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Rezension zu
Das Krokodil

Der Klassiker in Neuauflage

Von: Laura Donauer
15.07.2019

Die Klassiker haben heutzutage einen schweren Stand. In Zeiten der Neuerscheinungs-Fülle, im Frühjahr und im Herbst ist es immer so weit, müssen sie hervorstechen oder als Schullektüre im Gebrauch sein - sonst gehen sie nicht selten unter in dem Meer neuer, junger Autoren und Autorinnen, die mit ihren Debütromanen die Bestsellerlisten erobern. Ein Verlag, der es schon seit Jahren schafft, die Aufmerksamkeit dennoch auf sein (überragend gut aufgestelltes) Klassikerprogramm zu lenken, ist der Schweizer Verlag Manesse. Die kleinen Bände der Manesse Bibliothek der Weltliteratur dürfen in keinem bibliophilen Haushalt fehlen und jedes Jahr aufs Neue überrascht und überzeugt der Verlag mit seinen neu-aufgelegten Klassikern in der Programmvorschau. Auch dabei: "Das Krokodil" von Fjodor Dostojewski, ein Band mit Erzählungen, der uns den altbekannten Autor auf eine ganz neue Weise zeigt. Der Name "Dostojewski" haucht noch jedem Literaturfreund Ehrfurcht ein. Der große Altmeister, der sich in seinen Büchern vor allem mit den Themen Schuld und Verantwortung auseinandergesetzt und der Literaturszene große Werke wie "Die Brüder Karamasow" und "Schuld und Sühne" geschenkt hat, gilt nicht gerade als leichte Kost - wozu sicherlich auch das Ausmaß seiner Romane einen erheblichen Teil beitragen. Nur vereinzelte Erzählungen des Autors erstrecken sich über weniger als 800 Seiten - Dostojewskis Romane sind Romane, auf die man sich einlassen, für die man Zeit aufwenden muss. Ganz anders ist jedoch der Band "Das Krokodil", der Dostojewski von einer bisher verborgenen Seite zeigt und sich perfekt für all diejenigen eignet, die zum allerersten Mal in die Welt des russischen Autors eintauchen wollen. Auch in diesem, im Vergleich zu seinen anderen Werken, eher schmalen Band, zeigt sich das Können des Schriftstellers, allerdings auf eine zugängliche, ja man kann fast sagen dosierte, Art und Weise. Dostojewski in Maßen - aber dafür nicht weniger spektakulär. Dabei zeichnen sich die Erzählungen hier vor allem durch eines aus: Komik und Satire - und das in fast allen möglichen Formen, auf einzigartigen Schauplätzen und mit schrägen Charakteren. So erzählt der Autor unter anderem von einem Krokodil, das in Moskau ausgestellt wird und sich aus Langweile dazu entscheidet, einen Besucher zu verschlucken - der es sich dann, zu seinem Glück noch lebendig, gemütlich im Inneren des Krokodils einrichtet und keinen Gedanken mehr an seine Rettung verschwendet - viel lieber genießt er seinen Ruf als "Star", den er durch die dramatische "Fressattacke" des Krokodils erhielt. Dostojewski erzählt von Ehefrauen, die bereits tot sind, von Ehemännern, die ihre Frauen in den Selbstmord trieben, von Freundschaften, die sich langsam in Hass verwandeln und von Beamten, die sich vor Scham verbarrikadieren und das Haus nicht mehr verlassen. Dabei sind die Übergänge zwischen den Erzählungen, trotz deren Divergenz, fast fließend, in einer jeder zeichnet sich Dostojewskis leichte, unaufgeregte Prosa ab und verlieht den Geschichten einen ganz eigenen Rhythmus. Dostojewski schreibt voller Witz und schafft es, jede noch so absurde Erzählung auf die Ebene der Möglichkeit zu heben, sie glaubhaft zu gestalten und der Realität zu nähern. Mit "Das Krokodil" schafft es Manesse uns Dostojewski wieder ein Stück näher zu bringen und das auf eine Weise, die gelungener nicht sein könnte - voller Witz, Ironie und Scharfsinn.

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