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Rezension zu
Tunnelspiel

Krimi mit erfreulich normaler Heldin

Von: Edith N.
27.02.2019

Bad Oeynhausen, Sommer 2014: Als Lokalreporterin Ira Wittekind (54) und ihr Lebensgefährte Andreas Weyer auf einer Radtour am alten Schlachthof vorbeikommen und dort Rettungswagen, Notarzt, ein halbes Dutzend Polizeiautos sowie jede Menge Neugieriger stehen sehen, ist der Ausflug vergessen. Man hat einen Toten gefunden den man „erst vom Gitter schneiden musste“. Mehr erfahren Ira und Andy nicht. Doch Ira ist schon lange im Geschäft und weiß, wie sie an Informationen kommt: Der Tote ist der Verleger Lorenz Brenner, 47, verheiratet, ein Kind. Seine Familie ist vermögend. Umso überraschender, dass sein Verlag so eine heruntergekommene Klitsche ist, in der nur noch eine unbezahlte Praktikantin herumwurstelt und alles abwickelt. Er war schon ein Herzchen, dieser Lorenz Brenner! Weder seine Familie noch seine Geschäftspartner lassen ein gutes Haar an ihm. Er hat alle hintergangen und übervorteilt. War es überhaupt Mord? Die Auffindesituation des Toten war, nun ja: pikant. Es könnte auch eine SM-Nummer gewesen sein, die schief gegangen ist. In dieser Szene kennt sich Iras Nachbarin in Bielefeld aus. Doch als Ira sie um ein paar Informationen bitten will, ist die Frau plötzlich unter mysteriösen Umständen verschwunden. Also sucht Ira nun ihre Nachbarin – und die Geschichte hinter dem Todesfall Brenner. Hier hat sie dasselbe Problem wie die Polizei: Verdächtige en masse! Das Tolle an Ira Wittekind ist, dass sie so unprätentiös und normal ist. Endlich mal keine gebrochene Heldin, die ständig um ihre eigenen Befindlichkeiten kreist, sondern eine Frau, die mit beiden Beinen im Leben steht. Und bei dieser (Schwieger-)Familie kann sie auch gar nicht die Bodenhaftung verlieren: Tante Sophie und Tante Friedchen sind schon hoch in den Achtzigern, aber noch fit und an Iras Arbeit, oder besser gesagt: an den skandalösen Details, überaus interessiert. Für lokale Ereignisse, die Jahrzehnte zurückliegen, sind die zwei eine hervorragende Informationsquelle. Und sie reden nicht lange um den heißen Brei herum, was Ira sehr zu schätzen weiß. Mit überkandidelten Personen wie den Autorinnen und Autoren aus dem Dunstkreis des mutmaßlich ermordeten Verlegers hat die Journalistin dagegen Probleme: Mit dem (Prahl-)Hannes Krawuttke, der sich als Autor Nandorf Kühn nennt, genauso wie mit der ebenso aggressiven wie intelligenten Monka Diesterweg, die alles im Lebenverloren hat. Ein besonderes Kaliber ist die pensionierte Lehrerin Nelly Mooskamp-Rübenberg, die entsetzlich von sich eingenommen ist. Über dieses Panoptikum kichert man als LeserIn trotz des gruseligen Mordfalls. Genau wie bei den Szenen mit den sich ewig kabbelnden alten Tanten. Wenn man nichts zu lachen hätte, wäre die Geschichte (und das Leben) schon sehr düster. Auch wenn man den Mord jedem zugetraut hätte, der jemals mit Lorenz Brenner in Kontakt gekommen ist: Wer es schließlich war, überrascht dann doch. Aber die Leser hätten wahrscheinlich auch jeden anderen gern als Täter akzeptiert, vor allem aus dem Kreis der aufgeblasenen Autoren. Der Tote war ein M*stkerl reinsten Wassers, aber am Schluss tut er einem fast schon ein bisschen leid. Er tritt ab, ohne dass ihm auch nur ein einziger Mensch eine Träne nachweint. Das ist schon traurig. Ich finde es immer noch ein wenig verwirrend, dass die Bände der Ira-Wittekind-Reihe bei Heyne nicht in der Reihenfolge veröffentlicht werden, in der Carla Berling sie geschrieben hat. Das hat gute Gründe, aber es ist trotzdem seltsam, wenn hier auf einmal Nebenfiguren eingeführt und vorgestellt werden, die man bereits kennt. Aber das sind Kleinigkeiten. Ira Wittekind ist eine sympathische Heldin in einem ebensolchen Umfeld. Man begleitet sie gerne bei ihren Recherchen, die hier wieder mal unversehens in kriminalistische Ermittlungen münden. Ach ja, und bitte nicht irritieren lassen: „Tante Erna“ ist keine weitere Verwandte, sondern Iras Hund. Ich falle bei jedem Band aufs Neue darauf rein. ;-)

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