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Heide Fuhljahn: »Kalt erwischt. Wie ich mit Depressionen lebe und was mir hilft«

Heide Fuhljahn über ihr Leben mit der Depression & »Kalt erwischt«

»Es muss noch viel getan werden, um gegen das Stigma ›verrückt‹ anzugehen«

In Ihrem Buch »Kalt erwischt« schildern Sie Ihre Erfahrungen mit Depressionen. Ist Ihnen dieser Schritt, all das aufzuschreiben, schwergefallen?

Heide Fuhljahn: Nein. Schreiben ist mein Beruf, es gibt kaum etwas, was ich lieber tue. Und die persönliche und journalistische Beschäftigung mit dem Thema hat mir Sicherheit gegeben und das Gefühl, weniger ohnmächtig zu sein. Vielleicht sind meine Erfahrungen und meine Recherchen jemandem nützlich – damit fühle ich mich gleich besser.

Bücher über Depressionen gibt es viele – was unterscheidet Ihr Buch von anderen?

Heide Fuhljahn: Es ist eine Mischung aus meinen persönlichen Erfahrungen, Interviews mit Experten (z. B. zum Thema Antidepressiva) und außerdem ein Ratgeber mit vielen Tipps, wo sich Patienten Hilfe holen können. Ein solches Buch mit diesem Mix gibt es, soweit ich weiß, bisher noch nicht.

Etwa vier Millionen Deutsche leiden an Depressionen, schreiben Sie. Die Zahl der Betroffenen nimmt rasant zu. Ist unser Umgang mit dem Thema offen genug?

Heide Fuhljahn: Wenn man die zunehmende Offenheit in den Medien sieht, könnte man meinen, ja. Aber wenn ich mit Menschen spreche, habe ich immer noch den Eindruck, dass psychische Erkrankungen in vielen Angst auslöst – was ich verstehen kann. Nicht umsonst wird lieber von Burnout als von einer Depression gesprochen. Ich glaube, es muss noch viel getan werden, um gegen das Stigma »verrückt« anzugehen.

Wenn sich jemand den Fuß bricht, schicken die Kollegen Genesungswünsche. Bei einer psychischen Krankheit ist das Umfeld verunsichert, viele wissen nicht, wie sie mit dem Betroffenen umgehen sollen. Was würden Sie raten?

Heide Fuhljahn: Genau das zu thematisieren. Ich habe es immer als erleichternd empfunden, über Gefühle offen sprechen zu können. Wer also verunsichert ist, kann das ruhig sagen; die Betroffenen haben häufig selbst Berührungsängste mit der Psycho-Welt. Hauptsache, man kommuniziert miteinander, tauscht sich aus – es muss ja nicht direkt, sondern kann auch am Telefon, per Mail oder SMS sein. Einen Rückzug ihres Umfeldes erleben gerade Menschen mit einer seelischen Erkrankung oft als kränkend.

Ein Kapitel Ihres Buches widmen Sie Depressionen bei Frauen. Warum?

Heide Fuhljahn: Überall liest man, dass Frauen doppelt so häufig an Depressionen erkranken wie Männer. Mich hat interessiert, warum das so ist – doch in den meisten Werken in der Buchhandlung, die ich mir angesehen hatte, stand dazu nichts. Die Fachbücher dagegen thematisieren den Geschlechterunterschied ausführlich. Und so dachte ich, es wäre gut, wenn es ein ganz normales Buch gibt, welches sich mit dem Faktor Frau befasst. Zum Beispiel mit dem Einfluss von weiblichen Hormonen, dann sind Frauen häufiger allein erziehend und arm und damit besonderen Belastungen ausgesetzt … um die bestmögliche Behandlung zu bekommen, ist es wichtig, die genauen Ursachen herauszufinden. Und die sind bei Frauen oft andere.

In Ihrem Buch beschreiben Sie, wie Sie mit Depressionen leben und was Ihnen hilft. Was tun Sie heute, wenn Sie merken, dass es Sie wieder »kalt erwischt«?

Heide Fuhljahn: Es klingt vielleicht erst einmal banal, aber mir hilft es sehr, zu meinen Gefühlen zu stehen. So bin ich extrem aufgeregt vor meiner ersten Lesung. Meine Angst, verbal angegriffen zu werden, ist so groß, dass ich depressiv reagiere – ich kann mich kaum noch konzentrieren, mache bei der Arbeit Fehler, schlafe schlecht und möchte mich am liebsten unter dem Bett verkriechen. Dieser Lähmung begegne ich mit zwei für mich wirksamen Strategien. Zum einen habe ich vor Kurzem an einer Lesung als Zuhörerin teilgenommen. In mein Notizbuch habe ich mir aufgeschrieben, was ich mir von dem Autor abgucken kann – zum Beispiel langsam zu lesen. Dann frage ich mich, woher meine Angst kommt – und finde heraus, aus meiner Zeit im Internat, dort bin ich sehr attackiert worden. Also weiß ich: Meine Gefühle sind die der »kleinen Heide«, meines inneren Kindes. Wenn ich die anerkenne, mir innerlich sage, dass mein erwachsenes Ich mein kindliches Ich beschützen wird, geht es mir besser. Vielleicht ist das schwer nachvollziehbar. Aber eben zu meinem Weg der seelischen Bewältigung zu stehen, auch wenn andere das abstrus finden, hilft.