Sie haben sich erfolgreich zum "Mein Buchentdecker"-Bereich angemeldet, aber Ihre Anmeldung noch nicht bestätigt. Bitte beachten Sie, dass der E-Mail-Versand bis zu 10 Minuten in Anspruch nehmen kann. Trotzdem keine E-Mail von uns erhalten? Klicken Sie hier, um sich erneut eine E-Mail zusenden zu lassen.

Rezension zu
Zartbittertod

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Lesegenuss

Von: Tintenhain
28.03.2018

Mia Arnholt ist klar, dass es nicht sie sein wird, die zukünftig die Geschicke der kleinen, familiengeführten Schokoladenmanufaktur in Meißen lenken wird. Also braucht sie eine interessante Familiengeschichte, um sich für die Journalistenschule zu bewerben. Als ihr ein Foto in die Hände fällt, auf dem ihr Urgroßvater Jakob mit seinem Lehrherrn, dem bekannten Schokoladenfabrikanten Gottlob Herder nebst lebensgroßem Nashorn aus Schokolade abgebildet ist, ist ihr Interesse geweckt. Wie wäre es, wenn sie herausfinden könnte, wie und warum ihr dunkelhäutiger Urahn vor über hundert Jahren aus dem damaligen Deutsch-Westafrika nach Deutschland kam? Als sie bei dem alten Wilhelm Herder anruft, scheint dieser geradezu auf ihren Anruf gewartet zu haben. Mia macht sich sofort auf ins niedersächsische Lüneburg und muss schnell feststellen, dass ihre Wissbegier auf eine Mauer von Ablehnung stößt und zunehmend zur tödlichen Gefahr wird. Was genau verbergen die Herders? Und welchem streng gehüteten Geheimnis ist Mia auf der Spur? Klingt doch nach einem richtig spannenden Krimi mit einem Geheimnis, Mord und Totschlag und Dramatik! Ist es auch und dazu noch so viel mehr. Elisabeth Herrmanns neues Jugendbuch „Zartbittertod“ ist nicht nur eine actiongeladene Kriminalgeschichte mit einem Familiengeheimnis und tödlicher Bedrohung. Vielmehr vermittelt die Autorin ganz nebenbei interessante und genussvolle Einblicke in die Schokoladenherstellung und beleuchtet die Kolonialzeit um 1900 in Deutsch-Westafrika. Der Aufstand der Herero, der inzwischen auch von der Bundesregierung als Völkermord anerkannt wurde, bekommt zunehmend Bedeutung und mit Mias Vorfahren Karl und Jakob sowie deren Nachfahren im heutigen Namibia auch ein Gesicht. Ein Kapitel deutscher Geschichte, das im Geschichtsunterricht wenn überhaupt nur eine Nebenrolle spielt, wird aus der dunklen Ecke des Vergessens geholt, ein Jugendbuch, das sicher schon überfällig war. Mias mitreißende Suche nach ihrer eigenen Herkunft ist packend und lebendig geschrieben. Die Seiten fliegen beim Lesen nur so dahin und auch wenn ich eines der Rätsel bereits sehr früh lösen konnte, so blieben doch genug Geheimnisse, um die Spannung aufrecht zu erhalten. Denn wer so sehr bestrebt war, das die Familiengeschichte der Herders und der Arnholts unter dem Deckmantel des Schweigens verborgen bleiben sollte, das er über Leichen geht, kam dann doch überraschend, auch wenn es viele Verdachtsmomente in verschiedene Richtungen gab. Dabei halten sich die turbulenten Ereignisse im Haus des Schokoladenfabrikanten Herder und die fortschreitende Enthüllung des Familiengeheimnisses die Waage. Eine zarte, unaufdringliche Liebesgeschichte rundet den Roman ab. Herrmanns Appell an den für alle beteiligten fairen Umgang mit Rohstoffen wie Kakao und das Bestreben den Genozid an den Herero und Nama ins rechte Licht zu rücken, erreichen den Leser eher beiläufig und unaufdringlich, jedoch mit bleibenden Bildern. Die Einblicke in die Kolonialzeit werden von Tagebuchausschnitten von 1904, mit Originalzitaten gespickt, untermalt und führen in die Vergangenheit. Elisabeth Herrmann schreibt gewohnt dynamisch und bildhaft. Es entsteht ein hervorragendes filmreifes Kopfkino, das mich mithoffen und -bangen ließ. Die der Zielgruppe entsprechend jugendlich angehauchte Sprache ist locker, jedoch ohne in der Wortwahl zu übertreiben. Hier setzt Herrmann eher auf flapsige, ironisch-humorvolle Bemerkungen vor allem Erwachsenen gegenüber als auf „typische Ausdrücke“, die morgen schon keiner mehr kennt. Es steckt so viel in diesem Roman, den man einfach als spannenden Krimi lesen kann oder aber auch als einen Beitrag gegen das Vergessen. Ich fand „Zartbittertod“ einfach großartig, weil ich so viel mehr bekommen habe als ich erwartete und wenn man nach der Lektüre eines Buches beginnt, ausgiebig zu recherchieren, dann muss es wohl ein richtig gutes Buch gewesen sein! Ich jedenfalls habe anschließend einiges zur Kolonialpolitik Deutschlands gelesen und im Speziellen zum Herero-Aufstand Anfang des 20. Jahrhunderts, der als erster Völkermord des 20. Jahrhunderts in die Geschichte einging. Nicht, dass ich nicht schon davon gehört hätte, aber wirklich beschäftigt habe ich mich damit bisher nicht. Auch meiner Schulzeit spielte die Kolonialpolitik Deutschlands im Geschichtsunterricht nur eine geringe Rolle. © Tintenhain

Wir stellen nicht sicher, dass Rezensent*innen, welche unsere Produkte auf dieser Website bewerten, unsere Produkte auch tatsächlich gekauft/gelesen haben.