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Ulli Potofski: Entscheidend ist auf'm Platz – Die Audiokommentare

Ulli Potofski: Entscheidend ist auf'm Platz

Wie wird man Fußballreporter?

Ulli Potofski
© privat
Viele Menschen fragen mich immer wieder:
»Wie wird man eigentlich Fußballreporter?«
Die Antwort ist einfach: »Absolvieren Sie nach dem Abitur ein Hochschulstudium und machen Sie ein Volontariat in einer Sportredaktion, bei einem Fernseh- oder Radiosender. Dort muss man Sie dann nur noch an ein Mikrofon lassen und schon sind Sie ein Star, den man hasst oder liebt oder der dem Publikum im schlimmsten Fall egal ist.« Ganz so einfach ist es dann im wirklichen Leben nicht. Denn den Beruf des Sportjournalisten am Mikrofon kann man eigentlich nicht erlernen. Ich halte diese Tätigkeit für einen Talentjob. Also weniger im Fernsehen als beim Radio.

Als ich Radioreporter werden wollte, da habe ich 1969 den damaligen Chef von Radio Luxemburg, Frank Elstner, so lange genervt, bis er mich zu einem Vorstellungsgespräch in das Großherzogtum eingeladen hat. Es wurde eine echte Prüfung. Zunächst musste ich fünf Minuten lang ohne Vorbereitung über ein beliebiges Thema »sinnvoll« sprechen. Fünf Minuten können dabei zur Ewigkeit werden. Irgendwie habe ich es aber geschafft. Dann schickte er mir einen Kollegen in das Studio, der den Chef der Deutschen Bundesbank spielte. Meine Aufgabe: Interviewen Sie diesen Mann, bitte! Als ein langhaariger, wie ein weißer Jimmy Hendrix
aussehender Jugendlicher, wusste ich nichts über die Gepflogenheiten eines solchen Menschen. Ahnungslosigkeit kann aber durchaus zum Vorteil gereichen, denn man stellt dadurch möglicherweise die besseren, die interessanteren Fragen. Ich kürze den Vorgang hier mal ab.

Fakt war, dass ich diese Aufgaben bestand und bei RTLRadio eine Nachtarbeitersendung moderieren durfte. Hätte mir der liebe Gott nicht die Fähigkeit zum Fabulieren gegeben, ich wäre mit Schimpf und Schande wieder nach Hause gefahren. Damals war das so bei RTL, es kam mehr darauf an, dass man ein Typ war, ein Unterhalter. Der damalige Chefsprecher Jochen Pützenbacher beispielsweise war ein gelernter Friseur. Was für einen Moderator aber unter Umständen die beste Ausbildung schlechthin sein kann.

Ach ja, damit war ich immer noch kein Fußballreporter. Jahre später erfuhr ich, dass der WDR für sein Hörfunkprogramm immer mal wieder ein Casting für neue Sportreporter durchführte. Damals nannte man das natürlich noch nicht Casting, sondern Probereportage. Selbstbewusst meldete ich mich beim Sender und wurde tatsächlich zu einer Probereportage eingeladen. 1. FC Köln gegen den VFB Stuttgart hieß die Begegnung, Köln gewann damals 2:1 – und bestimmt 30 Kandidaten durften einige Minuten Fußballreporter spielen. Es war wie ein Wunder. Einige Tage später rief mich Kurt Brumme an und teilte mir mit, dass ich am kommenden Samstag das Bundesligaspiel Borussia Mönchengladbach gegen den MSV Duisburg kommentieren solle. Natürlich ging ich von einer weiteren Probereportage aus. Brumme teilte mir aber in aller Seelenruhe mit: »Sie gehen damit live auf den Sender!« So einfach wurde ich Sportreporter.

Schade, liebe Kollegen in spe, so einfach geht es heute nicht mehr. Siehe oben – die Sender haben da einige andere Ideen entwickelt. Hier kann ich Ihnen nur einige Tipps mit auf den Weg geben, mit denen Sie überprüfen können, ob Sie Talent haben. Die Königsdisziplin bleibt dabei für mich unverändert die Radioreportage. In dieser müssen Sie beschreiben, fabulieren, auf Ballhöhe bleiben, laut denken, eine Stimme haben (leider auch ein Geschenk Gottes. Hat man oder hat man nicht!). Ahnung von Fußball oder besser: Wissen über Fußball ist eine Selbstverständlichkeit für diesen Beruf. Sollte man zumindest meinen.

