Jens Lapidus: Kreuzverhör

Die dunkle Seite Stockholms

Seit Jahren werden junge Mädchen von einem geheimen Täterring missbraucht. Jeder, der droht, die Machenschaften dieses menschenverachtenden Netzwerks aufzudecken, wird gnadenlos eliminiert. Anwältin Emilie vertritt eines der jungen Opfer. Katja ist schwer traumatisiert, stellt sich aber dennoch den quälenden Fragen der Staatsanwaltschaft, um die Peiniger dingfest zu machen. Als Katja brutal niedergemetzelt wird, setzen Emilie und ihr Freund Teddy - ein Ex-Knacki, der sich in der Stockholmer Unterwelt bestens auskennt - alles daran, den Mörder zu finden. Doch sie werden selbst von Jägern zu Gejagten, die mit aller Macht zum Schweigen gebracht werden sollen.

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Das Schloss der Balkontür gab mit einem klackenden Geräusch nach. Adan schob sie auf. Surri war deutlich gewesen. »Die Bullen haben unseren Mann, der diese Wohnung gemietet hat, hochgenommen, aber sie haben den Stoff da nicht gefunden. Wenn du also mal in die Wohnung reingehst und das suchst, was mir gehört, dann können wir die Hälfte deiner Schuld streichen. Du weißt ja schon, was ich für das Auto habe berappen müssen.«
Adan wand sich. »Wohnt da jetzt jemand drin?«
»Das kann dir scheißegal sein. Zumindest kommt vor morgen Abend niemand nach Hause.«

Adan erinnerte sich an ein Ereignis von damals, als sie klein waren und auf dem Hof spielten. Surri war vom Klettergerüst gefallen, wie ein kleiner Handschuh, und hatte sich das Knie aufgeschlagen. Es floss ein Schwall von Blut, so kam es ihnen zumindest vor, und in der Wunde saß jede Menge Kies. Sein Kumpel hörte nicht auf zu weinen. »Ich helfe dir. Komm, wir gehen nach Hause zu mir, ich glaub, mein Papa ist da«, sagte Adan, so freundlich er konnte. Sie waren sechs Jahre alt, und Adan wusste, dass sein Papa das Knie von Surri wieder heil machen konnte. Und so kam es auch – Papa reinigte die Wunde und klebte das größte Pflaster drauf, das sie je gesehen hatten. Als sie hinterher Kakao tranken, Kekse aßen und Toy Story auf DVD anschauten, sagte Surri: »Dein Papa ist besser als meiner darin, sich um kleine Krieger zu kümmern.«

