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SPECIAL zu Charlotte Link

„Solche Charaktere faszinieren mich“

Interview mit Charlotte Link

BENET: Ihr neues Buch „Der Beobachter“ erscheint Anfang Dezember bei Blanvalet. Es geht unter anderem um einen Psychopathen, der das Leben wildfremder Frauen beobachtet. Wie schwer fällt es Ihnen, sich in solche Charaktere hineinzuversetzen? Wie viel Recherche müssen Sie für so einen Plot betreiben?
Charlotte Link: Zunächst einmal: Es handelt sich in „Der Beobachter“ nicht um einen Psychopathen, aber um einen hochgradig gestörten Menschen, der vollkommen aus der Spur geraten ist. Solche Charaktere faszinieren mich, und es stellt sich für mich kaum noch die Frage, ob es schwierig ist, in sie einzutauchen; es ist auf jeden Fall unglaublich spannend. Ich beschäftige mich im Vorfeld der eigentlichen Arbeiten an dem Buch, also im Vorfeld des Schreibens, dann fast rund um die Uhr mit einer solchen Figur, versuche mich langsam und beharrlich in das Denken und Fühlen dieser mir im Prinzip fremden Wesensstruktur hinein zu arbeiten. Das hat viel mit Intuition, mit Einfühlen zu tun. Zum anderen betreibe ich handfeste Recherche, informiere mich über verschiedene Störungsbilder, wie Zwanghaftigkeiten, Wahn, Schizophrenie – oder was immer im jeweiligen Fall in Frage kommen könnte.

Wie leicht fällt Ihnen überhaupt das Schreiben? Füllt sich Seite auf Seite wie von selbst, oder ist jeder Satz harte Arbeit?
Das ist sehr verschieden. Es hängt von meiner persönlichen Tagesform ab, aber auch davon, ob mir eine Szene sehr liegt oder mir eher Schwierigkeiten bereitet. An guten Tagen merke ich überhaupt nicht, wie die Zeit beim Schreiben verfliegt. An schlechten schleicht sie dahin – und am Ende lösche ich manchmal entnervt die letzten fünf Seiten und versuche es am nächsten Morgen von neuem.

Historischer Roman, Familiensaga, Krimi – thematisch haben Sie ja schon sehr unterschiedliche Genres abgedeckt. Doch würden Sie auch gerne einmal eine ganz andere Art Buch schreiben, vielleicht ein Jugendbuch oder einen Sachtitel?
Ich habe Ende der achtziger Jahre bereits eine Jugendbuchreihe geschrieben, die aus immerhin vier Bänden bestand. Abenteuer- und Pferdegeschichten. Mir hat das Spaß gemacht, insofern könnte ich mir so etwas auch einmal wieder vorstellen.

Gibt es unter den vielen von Ihnen erschaffenen Figuren eine, die Ihnen besonders ans Herz gewachsen ist?
Nein. Mir ist immer das Buch, an dem ich arbeite, das Nächste, die Figuren stehen mir ganz nah, besetzen mich rund um die Uhr. Es fällt mir am Ende nie ganz leicht, mich von ihnen zu trennen. Sie werden dann jedoch von ihren Nachfolgern abgelöst.

Wie wichtig ist Ihnen die Kommunikation mit Ihren Lesern, und hat sie vielleicht sogar Einfluss auf Ihre Arbeit als Autorin?
Ich kommuniziere sehr gerne mit meinen Lesern, freue mich über Briefe und versuche, alle Fragen, die mir gestellt werden, persönlich zu beantworten. Es ist mir wichtig, zu hören und zu lesen, wie meine Leser ein Buch beurteilen, wie sie zu den einzelnen Charakteren oder zu der Handlung insgesamt stehen. Tatsächlich gehen aber Ansichten und Einschätzungen der Leser sehr auseinander, insofern lasse ich mich nicht beeinflussen, was meine jeweils nächste Arbeit angeht: Das käme einem andauernden Spagat gleich.

Wie sind Sie seinerzeit als Autorin zur Penguin Random House Verlagsgruppe gekommen?
Ich hatte ja als junge Autorin beim Rowohlt Verlag in Hamburg begonnen und dort zwei Bücher veröffentlicht. Als dort nahezu gleichzeitig der Verlagsleiter, meine Lektorin und der Cheflektor des Taschenbuchs zu anderen Verlagen abwanderten, fühlte ich mich etwas heimatlos. Der ehemalige Cheflektor war es dann, der mir eine Zusammenarbeit innerhalb der Bertelsmann-Verlagsgruppe – so hieß das damals noch – anbot.

