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Rezension zu
Schlesenburg

Worte, die man wirken lassen sollte

Von: Nadine Schmidt
27.09.2022

Mit dem teilweise autobiografischen Roman “Schlesenburg” legt der Autor Paul Bokowski eine packende Erzählung über Kindheit und Anderssein vor. Man ist ziemlich schnell drin, in dem beschriebenen kleinen Kosmos der Schlesenburg, der mit überwiegend polnischen Menschen besiedelten Siedlung, mit ihren eigenen, kuriosen Regeln und den vielen Einzelschicksalen und Traumata der Flucht. Wir erleben die Geschichten aus den Augen eines Kindes im Jahr 1989, manchmal springt der Autor mit uns in die Zeit nach der Schlesenburg. Aber größtenteils werden wir geleiten von den arglosen Einordnungen eines Kindes, von seinen verwirrten Gedanken, dem Versuch die Umstände einzuordnen und den eigenen Platz zu finden. Eingerahmt von Regeln jeglicher Art “Schlesenburg” vereint viele Menschen unterschiedlicher Nationen. Paul Bokowksi gelingt es sehr präzise, ganz feine und nachvollziehbare Charaktere zu skizzieren, deren Handlungen man schnell grob einschätzen kann. Der Hauptcharakter hat Freunde in der Siedlung, die seine eigenen Gegensätze überspitzt verkörpern. Eigentlich wäre er gerne so mutig und frech wie Apolonia, aber gleichzeitig befürchtet er, hinterrücks von ihr erschlagen zu werden. Dem gegenüber stehen Darius und Kuba, beide eher unterkomplex und traumatisiert. Die eigenen Regeln im Umfeld der Schlesenburg sind absurd, aber teilweise auch liebenswürdig. Für die Discounter im Umfeld gelten unausgesprochene Aufenthaltszeiten, in Nation eingeteilt. Wenn die Kinder einander zum Spielen abholen, ist es enorm wichtig, ob sie danach fragen, ob man “runter” oder “raus” kommen kann. Weniger spaßig sind die nicht aufgedeckten Regeln der Erzieherin im Kindergarten, die die Kinder beim Zettelziehen täuscht und so dafür sorgt, dass aus der Schlesenburg immer nur Hirten für das Krippenspiel angeheuert werden. Worte, die man wirken lassen sollte Paul Bokowskis Schreibstil hat zwei Seiten, einerseits schweift er manches Mal stark aus, was nicht zwingend negativ zu werten ist. Andererseits findet er so fabelhafte Formulierungen, dass man sich diese mehrfach durchlesen und für immer merken möchte. Besonders im Hinblick auf die Eltern schreibt er poetische und tiefgründige Beobachtungen, die mit Sicherheit beeinflusst von den autobiografischen Einflüssen sind. Ausgangspunkt von “Schlesenburg” ist der Wohnungsbrand bei Frau Galówka. Mit dem frei gewordenen Wohnraum kommen Ängste über den Zuzug von Russlanddeutschen, aber insgeheim haben einige in der Siedlung schon besondere Pläne für eine mögliche Nutzung. Auch wenn sich ein Handlungsstrang durch das Buch zieht, dann sind es eher die Nebenpfade, die interessant sind. Mit Sicherheit wirkt das Buch anders aus Menschen, die selbst eine ähnliche Geschichte haben. Aber grundsätzlich lässt sich für alle ein Roman über Kindheit, Familien und Fremdfühlen als Essenz ziehen. “Schlesenburg” von Paul Bokowski ist auf jeden Fall kein Roman zum Durchhetzen. Man sollte die Worte zu schätzen wissen und sie kurz sacken lassen, denn trotz allem vorhandenen Humor, ist es eigentlich die auf den Seiten festgehaltene Bitterkeit des Lebens, die dafür sorgt, dass man sich angefasst fühlt.

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