Von:
Ute Leser
12.03.2018
Als ich das vierte Buch von Freya v. Stülpnagel in den Händen hielt,
fiel mir als erstes das veränderte Schriftbild auf.
Das sich im Gegensatz zu ihren vorausgegangenen Büchern in einem
geerdeten Ocker präsentiert. Und eine wohltuende Wärme ausstrahlt.
Als wollte es uns unmissverständlich sagen: schaut her, welche lichte Farbe
das Vertrauen hat, wie viel Hoffnung die Trauer birgt.
Was mich unwillkürlich an die vier Jahreszeiten erinnert.
Die wir trauernd durchleben müssen, um ins Hier und Jetzt zu finden.
Zwanzig Jahre nach dem Suizid ihres geliebten Sohnes hat die verwaiste Mutter
und erfahrene Trauerbegleiterin den Mut gefunden, sich bewusster denn je dem
scheinbar verlorenen Leben anzuvertrauen.
Ohne den Schmerz verschleiern zu wollen, ohne die heilsamen Tränen zu verwischen.
Die für immer zu ihrem veränderten Wesen gehören und sich durch nichts als Liebe
erklären. In der tiefen Erkenntnis, dass die Zeit keine Wunden heilt und dennoch
gelernt hat, in Frieden mit ihnen zu leben.
Wobei das eingeflochtene Symbol der Schildkröte für den geschützten Raum der Trauer
steht und uns den Sinn der kleinen Schritte lehrt. Die sich sichtbar in Demut üben.
Dass die Autorin aus dem Reichtum ihrer Seele schöpft, hat sie dem Schicksal zu verdanken.
Das ihr so viel genommen hat und zugleich unendlich beschenkte.
Wie benannte sie es so lebensbejahend?
Schließlich geht es darum, an dem Verlust bzw. mit dem Verlust zu wachsen und zu reifen.
In dem Bewusstsein, dass ihre neue Lebensaufgabe ein Himmelsgeschenk ist.
Und Trauer für sie nicht Stillstand bedeutet, sondern Veränderung und Wandel.
Wer die ersten drei Bücher der Autorin gelesen hat, kann diesen Wandel deutlich spüren.
Zumal auch die scheinbar verlorene Lebensfreude hier Raum findet und mehr Wunder
birgt, als je zuvor. Weil sie aus Quellen schöpft, die ihr bis dahin verschlossen blieben.
Freya v. Stülpnagel gewährt uns nicht nur Einblicke in ihr altes, sondern vor allem
in ihr neues Leben. Das eine Dimensionen angenommen hat, die den Blick für das
Wesentliche bewahrt. Und sich allein der verwundeten Seele erschließt.
Dass sie soviel geben darf, verdankt sie der Trauer. Die ihr größter Lehrmeister war.
Und ungeahnte Kräfte entfalteten, die manchmal sogar über sich hinauswachsen sollten.
Woher sie ihre Weisheit nimmt? Aus dem gewachsenen Vertrauen.
Das offen für die verschlüsselten Zeichen der Liebe ist.
Und Trostsuchenden so viel davon abgeben kann, dass sie Schritt für Schritt
wieder ins Leben finden.
Danke, liebe Freya, für dieses bekennende, schmerzdurchlebte, heilsame Buch.
Das Schicksal tragenden Menschen Mut macht, den Glauben an die Schönheit
des Lebens der Hoffnung anzuvertrauen.