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Rezension zu
Der Ruf der Bäume

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Die Verlockung der Apfelbäume

Von: Martin K.
30.01.2017

Ein Roman über Apfelbäume – kann das gelingen? Tracy Chevalier hat mit „Der Ruf der Bäume“ gezeigt, dass auch Apfelbäume zum Zentrum großer Familiengeschichten taugen. Ihr Roman ist eine packende Saga über den Ruf des Westens im Amerika des 19. Jahrhunderts. Tracy Chevalier siedelt ihre Familiensaga zwar eben in der Zeit des großen Goldrausches an. Ein wichtiger Teil der Handlung spielt auch in Kalifornien, doch es ist nicht das Gold, das im Mittelpunkt ihres Romans steht. Vor dem Hintergrund des großen Zugs nach Westen im Amerika des 19. Jahrhunderts erzählt Tracy Chevalier eine Geschichte über Migration. Sie schreibt über Heimat und die Sehnsucht nach dem, was von uns über den Tod hinaus bleibt. „Der Ruf der Bäume“ ist eine Coming-of-Age Geschichte in einem harten Jahrzehnt der US-amerikanischen Geschichte – mal Erzählung, mal Briefroman, aber nie platter Klischeeroman. Die Erzählung beginnt mit der Sehnsucht der Familie Goodenough, eine Heimat zu finden. Farmer James will unbedingt 50 Apfelbäume auf dem Land pflanzen, das er in der Nähe der großen Seen gerodet hat. Wem es gelingt eine Obstplantage mit mindestens 50 Bäumen zu betreiben, dem gehört das Land auf dem er sich niedergelassen hat. So will es das Gesetz. James Goodenough setzt daher alles daran, dieses Ziel im Sumpfland von Ohio zu erreichen. Von der väterlichen Farm vertrieben, will er endlich – wie seine Bäume – Wurzeln schlagen. Doch der Ort, den er sich dafür ausgesucht hat, gefällt nicht jedem in der Familie. Einen Verbündeten findet er nur in seinem Sohn Robert, der Jahre später den Mammutbäumen in Kalifornien verfällt. Anhand der Lebensgeschichte dieser beiden Männer zeigt Tracy Chevalier, dass Migration immer auch die Suche nach der Heimat mit sich bringt. Es geht immer auch um das Ankommen. Manche sind bereit, die alte Heimat aufzugeben und sich in der Ferne eine neue Heimat aufzubauen. Andere hängen noch lange den Erinnerungen an das Früher nach – oder verdrängen das, was mal passiert ist. Sie kommen daher nie im neuen Leben an. Aber Flucht ist kein Dauerzustand, mit dem wir Menschen umgehen können. Um uns zu Hause zu fühlen, brauchen wir die Erinnerungen an die Vergangenheit und die Möglichkeit uns neue positive Erinnerungen zu schaffen. Hier kommen bei Tracy Chevaliers „Der Ruf der Bäume“ die Apfelbäume ins Spiel. Der Pitmastoner Ananasapfel ist der Kitt, der die Bruchstellen von Chevaliers Roman zusammenhält. Sie sind der Antrieb für Vater James Goodenough und die Sehnsucht von Sohn Robert. Sie sind das Bindeglied der Generationen – auch über Staatsgrenzen hinweg. Während es zahlreiche Bücher und Erzählungen über den Goldrausch in Kalifornien gibt, fängt Tracy Chevalier mit „Der Ruf der Bäume“ die andere Seite dieses US-Bundesstaats zur Mitte des 19. Jahrhunderts ein. Sie stellt die Natur in den Mittelpunkt – und schafft damit brisante Aktualität. Die Menschheit macht sich die Fauna zum Untertan, damals wie heute. Die Liebe zur Natur wird aber in all der Hektik und sterilen Modernität der Cyberräume im 21. Jahrhundert zum Spleen. Gibt es Probleme, sind wir häufig als erstes Bereit den Schutz der Natur zu opfern. Genau an dieser Stelle gelingt es Chevalier in der „Ruf der Bäume“ der modernen Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten – ansprechend verpackt in eine dramatische Familiengeschichte im Wilden Westen. Ohne Fingerzeig, ohne Mahnung, ohne Oberlehrerhafte Botschaften – einfach durch die Geschichte in ihrem Roman, der noch dazu zwei Jahrhunderte zuvor spielt. Chevalier zeigt in „Der Ruf der Bäume“, warum der Mensch nicht ohne Bäume leben kann. Dem Roman fehlt es zwar an Cowboys, nicht aber an der Abenteuerlust der Westernerzählungen. „Der Ruf der Bäume“ punktet zudem mit einer überzeugenden Charakterzeichnung, einem langsamen Tempo und überraschenden Wendungen.

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