt, vermutlich weil die Stadt in dieser Epoche ihre Blütezeit erlebte, und daher waren viele Menschen nur zu gerne bereit, meine zahlreichen Fragen zu beantworten.

Bei einem meiner Aufenthalte hatte ich das große Glück, das Calcutta Police Museum besuchen zu dürfen, wo zahlreiche Polizeidokumente aus der betreffenden Ära ausgestellt sind. Das war außerordentlich spannend, da die heutige Polizeibehörde von Kalkutta zu ihrer eigenen Geschichte ansonsten ein recht ambivalentes Verhältnis pflegt.

Erzählen Sie uns ein wenig über Ihre zentrale Ermittlerfigur Captain Sam Wyndham und über den Blickwinkel, den er uns auf Indien gibt.

Abir Mukherjee: Sam ist schon ein sonderbarer Kauz. Er ist ein Ex-Detective von Scotland Yard, dem es das Leben nicht leicht macht, dem der Wind quasi von Geburt an ins Gesicht bläst.
Als Kind wird er in ein Internat geschickt, und einige seiner besten Jahre verbringt er eingebuddelt und unter deutschem Beschuss in einem Schützengraben in Frankreich. Er überlebt den Krieg, aber nur um bei seiner Rückkehr zu erfahren, dass seine Frau der großen Grippewelle von 1918 zum Opfer gefallen ist. Von seinen Kriegserlebnissen gezeichnet und von Überlebensschuld geplagt, geht er nach Indien, in erster Linie weil ihm jede echte Alternative fehlt.

Bei seiner Ankunft in Kalkutta ist er ein reichlich abgestumpfter Mensch, der eine gewisse Abhängigkeit von alkoholischen und narkotischen Fluchtmitteln entwickelt hat, die er seiner Meinung nach jedoch nur aus streng medizinischen Gründen einnimmt. Der Krieg hat ihn desillusioniert, was ihm womöglich erlaubt, Indien eher mit eigenen Augen zu betrachten und nicht sofort allem Glauben zu schenken, was ihm erzählt wird. Wo ihm Heuchelei begegnet, gleichgültig ob bei Weißen oder Indern, kann er sich nicht verkneifen, sie bloßzustellen.

Dem Roman gelingt es hervorragend, die politischen, ethnischen und gesellschaftlichen Spannungen im Alltag des Empire herauszuarbeiten. Bietet das Krimigenre Ihrer Meinung nach in dieser Hinsicht ganz besondere Möglichkeiten?

Abir Mukherjee: Unbedingt! Ich denke, die meisten Autoren möchten nicht nur eine gute Geschichte erzählen, sondern haben auch darüber hinaus etwas zu sagen. Der Kriminalroman ist eine wunderbare Form, um gesellschaftliche Themen tiefgehender zu beleuchten, da er einen Blick auf die gesamte Gesellschaft erlaubt, von den obersten Spitzen bis zu denen ganz unten.

Wie Ian Rankin vor Kurzem in einem Interview sagte: »In einem Kriminalroman lassen sie all diese Sachen ausgezeichnet sichtbar machen, da ein Detective eine generelle Zugangsberechtigung für die gesamte Stadt besitzt, für die Welt der Reichen und für die der Mittellosen.«

Für das Indien des Jahres 1919 bedeutet dies, dass Sam es als weißer Polizist mit allen Schichten der Gesellschaft Kalkuttas zu tun bekommt, von Politikern und Geschäftsleuten bis hinunter zu Rikscha-Wallahs und Bordellbesitzerinnen. Er ist selbst zwar Teil des Ganzen, aber zugleich auch davon abgehoben und zu einem vorurteilsfreien Blick in der Lage.


Welche Autoren bzw. Bücher haben Ihr Schreiben besonders beeinflusst?

Abir Mukherjee: Da gibt es so viele. Da sind die Bücher, die mich am stärksten beeindruckt haben und die ich gleich mehrmals gelesen habe. Ganz oben auf die Liste steht sicherlich George Orwells 1984. Schreckensvisionen der Zukunft haben mich schon immer fasziniert und dies ist meiner Ansicht nach der beste Roman dieser Art. Ich weiß gar nicht mehr, wie oft ich das Buch gelesen habe, aber es begeistert mich jedes Mal aufs Neue. Die Art, wie die Beziehung zwischen Winston und Julia vor dem Hintergrund dieser alles durchdringenden totalitären Gesellschaft dargestellt wird, ist einfach fantastisch.

Zu den anderen Büchern, die großen Eindruck auf mich gemacht haben, zählen Der Namensvetter von Jhumpa Lahiri, in dem die Mühen eines bengalischen Paars beschrieben werden, das von Kalkutta nach Boston auswandert und dort eine Familie gründet. Meine Frau hat mich auf das Buch aufmerksam gemacht, und die Lektüre hat mich regelrecht umgehauen. Es ist vortrefflich geschrieben und ich wüsste kaum ein Buch, das mich so bewegt hat.
Dann gibt es solche, die etwas ganz Besonderes sind, wie Vikram Seths Verwandte Stimmen, die Geschichte einer unglücklichen Liebe, angesiedelt in der Welt von Kammermusik und Streichquartett, oder Kafkas Der Prozess, das einzige Buch, das bei mir klaustrophobische Gefühle erzeugen konnte, oder Hemingways Wem die Stunde schlägt, das eine ganz erstaunliche Sprache besitzt.
Im Bereich Krimi und Thriller gibt es eine Reihe von Autoren, deren Arbeit ich verfolge und deren neue Werke ich kaufe, sobald sie erscheinen. Zuerst ist hier ganz sicher Ian Rankin zu nennen. Ich bin ein riesiger Rebus-Fan, mag aber auch die anderen Romane von ihm. Dann wären da Philip Kerr, Martin Cruz Smith und Robert Harris, die allesamt Romane voll witziger und zugleich geistreicher Einfälle schreiben, eine Mischung, die mir sehr gefällt.

Schließlich in einer ganz eigenen Kategorie ist da noch William McIlvanney, der mit dem Glasgower Detektiv Laidlaw eine herrliche Figur geschaffen hat. Meiner Meinung nach war McIlvanney ein echtes Genie, und ich wünschte, es wäre mir vergönnt gewesen, ihn einmal persönlich kennenzulernen.

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