Was man Ihnen beim Radio nicht vorwerfen kann (was aber den TV-Kollegen oft zum Verhängnis wird), Sie können nicht zu viel reden, denn Radio ohne Worte funktioniert nun mal nicht. Deshalb glaube ich, dass man die Begleitung eines Fußballspiels im Fernsehen unter Umständen lernen kann, die Tätigkeit eines Radioreporters muss man aber im Blut haben.

Jetzt aber zum Praxistest.

Test Nr. 1: Erinnern Sie sich an Ihr absolutes Lieblingsspiel? Na klar, werden Sie sagen. Dann mal los. Jetzt und spontan. Erzählen Sie in der Art eines Kommentators. Ab jetzt fünf Minuten ohne Unterlass. Vielleicht haben Sie die Chance, Ihre Reportage auf einem Diktiergerät oder einem Mobiltelefon aufzunehmen. Gut! Dann aber auch nicht schummeln. Es sollten schon fünf Minuten ohne Unterbrechung sein.

Test Nr. 2: Nehmen Sie sich die Tageszeitung von heute. Lesen Sie den Kommentar aus dem Sportteil laut und deutlich und sehr akzentuiert. Bringen Sie Emotionen mit ein. Gefühle. Nachdenklichkeit, Freude, Begeisterung. Auch diesen Part sollten Sie aufzeichnen. Nun werden Sie das hören und sagen: »Meine Stimme klingt so anders.« Nein! Genau so hört Sie jeder – dummerweise nur Sie selbst hören sich leider etwas anders. Es ist wie es ist. Sie müssen sich an Ihre eigene Stimme gewöhnen. Nur so kann man wirklich mit der Stimme spielen und diese verändern. Am besten täglich etwas aufnehmen und, so schwer es auch fällt, sich diese Tondokumente anhören und anhören. Nur so kann es zu Verbesserungen kommen. Man lernt seine eigene Stimme kennen und mögen, so merkwürdig das auch klingen mag.

Test Nr. 3: Dafür brauchen Sie Sky und die Tonoption Stadion. Bitten Sie einen Freund, den Bildschirm abzufilmen und gleichzeitig Ihren Kommentar ufzunehmen. Besorgen Sie sich vorher die Mannschaftsaufstellungen aus dem Internet. Machen Sie den Test nicht mit Ihrer Lieblingsmannschaft, sondern bewusst mit Mannschaften, die Sie nicht so gut kennen. Beispiel 2. Liga: Ingolstadt gegen Sandhausen. Bayern gegen Dortmund kann ja jeder! Trauen Sie sich, Ihre Versuche einigen Personen vorzuspielen. Wahrscheinlich sagen jetzt viele: »Besser als Marcel Reif.« Glauben Sie diesen Menschen kein Wort!



Das Problem:
Eine Anstellung haben Sie immer noch nicht. Deshalb der Tipp: Fangen Sie klein an. Wenden Sie sich an ihren lokalen Radio- oder Fernsehsender. Überzeugen Sie diesen von Ihrem Talent. Auf dieser Ebene geht manchmal ja auch noch etwas nebenberuflich. Wer aber den Beruf des Sportjournalisten klassisch ergreifen möchte, dem bleibt nur der eingangs aufgezeigte Weg. Übrigens haben mir einige bekannte Sportreporter vor vielen Jahren ihre Übungen auf Kassette geschickt. Dem einen oder anderen konnte ich durchaus helfen und im Zeitalter von MP3 ist ja alles noch viel einfacher geworden.

Ein Letztes noch:
Wenn Sie dann eines Tages bei einem Bewerbungsgespräch in einem Sender sitzen sollten, sagen Sie nie, Sie wollen Moderator oder Kommentator werden. Das hassen die Chefs. Sagen Sie … Sie wollen ein guter Journalist werden!