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Willibert Pauels: Lachen, leiden, Lust am Leben

Willibert Pauels: Lachen, Leiden Lust am Leben

Bin ich bekloppt?, oder: Fast ein Vorwort

Der Gläubige und der Ungläubige
treffen sich im Zweifel.«
Josef Ratzinger


Als Kabarettist, Karnevalist und Diakon werde ich oft als Redner angefragt – von Pfarrgemeinden, Kolpingsfamilien, Katholischen Frauengemeinschaften, Karnevalsvereinen und allen möglichen anderen Veranstaltern. An eine Anfrage erinnere ich mich trotzdem besonders deutlich, obgleich sie schon viele Jahre zurückliegt. Ein Herr Dr. Vohwinkel von der Giordano-Bruno-Stiftung rief mich an. Sehr freundlich fragte er, ob mir diese Stiftung bekannt sei. Giordano Bruno sei mir ein Begriff, sagte ich, von einer entsprechenden Stiftung hätte ich allerdings noch nichts gehört.

Wie sich herausstellte, handelt es sich dabei um eine der leidenschaftlichsten und kämpferischsten atheistischen Verbindungen, die wir in Deutschland haben. Auch Herr Dr. Vohwinkel war, wie er weiterhin in sehr sympathischem Tonfall erklärte, Atheist aus tiefster Überzeugung. Seine Lebensgefährtin allerdings sei treu katholisch, worauf mir prompt herausrutschte: »Wenigstens eine Vernünftige in der Familie!« Zum Glück hörte ich, dass der Mann am anderen Ende der Leitung ein kurzes Lachen nicht unterdrücken konnte. Ohne weiter auf meinen Einwurf einzugehen, erklärte er mir, dass die Giordano-Bruno-Stiftung regelmäßig einen sogenannten atheistischen Stammtisch veranstalte und er mich zu einem solchen gern als Gast einladen würde. Damals habe ich – heute sage ich: leider – mit dem Argument abgelehnt: »Danke, aber man lädt ja auch keinen Vegetarier zum Grillen ein.« Stattdessen habe ich meinerseits Dr. Vohwinkel sehr herzlich eingeladen, zu einem meiner Kabarettabende ins Senftöpfchen-Theater nach Köln zu kommen. »Da«, so mein Vorschlag, »können wir uns dann nachher noch zusammensetzen und unterhalten.« Dr. Vohwinkel nahm – viel höflicher als ich – die Einladung an.

Vor Beginn des Programms hatte ich mich vergewissert, dass er die auf seinen Namen an der Kasse hinterlegte Eintrittskarte auch tatsächlich abgeholt hatte. So stand ich kurze Zeit später also auf der Bühne in dem Wissen, mindestens einen bekennenden Atheisten im Publikum zu haben. Der Abend begann prächtig: ausverkauftes Haus, tolle Atmosphäre, aufmerksames, gut gelauntes Publikum. Getragen davon konnte ich der Versuchung nicht widerstehen, meinen Ehrengast zum Running Gag des Abends zu machen. Schon in der Begrüßung wies ich darauf hin, dass auch Herr Dr. Vohwinkel von der atheistischen Giordano-Bruno-Stiftung im Saale sei. »Ich weiß jetzt nicht, wo er sitzt«, sagte ich, »aber Sie erkennen ihn an zwei kleinen Hörnern und leichtem Schwefelgeruch.« Immer wieder baute ich den armen Kerl in mein Programm ein – frei nach dem Motto: »Auch wenn Dr. Vohwinkel jetzt wahrscheinlich Schnappatmung kriegt, möchte ich Folgendes zu meinem Glauben sagen ...« Nach der Vorstellung, die mit lang anhaltendem Applaus und Zugabe-Rufen geendet hatte, war ich deshalb sehr gespannt, ob mein Gast unsere Verabredung wahrnehmen würde oder ob er vielleicht beleidigt nach Hause gefahren sei, was ich ihm nicht einmal hätte verübeln können. War er aber nicht! Ich sah ihn im Foyer stehen – erkannte ihn gleich, obwohl ich ja noch kein Foto von ihm gesehen hatte –, und ich muss sagen: Auf den ersten Blick schon war mir dieser Mann zutiefst sympathisch und ein wenig bereute ich es, ihn für meine Gags »benutzt« zu haben. Nachdem ich meine Pappnase weggebracht hatte, gingen wir zusammen ins Brauhaus und haben uns dort sehr lange, sehr gut und sehr angeregt unterhalten. Dass ich ihn beim Kabarett als Witzfigur missbraucht hatte, nahm Dr. Vohwinkel – von Beruf übrigens Astrophysiker, also nicht gerade einer der dümmsten Menschen auf diesem Planeten – mir kein bisschen übel.