Es handelte sich um eine Dreizimmerwohnung mit Küche. Adan schaltete das Licht in dem Raum ein, der wahrscheinlich das Wohnzimmer war. Dort standen ein grünes Stoffsofa, ein Couchtisch mit Glasplatte und ein Bücherregal. Dann war da etwas, das aussah wie eine Art Projektor. In beiden Schlafzimmern schmale, ungemachte Betten. Hier wohnten welche – warum sollten sonst auf dem Couchtisch Zeitungen liegen und ein T-Shirt über dem Stuhl hängen?
Es war allerdings sparsam möbliert, vielleicht war es jemand, der nur ab und zu hier übernachtete. Adan inspizierte den Mülleimer in der Küche, sah auf eine leere Milchtüte herab und vernahm einen Geruch, den er definitiv kannte: die Asche von Gras.
Er schaute Küchenregal und Kühlschrank durch. Wer immer hier wohnte, besaß massenhaft Chipstüten und saure Sahne, aber kein normales Essen. Er sah in den Ofen und die Spülmaschine, legte sich auf den Boden und leuchtete mit seiner Taschenlampe unter die Spüle und hinter den Kühlschrank. Es war staubig.
Manchmal waren die Leute einfallsreich. Trotzdem fand er nichts. Er nahm die Kissen im Sofa beiseite, fühlte mit der Hand unter Laken und Matratzen in den Betten. In dem einen der Schlafzimmer stand eine Tasche auf dem Boden. Er wühlte darin herum – ein paar T-Shirts, vier Paar Unterhosen und Strümpfe. Er stellte sich auf den Couchtisch und leuchtete in den Luftabzug an der Wand. Nichts.
Er fand nichts.
Noch mal das Wohnzimmer. Adan ging auf alle viere und schaute unters Sofa, leuchtete hinter das Bücherregal.
Die Person, die die Wohnung gemietet hatte, musste Surri reingelegt haben – denn hier gab es keinen Stoff. Oder die Bullen hatten das Zeug doch gefunden. Eigentlich war das jetzt nicht mehr Adans Problem, aber das würde Surri natürlich anders sehen.
Plötzlich hörte er etwas. Ein Geräusch aus der Diele.
Nein, es kam von der Galerie vor der Tür. Das waren Stimmen, da draußen.
Noch ehe Adan weiter darüber nachdenken konnte, rasselte es im Schloss. Verdammter FICK aber auch – da war jemand auf dem Weg in die Wohnung. Er schaltete das Licht im Wohnzimmer aus.
Jetzt hörte er Leute in der Diele reden. Die Stimme eines Mädchens und die eines Typen. Vielleicht sollte er einfach raustreten und die beiden zusammenschlagen, egal, wer sie waren. Doch – er war nicht so wie Surri. Er war kein schwerer
Junge
.
Adan kauerte sich hinters Sofa.
Die Stimmen wurden deutlicher. Das Mädchen redete von einer, die Billie hieß. Der Typ murmelte was von einem Fest.
»Gleich ist Party.«
Adan lag mucksmäuschenstill, versuchte, sich ganz ruhig zu verhalten. Er sollte nach Hamburg zurückfahren und diesen BMW-Verkäufer mit seinen eigenen Händen erwürgen – alles war nur die Schuld von dem.
Dann hörte er eine Tür zuschlagen, es klang weiter entfernt, so als wäre es die Toilettentür. Vielleicht war das seine Chance. Jetzt war nur noch die Stimme des Mädchens zu hören, sie summte irgendeinen Song. Der Typ war wahrscheinlich auf dem Klo. Es klang, als käme das Mädchen ins Wohnzimmer. Dann wurde es still. Adan hielt die Luft an, versuchte, nur zu lauschen. Leise Schritte. Pustelaute. Dann wieder Schritte, hinaus, zu einem der Schlafzimmer.
Jetzt.
Er stand auf. Das Wohnzimmer war leer. In zwei Riesenschritten war er an der Balkontür. Er dachte nicht mehr, lief auf Autopilot. Handelte einfach. Riss die Tür auf. Sah nicht zurück. Trat auf den Balkon, machte die Tür hinter sich zu. Sog die frische Luft ein.
Sprang übers Geländer.
Warf sich hinunter. Nein, fiel.
Wie Surri vom Klettergerüst.
Die Dunkelheit fühlte sich sicher an, aber es war viel zu kalt draußen. Die Noppenhandschuhe waren dünn wie Papier.
Adan lehnte sich an den Baum. Er versuchte, nicht mit seinem rechten Fuß aufzutreten. Im Fallen hatte er sich ernsthaft verletzt, im schlimmsten Fall war der verdammte Fuß gebrochen. Trotzdem wollte er hier nicht weggehen. Vor ihm auf dem Boden lag die Leiter, er hatte sie mit sich gezerrt, war mit dem Ding über den Schnee gehinkt. Surri würde wahnsinnig vor Wut werden, wenn er hörte, dass Adan nichts gefunden hatte. Aber es musste doch Surris eigener Typ gewesen sein, der ihn reingelegt hatte. Adan hatte ordentlich gesucht.
Seit vier Stunden stand er jetzt hier. Wartete einfach. Hoffte, dass der Schmerz im Fuß nachlassen würde. Die Wohnung war hell. Seltsame Farben erleuchteten die Wände, und Musik dröhnte aus der Balkontür, die ab und zu aufging. Da drinnen waren massenhaft Leute – man konnte sie durch die Fenster erkennen, wie verwischte Backgroundtänzer in einer Talentshow im Fernsehen.
Irgendwann im Laufe des Abends mussten die Idioten, die da drinnen feierten, doch mal abhauen oder sich wenigstens schlafen legen. Irgendwann mussten die Chips und die Dips doch mal alle sein. Dann würde er die Leiter aufstellen, und sich noch einmal reinschleichen. Den ganzen Place noch mal absuchen.
Er konnte hier nicht die ganze Nacht stehen – dazu tat ihm der Fuß zu sehr weh –, aber ein bisschen ging noch.
Er war kein wirklicher Krieger.
Aber warten konnte er.

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Jens Lapidus
© Pierre Björk

Der Autor

Jens Lapidus (geboren 1974) hat eine der erstaunlichsten Karrieren Schwedens inne. Er ist nicht nur einer der angesehensten Strafverteidiger des Landes, sondern auch einer der erfolgreichsten Autoren. Durch seine anwaltliche Tätigkeit verfügt er über mannigfaltige Kontakte zu Schwerverbrechern und genuine Einblicke in die schwedische Unterwelt, die Normalsterblichen normalerweise verwehrt bleiben. Die Authentizität, Schnelligkeit und Direktheit seiner Romane suchen ihresgleichen. Seine Bücher wurden in 30 Sprachen übersetzt, vielfach preisgekrönt und mehrfach verfilmt.

Übersetzt wurde "Kreuzverhör" aus dem Schwedischen von Susanne Dahmann.

Die Stockholm-Reihe

1

Emelie Jansson ist frisch gebackene Anwältin - und hoffnungsvoller Nachwuchs einer der angesehensten Anwaltsfirmen des Landes. Teddy ist ein Ex-Knacki, der für diese Firma Spezialnachforschungen betreibt und sich fortan auf der anständigen Seite des Lebens bewegen will. Doch dann wird in einem Sommerhaus auf den Stockholmer Schären ein schrecklich zugerichteter Toter gefunden, ein bewusstloser Mann wegen dieser Tat in U-Haft genommen, und ein Karussell setzt sich in Fahrt, das alles in Frage stellt, wofür Emelie und Teddie angetreten sind: Karriere, Freiheit, eine Zukunft. Wird es den beiden gelingen, die richtigen Entscheidungen zu treffen?

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