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Tess Gerritsen: Blutzeuge

Interview mit Tess Gerritsen zu Blutzeuge

Tess Gerritsen
© Josh Gerritsen
Heutzutage gehört Tess Gerritsen zu den erfolgreichsten US-amerikanischen Krimi- und Thrillerautoren. Allerdings hat sie auf dem Weg an die Spitze einen ungewöhnlichen Weg eingeschlagen. Nach ihrem Studienabschluss an der Stanford University wurde sie an der University of California in San Francisco in Medizin promoviert. Während der Babypause fing die praktizierende Ärztin an zu schreiben und veröffentlichte 1987 ihren ersten Roman, Der Anruf kam nach Mitternacht, den ersten von insgesamt neun Ladythrillern.

Ihre Fans lieben sie indes hauptsächlich für die Rizzoli-&-Isles-Serie. Am 20. November 2017 erscheint mit Blutzeuge der zwölfte Band der Serie. Es ist schwer zu glauben, dass die Geschichte von Rizzoli und Isles ihren Ursprung bereits 2001 mit Die Chirurgin hatte. Die Romane rund um Mordermittlerin Jane Rizzoli und Pathologin Maura Isles liegen überdies der TNT-Fernsehserie Rizzoli & Isles mit Angie Harmon und Sasha Alexander in den Hauptrollen zugrunde. Tess Gerritsen hat uns ein paar Fragen beantwortet.

Was hält Blutzeuge für Krimifans bereit?
In Blutzeuge müssen Jane und Maura den Mord an einer Horrorfilm-Produzentin aufklären, deren Augen zwar entfernt wurden, doch ansonsten bleibt die Todesursache unklar. Tage später wird ein zweites verstümmeltes Mordopfer gefunden – und wieder lässt nichts auf die genaue Todesursache schließen. Um den Fall aufzuklären, muss Maura jemanden um Hilfe bitten, den sie eigentlich nie wiedersehen wollte: Pater Daniel Brophy, den sie insgeheim immer noch liebt.

Was hat Sie zu dieser Geschichte inspiriert?

Ursprünglich eine Italien-Reise, die ich vor einigen Jahren unternommen habe: Da hatte ich so viele Kirchen und Kunstmuseen besichtigt, dass irgendwann all diese religiösen Bilder vor meinen Augen verschwammen – bis ich mir ein Buch über Kunstgeschichte mit dem Titel How to Read a Painting („Bilder entschlüsseln und verstehen“, nicht auf Deutsch erschienen) kaufte und mich über den Symbolismus in religiösen Gemälden schlaumachte. Das hat mir die Augen für Symbole in diesen Bildern geöffnet, die ich zuvor gar nicht bemerkt hatte. Mit einem Mal erkannte ich, dass die Frau mit dem Salbgefäß Maria Magdalena war, und ein Mann, der Pfeile verschoss, musste der Heilige Sebastian sein. Von diesem Moment an war jedes Gemälde wie eine Schatzsuche, und ich hielt nur noch Ausschau nach den entscheidenden Hinweisen, die mir die Identität der dargestellten Person verraten würden. Dann kam mir eine Idee: Was, wenn ein Mörder so etwas an Tatorten unternähme? Wenn er Hinweise hinterließe, die auf religiöse Kunst verwiesen? Leser, die im katholischen Glauben bewandert wären, dürften dann doch sofort verstehen, was der Täter mit seinem Tatort sagen wollte? Allerdings würden sich dann auch noch weitere Fragen stellen: Was treibt den Mörder an, und an wen sind seine Hinweise gerichtet?

Haben Sie Rizzoli und Isles von Anfang an als Serienheldinnen konzipiert?
Eine Serie war nie geplant. Als ich Die Chirurgin schrieb, das erste Buch über Jane Rizzoli, ging ich davon aus, dass der Roman ein Einzelband würde, entsprechend habe ich Jane auch bloß als Nebenfigur eingeführt, die ursprünglich am Ende des Romans sterben sollte. Doch während die Geschichte zusehends Gestalt annahm, hat sich Jane immer mehr ins Zentrum der Ereignisse gedrängelt. Als ich schließlich bei ihrer Sterbeszene ankam, konnte ich sie einfach nicht umbringen. Ich hatte sie immer besser kennengelernt und mochte sie zu sehr! Nachdem ich fertig war, fragte ich mich immer wieder, was ihr wohl als Nächstes bevorstehen könnte. Würde sie sich je verlieben? Würde sie ihr Glück finden? Um das herauszufinden, habe ich Der Meister geschrieben. Darin führte ich eine neue Nebenfigur namens Maura Isles ein, die in Boston gerade frisch zur Pathologin berufen worden war. Über kurz oder lang war ich auch von Maura fasziniert, also schrieb ich ein drittes Buch, Todsünde. So ging es mit der Serie los – indem ich immer weiter Zeit mit diesen beiden Frauen verbringen wollte.

Nach zwölf Bänden müssen Jane Rizzoli und Maura Isles Ihnen wie gute Freundinnen vorkommen. Sind Sie überrascht, welche Wendungen ihr Leben genommen hat?
Und wie! Ich hatte für sie nie gewisse Entwicklungen vorgesehen, und ihr Leben hat sich gewissermaßen erst im Schreibprozess entfaltet. Ich hatte anfangs keine Ahnung, wer Mauras leibliche Eltern sein könnten, und wusste auch nicht, dass sie sich in einen Mann verlieben würde, der ihr sowohl großes Glück als auch ein gebrochenes Herz bescheren sollte. Ich wusste nur, dass sich die Freundschaft der beiden mit der Zeit vertiefen würde und dass sie genau wie echte Menschen diverse Hindernisse im Leben würden bewältigen müssen.

