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Rezensionen zu
Michail Bulgakow, Das Hundeherz. Vollständig neu übersetzt von Alexandra Berlina

Michail Bulgakow

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Bulgakow wird gerade, aus naheliegendem Anlass, ein wenig wiederentdeckt. So richtig verstehen und einordnen kann man den großen russisch-ukrainischen Satiriker aber eigentlich nur, wenn man den geschichtlichen Kontext seiner Erzählungen betrachtet. Natürlich funktioniert Das Hundeherz auch als fantastische Erzählung, mit einem gewissen Mary Shelley Flair, aber im Wesentlichen ist es doch eine zynische Abrechnung mit der Sowjetunion und ihrem bigotten Herrschafts- und Gesellschaftsregime. Das Hundeherz wurde 1925 geschrieben. Zu einer Zeit als die Ideale der kommunistischen Revolution von Bürokraten, Funktionären und machtlüsternen Opportunisten mehr oder weniger verraten wurden. Die „Neue Ökonomische Politik“ mit teilweise kapitalistischer Produktionsweise wurde von Vielen als das Gegenteil des revolutionären Gedankens verstanden. Auch die Widersprüche und Konflikte zwischen Arbeiter*innen, Intellektuellen, Vermögenden und Politakteur*innen wurden auf die Machterhaltungsstrategie von Lenin und der kommunistischen Partei zurückgeführt. Die ausbleibende weltweite Revolution und die sich verschlechternden Lebensumstände führten zu einer geistigen Abkehr und zur Vertiefung der eigentlich überwunden geglaubten Gräben zwischen den verschiedenen Klassen. „Terror funktioniert nicht, keinesfalls, ob nun weiß, rot oder von mir aus braun!“ In dieser angespannten Zeit entfaltet Bulgakow eine satirische, zynische Groteske, die zwar als Science-Fiction-Dystopie beworben wird, aber eigentlich vielmehr eine überzeichnete Gegenwartskritik ist. Die zudem 100 Jahre später leider fast nichts von ihrer Kritik an Wissenschaft und Politik eingebüßt hat. Bedenkt man, dass auch Mary Shelleys Frankenstein in den Bereich der Science-Fiction eingeordnet wird, sogar von manchen als Begründung des Genres gesehen wird, dann passt das auch wieder. In beiden Fällen haben wir den Prototyp des genial-fanatisch-wahnsinnigen Wissenschaftlers. Ganz dem Fortschrittsglauben und dem Szientismus verfallen, wird gemacht, was gemacht werden kann. So verpflanzt der „verrückte“ Professor Preobraschenski munter Organe von Toten, um seiner zahlungskräftigen Klientel das Leben zu verschönern. Sei es zur Verjüngung oder einfach nur Wiederherstellung jugendlicher Sexualität. Als der Professor eines Tages den Straßenhund Bello aufliest, nimmt das Verhängnis seinen Lauf. Der Chirurg operiert das verletzte Tier und implementiert ihm die Hypophyse eines gerade Verstorbenen. Was als Experiment zur Verjüngung gedacht war, wird ein wahres Frankenstein-Desaster. Denn Bello verwandelt sich rasend schnell in den Genossen Bellski. Ein Mensch-Hund-Hybride mit dem weitestgehenden Aussehen eines Menschen, einigen Eigenschaften des Verstorbenen und dem grundlegenden Charakter von Bello. Der neue Bürger ist geboren. Der Wahnsinn nimmt seinen Lauf. „Ohne Nahrung kann ich nicht bleiben…“ Das Hundeherz ist aber definitiv Liebhaber-Literatur. Man muss entweder Bulgakow mögen, ein Interesse an der Phase der russischen Revolution haben oder ein Sammler fantastischer Geschichten bzw. Grotesken sein. Wer mit alldem nicht anfangen kann, wird sich vermutlich sehr schwer mit der Lektüre tun. Viele Anspielungen, viele zeitgemäße Betrachtungen sind nur mit (zumindest geringen) Kenntnissen Sowjetrusslands nach der Revolution wirklich zu erkennen und zu würdigen. Sei es die Anspielung auf Personen wie Isadora Duncan, Friedrich Engels, Karl Kautsky und Michail Wassiljewitsch Lomonossow oder die Konflikte zwischen Intellektuellen und Proletariern im verarmenden Russland. Die ganze Geschichte ist eine Anklage und Abrechnung, wobei der Handlungsrahmen für die Botschaft herhalten muss. Das ist etwas Literatur mit dem Holzhammer. Aber für Fantasten ist es allemal eine kurzweilige Unterhaltung.

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