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Rezension zu
Die wundersame Ästhetik der Schonhaltung beim Ertrinken

Existenzielle Achterbahn

Von: Thomas Lawall
06.08.2022

Was für ein merkwürdiger Titel, mag man zunächst denken. Der zweite Gedanke könnte sein, es hier mit einer massenkompatiblen Komödie zu tun zu haben, die leichtverdauliche Situationskomik in schriftlicher Form anbietet. Der dritte Gedanke wäre dann, das Buch trotzdem zu lesen ... ... und das wäre dann die absolut richtige Entscheidung! Zunächst fällt positiv auf, dass Leserinnen und Leser schon vor dem Lesen des Buches mit allerhand Rätseln konfrontiert werden. Denn neben dem unkonventionellen Titel stellt auch das Titelbild mindestens eine Frage, die zunächst nicht beantwortet werden kann. Wie sollten auch die Schwanzflosse eines Wals und ein Klavier zusammen passen? Die Karte im Innenteil hätte man dann so auch nicht erwartet. Was soll eine Reiseroute von Salt Lake City bis nach Miami bedeuten, wenn es sich doch um eine Situation auf offener See handelt? Weitere Rätsel geben dann die fünf Gegenstände, angeordnet in einer Wabenstruktur auf der nächsten Seite, auf. Sind jene Friedenspfeife, die Kamera, die Pistole, der Storch und die Schale mit den Kastanien so eine Art Deko...? Das alles grenzt irgendwie an einen Kriminalroman, wenn auch der etwas anderen Art. Die augenblickliche Situation, in der sich der Held der Geschichte gerade befindet, stützt diese Theorie. Heinrich Pohl treibt im Atlantischen Ozean, ohne zu wissen, wer er ist und wie er in diese recht schwierige Lage gekommen ist. Immerhin kann er sich, um dem sicheren Tod durch Ertrinken zunächst zu entgehen, an einer Kühlbox festhalten. Langweilig kann es ihm auch nicht werden, denn in unmittelbarer Nähe treibt ein Clown auf einer Rettungsweste, und ein Lama umkreist schwimmend diesen seltsamen Schauplatz. Wem dieses Szenario zu schräg vorkommt, sollte sich vielleicht die eine oder andere selbst erlebte Traumsequenz in Erinnerung rufen, soweit dies noch möglich ist. Da hat man doch mitunter ähnliches erlebt, oder kann diese vermeintlich aussichtslose Situation gar durch eine weitaus seltsamere toppen. Und war es nicht immer so, dass die Bedeutung nicht zu enträtseln war? Ganz anders bei Heinrich Pohl, denn so nach und nach setzt sich aus einem chaotischen Kaleidoskop aus Erinnerungsfragmenten die eine oder andere Erklärung zusammen, wie es zu den aktuellen Ereignissen gekommen sein könnte. Jene fünf Gegenstände erweisen sich in diesem Zusammenhang als nicht ganz unwichtige Schlüssel. Vieles ist nicht so, wie es scheint. Man muss sich schon etwas genauer hineinlesen, um die verschiedenen Bedeutungsebenen zu finden und freizulegen. Es ist die Geschichte eines Mannes, der sich in seinem "bisherigen Werdegang in Deckung und Genügsamkeit" bedroht fühlt. Es ist auch eine Geschichte über die entsetzliche Leere, die entsteht, wenn ein über alles geliebter Mensch gehen muss. Weit weg und für immer. Einen "Onkel Wendelin" müsste man haben. Manche haben tatsächlich einen. Egal wie er heißt oder was er tun und lassen mag. Einer, der aus der Reihe tanzt und eine Rettungsinsel ist. Eine Flucht aus den eigenen Reihen ermöglicht, wo es nur Grenzen, Zucht und Ordnung gibt. Einer, der für alles eine Erklärung hat. Da, wo andere längst aufgegeben oder noch nicht einmal angefangen haben. Wem so ein Rettungsanker nicht zur Verfügung steht, muss nicht verzagen, denn es gibt ja Onkel Wendelin. Weil ja eins sowieso klar ist: "Das ganze Leben ist ein Experiment". Ständig ist man auf der Suche nach sich selbst und danach, wo man in dieser Welt wirklich hingehört. "Ein großer Test", wie er meint. In diesem Sinne könnten nicht wenige etwas Hilfe gut gebrauchen. Deshalb fehlen Tipps für das Verweilen an bestimmten Orten ebenso wenig, wie für das Verhalten an der Endstelle. Da wo alle aussteigen müssen. Alles ganz und gar nicht lustig, oder? Doch! Das Leben hat, egal wie es läuft, öfter mal auch positive Überraschungen zu bieten, nämlich diesen ebenso tiefsinnigen wie herzerfrischenden Reiseführer mit jenem merkwürdigen Titel. Für die einen eine existenzielle Achterbahn, für andere eine ebensolche Erfahrung. Das ist so ähnlich wie der Unterschied zwischen Amerika und Deutschland. "Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten kann man auch nur bis zu den Sternen sehen."

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