Weil wir Schwestern sind

Die Schwestern Katharina, Eva, Judith und Miriam könnten unterschiedlicher kaum sein und haben sich nicht viel zu sagen. Bis eine unverhoffte Nachricht aus Nepal ihr Leben auf den Kopf stellt: Ihre Mutter Hannah wird nach Hamburg zurückkehren. Nicht bei jeder der vier Schwestern löst die Aussicht auf ein Wiedersehen Begeisterung aus, denn Hannah hat die Familie vor fast dreißig Jahren von einem Tag auf den anderen verlassen. Während jede auf ihre Weise mit der eigenen Vergangenheit ringt, kommen die Schwestern sich allmählich wieder näher. Und haben sich auf einmal doch ziemlich viel zu sagen …


Die ersten Seiten aus »Weil wir Schwestern sind«

Altes Land, Juni 1997
Der Brief lag warm in seiner Hand. So viele Jahre hatte er auf ein Lebenszeichen gewartet, so viele Nächte wachgelegen und auf eine Erklärung gehofft, ein einziges Wort nur, das er den Mädchen ausrichten konnte.
Jetzt war ihr Brief endlich gekommen, mit vielen Worten sogar. Doch das, was er sich davon erhofft hatte, blieb aus: Trost.
Natürlich, es war gut zu wissen, dass sie wohlauf war. Sie hatte ihr Leben in den Griff bekommen, hatte sich in der Ferne etwas Neues aufgebaut. Er war ihr nicht böse, im Grunde liebte er sie noch immer. Oft ertappte er sich dabei, wie er abends im Bett mit ihr sprach, als läge sie noch immer neben ihm. Doch wenn er zur Seite tastete, war ihr Teil des Lakens kalt. Ihr Fehlen tat immer noch weh.
Aber es ging hier nicht um ihn, sondern um die Mädchen. Er musste jetzt vor allem an die Kinder denken.
Die Zwillinge hatten den Vorfall gut verarbeitet. Judith stellte gelegentlich Fragen zu ihrer Narbe, und er hatte eine Art Spiel daraus gemacht, ihr jedes Mal eine andere Geschichte zu erzählen. Wenn sie nur oft genug ein Märchen hörte, würde ihr am Ende vielleicht auch die Wahrheit nichts mehr anhaben können. Eva hatte keine sichtbaren Narben davongetragen. Ihre Gehirnerschütterung war schnell abgeklungen und hatte alle Erinnerungen an den Unfall in den Strudel des Vergessens gezogen. Sie sehnte sich danach, dass ihre Mutter zurückkam, das wusste er. Sie sagte es zwar immer seltener, aber in ihren akribisch versiegelten Briefen an das Christkind stand jedes Jahr nur ein Wunsch, immer derselbe. Der einzige, den er ihr nicht erfüllen konnte.
Miriam erinnerte sich nicht an Hannah. Für sie war sie nur die Frau von den Fotos, die über dem Klavier in der Stube hingen. Manchmal ertappte er sich dabei, dass er die Kleine dafür am allermeisten liebte – dafür, dass sie keine Erinnerungen hatte.
Aber dann war da noch Katharina. Von allen vieren bereitete sie ihm die größten Sorgen. Auch wenn sie nie über diesen Maitag vor fünf Jahren sprach, war er sich sicher, dass ihre Erinnerung nicht verblasst war. Sie war damals schon zehn gewesen und hatte bis auf eine geprellte Rippe keine größeren Verletzungen erlitten. Doch er ahnte, dass sie das, was geschehen war, niemals vergessen würde – auch wenn er ihr das manchmal wünschte. Oder wünschte er es in Wirklichkeit seinetwegen? Wenn sie tatsächlich die Wahrheit kannte, dann wusste sie auch um seinen Anteil an der Schuld.
Eigentlich hatte er direkt nach dem Unfall mit Katharina reden wollen, aber dann hatte ihn die Scham überwältigt und der Mut verlassen, und er hatte es aufgeschoben. Immer wieder aufgeschoben, so lange, bis es sich nicht mehr richtig anfühlte, überhaupt darüber zu reden. So war das Schweigen zwischen sie getreten, zwischen ihn und seine Älteste.

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Leserstimmen

tolles Buch

Von: Bine
04.05.2022

Es hat mir sehr gut gefallen und meinen Schwestern auch.

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Tolle Familiengeschichte für Zwischendurch

Von: _weltenleserin_
05.02.2022

https://www.instagram.com/p/CZl9ylRMyQ9/?utm_medium=copy_link

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Lucy Astner
© Ines Marquet/White Space Hamburg

Über die Autorin

Lucy Astner, Jahrgang 1982, lebt mit ihrem Mann und den gemeinsamen vier Kindern in Hamburg. Als Drehbuchautorin schreibt sie u.a. für Til Schweiger und Matthias Schweighöfer Kinokomödien. Ebenso erfolgreich ist Lucy Astner als Autorin von Kinderbüchern, z.B. mit der Serie um Polly Schlottermotz.

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