Ihren ersten Roman, „Die schöne Helena“ haben Sie ja bereits mit 19 Jahren veröffentlicht und seitdem zahlreiche Bestseller gelandet. Wie haben sich Ihre Bücher, wie hat sich die Verlagsbranche in dieser Zeit verändert?
Meine Bücher haben sich zum einen vom historischen Roman zum Kriminalroman hin verändert, was eine ganz andere Art des Schreibens und Arbeitens bedeutet. Darüber hinaus stelle ich fest, dass mit zunehmendem Alter das gesamte Weltbild, die Einschätzung der Menschen, die Beurteilung von Ereignissen und so weiter immer komplexer wird. Dadurch auch schwieriger abzuhandeln. Ich glaube, dass man das meinen Romanen anmerkt. Mein Denken ist differenzierter. Mein Schreiben dadurch hoffentlich auch. Aber auch die Verlagsbranche selber ist einfach schneller geworden. Früher schien es, verglichen mit heute, geruhsamer zuzugehen. Beispielsweise werden heute die jeweiligen Programme viel früher festgelegt, und manchmal ist man als Autor noch am Schreiben des Buches, da muss schon der Titel gemacht und das Cover entworfen werden.

Was erwarten Sie heute von Ihrem Verlag, was ist Ihnen in der Zusammenarbeit besonders wichtig?
Ganz wichtig ist für mich die unmittelbare Zusammenarbeit mit meiner Lektorin, die in meinem Fall zugleich auch meine Verlegerin ist. Sie ist der einzige Mensch, der in einem sehr frühen Stadium schon erfährt, was ich als nächstes plane, welche Probleme ich dabei sehe, welche Unsicherheiten mich verfolgen. Ich muss das Gefühl haben, dass sie mir genau zuhört, mich versteht, mich ernst nimmt. Ich muss ihr gegenüber, was das neue Projekt betrifft, ganz „ins Unreine“ sprechen und mich darauf verlassen können, dass sie begreift, wohin ich will. Zum Glück verstehe ich mich wunderbar mit meiner Lektorin und habe großes Vertrauen zu ihr.

Frau Link, Sie werden immer wieder mit den großen angelsächsischen Spannungsautorinnen wie Minette Walters verglichen. Schmeichelt Ihnen das, oder empfinden Sie diese Festlegung eher als hinderlich?
Ich empfinde diese Festlegung manchmal als schwierig. Ich werde in diesem Zusammenhang nämlich oft von Journalisten gefragt, worin denn die Gemeinsamkeiten und Übereinstimmungen mit den angelsächsischen Spannungsautorinnen genau bestehen. Obwohl der Vergleich nicht von mir stammt, muss ich mir dann immer die Belege dafür aus den Fingern saugen.

Seit diesem Sommer sind Ihre Bücher auch als E-Book erhältlich. Welches Verhältnis haben Sie zum neuen Medium?
Ich freue mich sehr, dass ich mit meinen Büchern in den E-Book-Bereich vordringen konnte. Ich selber habe, ehrlich gesagt, noch kein wirkliches Verhältnis zu diesem Medium. Ich habe versucht, ein Buch auf diese Art zu lesen, fühlte mich aber irritiert und konnte mich nicht konzentrieren. Wahrscheinlich ist es eine Gewohnheitssache, aber bislang ziehe ich die herkömmlichen Bücher vor.

Wie ist überhaupt Ihr Verhältnis zu Internet und digitalen Medien?
Ich benutze das Internet ständig. Wie viele andere Menschen auch frage ich mich oft, wie früher eigentlich alles ohne dieses Medium funktioniert hat. Für Recherchezwecke ist das Internet genial. Im Nachhinein hatte es natürlich auch einen Reiz, sich durch Bibliotheken zu graben, wie ich es früher tat, aber es dauerte alles sehr viel länger und war äußerst umständlich.

Und zum Schluss natürlich die Frage: Wie sieht Ihr nächstes Projekt aus?
Sorry. Darüber spreche ich wirklich nie!

mit freundlicher Genehmigung © BeNet Gütersloh, 2011


Der Beobachter

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