Von:
Buchlesenliebe
16.01.2024
1989 in einer fiktiven Kleinstadt in der ehemaligen DDR. Muna steht kurz vor ihrem Abitur und wächst in dysfunktionalen familiären Verhältnissen auf, da ihr Vater vor einigen Jahren an Lungenkrebs verstorben ist und ihre Mutter mit Alkoholproblemen sowie suizidialen Tendenzen zu kämpfen hat.
Trotz dieser schwierigen Umstände zeigt die kulturbegeisterte Muna eine erstaunliche Eigenverantwortlichkeit und Ambition. Während eines Praktikums bei der "Volksstimme" lernt sie den Französischlehrer und Fotografen Magnus kennen, in den sie sich Hals über Kopf verliebt. Nach einer kurzen Liaison vergehen sieben Jahre, in denen Muna Magnus nicht sieht. In dieser Zeit beginnt sie ein Literaturstudium in Berlin, erhält ein Stipendium für London und kehrt schließlich nach Wien zurück, wo sie sich mit kleineren Jobs an der Universität über Wasser hält.
Muna etabliert sich allmählich in akademischen Kreisen und beginnt eine Promotion, setzt sich außerdem intensiv mit feministische Theorien und Gender Studies auseinander. Dennoch stürzt sie sich immer wieder in toxische Beziehungen und kann ihre Gedanken nicht von ihrer vermeintlichen großen Liebe, Magnus, lösen. Schließlich trifft sie ihn zufällig bei einer Theateraufführung in Berlin wieder, und die beiden ziehen zusammen. Dies markiert den Beginn einer ungemein toxischen Beziehung, geprägt von emotionaler Abhängigkeit, an sich selbst gerichtete Schuldzuweisungen, Depressionen sowie Munas Abstieg in eine unaufhaltsame psychische und physische Gewaltspirale, die sich über mehr als 20 Jahre erstreckt.
Es ist nun einige Wochen her, dass ich "Muna" gelesen habe, und ich finde es immer noch schwer, mir eine abschließende Meinung zu bilden. Selten habe ich bei einem Roman so zwischen "das fand ich richtig gut" und "das hat mich überhaupt nicht angesprochen" geschwankt. Der Roman startete vielversprechend, hat mich jedoch über eine recht lange Strecke gänzlich verloren. Warum? Gute Frage. Möglicherweise liegt es an der gewissen sprachlichen Distanz und "Steifheit" des Textes, kleineren sprachlichen Fehltritten, auf die ich mich schnell versteifen kann oder
… vielleicht sind es die Erzählstränge über die gewissen elitären akademischen Kreise und Tendenzen, von denen ich mich aus persönlichen und - im Roman für mich bestätigten - Gründen vor Jahren distanziert habe. Ich weiß es nicht genau, nur, dass diese Kriterien definitiv subjektiver Natur sind und es mich einfach nicht erreicht hat.
Auf den letzten 200 Seiten des Buches erfolgte schließlich für mich die Wende. Leider dauerte dies zu lange, um das Buch als absolutes Lesehighlight bezeichnen zu können. Dennoch beschäftigt mich dieses vielschichtige und ambivalente literarische Porträt einer Frau, die über mehr als zwei Jahrzehnte in einer ungesunden (narzisstisch determinierten) Missbrauchsbeziehung gefangen ist, weiterhin und lässt mich nicht ganz los. Vielleicht liegt das daran, dass die Protagonistin eben keine klare emotionale Entwicklung in Bezug auf Magnus durchläuft, in ihren Mustern und Prägungen verhaftet bleibt, nicht zur „heilsamen Transformation“
fähig ist - trotz ihrer Bildungssozialisation und damit verbunden „kognitiven Ressourcen“. Vielleicht ist es genau dieser Verzicht auf einfache psychologische Antworten und Lösungen, zusammen mit der Vermeidung von Wertungen, der die authentische Darstellung einer komplexen, leidenden weiblichen Seele ausmacht und mich insgesamt doch berührt hat. "Muna" lässt mich auf jeden Fall sehr nachdenklich zurück.