»Ihr Programm ist sehr unterhaltsam, Herr Pauels«, lobte er. »Ich habe viel gelacht! Aber immer, wenn Sie auf den Glauben zu sprechen kamen, dachte ich: Wie kann ein aufgeklärter Mensch das nur ernsthaft meinen? Früher, das ist klar, da brauchten die Menschen die Religion, um sich die Welt zu erklären. Aber wer heute, wo uns die Wissenschaft doch diese Erklärungen liefert, immer noch daran festhält, der ist – entschuldigen Sie bitte die etwas drastische Ausdrucksweise – ein Stück weit geistesgestört.« In diesem Moment stellte ich mir (mal wieder) die Frage: Willibert, bist du eigentlich bekloppt? Warum kannst du einfach nicht aufhören, an Gott zu glauben?

Würden meine Verleger nicht gerade aus Ostwestfalen kommen und eine gewisse Scheu vor rheinischer Direktheit mitbringen, hätte übrigens dieses Buch auch so heißen können: »Bin ich bekloppt?! Warum ich nicht aufhören kann, mehr und mehr an Gott zu glauben.« Denn um nicht mehr und nicht weniger als diese kleine, bescheidene Frage nach der Existenz Gottes geht es in diesem Buch. Auch die ebenso reizenden Geschwister dieser Frage tauchen auf: Wenn es Gott gibt, warum lässt er das Leid in der Welt zu? Und was ist mit dem Tod?

Wenn ich mich Antworten nähere – und mehr werde ich nicht tun: Ich mag bekloppt sein, aber so verrückt zu behaupten, ich hätte tatsächlich endgültige und unwiderlegbare Antworten auf diese Fragen gefunden, bin selbst ich nicht –, wenn ich mich also Antworten nähere, dann geht es mir weniger um Studien, Statistiken und stringente Argumentationen, sondern vielmehr um das, was mich schon bewegt, seit ich ein Kind war: die Erfahrung der Sehnsucht nach Gott, die Erfahrung der Nähe Gottes und die Erfahrung der Gottferne. Immer wieder werde ich dabei Zitate und Gedanken anderer aufgreifen – von Chesterton bis Drewermann, von Cusanus bis Böll. Ich tue das nicht aus Bequemlichkeit, weil es mir zu anstrengend wäre, eigene Gedanken zu formulieren, sondern weil ich mich so in eine Gemeinschaft derer eingebunden weiß, die wie ich und mit mir auf dem Weg der Sehnsucht sind. Und ich würde mich freuen, wenn Sie, liebe Leserin und lieber Leser, mich durch dises Buch ein Stück auf diesem Weg begleiteten.

Seit Jahrtausenden stellen Menschen die Frage nach Gott – und immer wieder, durch alle Zeiten hindurch, kommen sie zu der Überzeugung: Ja, unsere Sehnsucht hat ein Ziel. Jenseits alles rational Erklärbaren ist der Mensch im Letzten geborgen bei Gott. Deswegen hat dieses Buch den Untertitel »Von der befreienden Kraft der Religion«. Denn eine befreiendere Botschaft als die, dass der Tod nicht das letzte Wort hat, kann ich mir nicht vorstellen. »Leck mich am Arsch, Sisyphos, der Stein ist oben« hätte mir deshalb als Titel auch gut gefallen.