Dass sich gleich zwei so starke, kompetente Frauen das Rampenlicht teilen, ist höchst selten. Da könnte ich mir vorstellen, dass Sie sich beim Schreiben mit nicht enden wollenden Positionskämpfen herumschlagen müssen. Wie finden Sie die Balance, die sowohl den Figuren als auch den Lesern gerecht wird?
Je nachdem, welche Rolle sie im jeweiligen Buch spielen, wechseln sich die beiden im Rampenlicht ab. In Schwesternmord stand Maura klar im Mittelpunkt, weil es in der Geschichte um die Suche nach ihren leiblichen Eltern ging – und um das schockierende Ergebnis dieser Suche. In Scheintot wiederum nimmt Jane die Hauptrolle ein, als sie ins Krankenhaus geht, um ihr Kind zur Welt zu bringen, und als Geisel genommen wird. Ich sehe es nicht als Gerangel um die Vormachtstellung an. Es geht eher darum, wer gerade tiefer in einer persönlichen Krise steckt.

Sie schrecken in Autopsie- oder Tatbeschreibungen nicht vor expliziten Details zurück. Sind derlei Szenen schwer zu schreiben?
Nein, eigentlich nicht. Ich bin von Haus aus Ärztin und habe entsprechend einen eher klinischen Blick auf blutige Angelegenheiten, insofern ist es vielleicht ein bisschen, wie zur Arbeit zu gehen. Man geht seinem Job nach, macht sich die Hände blutig, wäscht sie sich und geht wieder nach Hause, um zu Abend zu essen. Was es für mich umso erträglicher macht, ist der Umstand, dass ich im Text nie die Gewalttat an sich beschreibe. Meine Figuren betreten immer erst die Bühne, wenn die schreckliche Tat bereits verübt wurde, und dann müssen sie ihrer Arbeit nachgehen, und das tun sie auch. Für mich persönlich schafft das eine gewisse Distanz zu der erschütternden Natur des Verbrechens.

Unterscheidet sich der Schreibprozess eines einzeln stehenden Romans von dem eines Serienbands?
Sehr sogar. In der Serie versuche ich, das verhältnismäßig komplexe Leben meiner Figuren immer ein Stück weiter voranzutreiben, und da gibt es zahlreiche Aspekte, die ich im Blick behalten muss: nicht nur Jane selbst, sondern auch ihre Eltern, ihre Brüder, ihre Kollegen, ihren Mann, ihr Kind. Auch die Höhen und Tiefen in Mauras Liebesleben wollen entwickelt werden, und genau wie im echten Leben gibt es auch hier nicht den einen perfekten Schlusspunkt. Ich mag dieses Durcheinander einer Serie, die unterschiedlichen Erzählstränge, die miteinander ein Geflecht eingehen. In einem einzeln stehenden Roman muss am Ende alles aufgelöst werden, oder aber der Schluss ist für den Leser unbefriedigend.

Wie kamen Sie überhaupt dazu, Kriminalliteratur zu schreiben?
Ich habe seit meiner Kindheit Krimis gelesen – an alledem ist Nancy Drew schuld!

Gibt es irgendein Genre, das Sie gern ausprobieren würden?
Ich hab bereits diverse Genres ausprobiert: den historischen Roman (Leichenraub und Totenlied), Science-Fiction (In der Schwebe) sowie Liebesromane. Von all diesen Genres schreibe ich am liebsten historische Romane.

Wie schreiben Sie? Sind Sie so diszipliniert, dass Sie sich Tages- oder Wochenziele setzen, oder funktioniert das Schreiben bei Ihnen eher aus dem Bauch heraus?
Ich schreibe eher intuitiv, und oft habe ich, bis drei Viertel meines ersten Entwurfs stehen, nicht die geringste Ahnung, wie ich den Fall lösen will. Trotzdem bin ich diszipliniert genug, um meine Manuskripte pünktlich abzuliefern. Allerdings bin ich gerade im Moment, da ich keinen Vertrag erfüllen muss und einfach so ins Blaue hineinschreibe, erstaunlich leicht ablenkbar!

Wer oder was beeinflusst Sie als Krimiautorin?
Zuallererst einmal die Nachrichten. Viel von alledem, was ich geschrieben habe, hat seinen Ursprung in einer Zeitungsmeldung, obwohl die mitunter nur marginal mit einem Verbrechen zu tun gehabt haben mag. Vor Scheintot beispielsweise habe ich einen New-York-Times-Artikel über Sexhandel gelesen, und Totengrund lag eine Meldung über ein fehlgeschlagenes Nervengasexperiment der Army zugrunde.

Was steht als Nächstes auf Ihrer To-do-Liste?
Ich arbeite derzeit an einem einzeln stehenden Thriller, der rein gar nichts mit all dem zu tun hat, was ich zuvor geschrieben habe. Außerdem arbeiten mein Sohn und ich gerade an einer Doku über … Schweine! Wir reisen viel und interviewen die unterschiedlichsten Experten – von Küchenchefs über Religionswissenschaftler bis hin zu Minischweinbesitzern – und haben dabei eine Menge Spaß. Das Leben ist endlich, habe ich mir gesagt, und genau jetzt ist der Moment, um all meine verrückten, kreativen Bedürfnisse zu stillen.

Blutzeuge

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