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Rezension zu
Von allen Seiten

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Im Leben gibt es keinen Reset-Schalter

Von: Franziska_J
23.07.2019

„Hey, underagers! Wisst ihr, was Großmutter immer gesagt hat? Lebt wild, lebt voll Freude und tut Gutes, dann werden Berge und Hügel euch zujubeln, und alle Bäume der Erde werden euch beklatschen!“ Zwei Jungs, die genug haben von ihrem tristen Leben und abhauen, um irgendwo ein neues Leben zu beginnen. Was im Klappentext nach einer Art Roadstory klingt, entpuppt sich als eine kluge, philosophische aber zugleich humorvolle Erzählung über Wagemut, Freiheit und die Macht der Erinnerung. Tore Renbergs Roman Von allen Seiten erzählt von großen und kleinen Träumen und davon, dass jeder Mensch, egal ob jung oder alt, die Möglichkeit hat, sein Leben zu verändern. Auf berührende Weise zeigt er jedoch auch, dass Träume manchmal an der Realität zerschellen und dass sich aber auch hieraus ganz neue, ungeahnte Chancen ergeben können. „Wir schleichen jetzt auf Zehenspitzen aus diesem Haus […] und wenn wir es das nächste Mal betreten, dann kommen wir nicht zum Abendessen. Dann kommen wir mit Rudi und Jan Inge, und wir kommen, um dieses Haus auszurauben.“ Die im Klappentext angepriesene Geschichte der Brüder Ben und Rikki, die genug haben von ihrer psychotischen Mutter und ihrem krankhaft geizigen Vater und sich darum auf den Weg zu ihrem kriminellen Onkel Rudi machen, bildet nur einen Handlungsstrang, der ein ganzes Netz aus unterschiedlichsten Personen zusammenhält. Alle Protagonisten des Romans haben jedoch eines gemeinsam: Den Willen oder auch den unbewussten, inneren Drang ihr Leben zu ändern. Ob zum Guten oder zum Schlechten ist dabei nicht immer ganz klar. Da sind zum einen die beiden Kriminellen Rudi und Jan Inge, die noch einen letzen großen Bruch machen wollen, um dann für immer straffrei zu leben. Zum anderen ist da der Polizist Tommy, der seine eigene kriminelle Vergangenheit überwunden und eine Familie gegründet hat und der dann doch mit einem Mal alles aufs Spiel setzt… In dieser Erzählung haben die Protagonisten mitunter eine Menge Geheimnisse, die ständig unvermittelt aus ihnen herausplatzen. Es scheint, als befände sich jeder in der Schwebe und stünde vor einem bedeutenden Neuanfang. Die meisten tun es tatsächlich, doch Renberg stellt ebenso heraus, dass nicht alles, was sich als Neubeginn tarnt, auch tatsächlich einer ist. Die Geister der Vergangenheit lassen sich eben nicht immer abschütteln und im Leben gibt es keinen Reset-Schalter. „Ben fand, dass das Wort – lieben – wie abstrakte Poesie klang, und an manchen Tagen bedeutete es für ihn das Gleiche wie Horror, wie Säbel, wie Grab. Er erwischte sich oft bei dem Wunsch, nicht zu lieben. Fand es unwürdig. Schwach. Widerlich.“ Nicht nur mit den ungleichen Brüdern Ben und Rikki sind Renberg zwei interessante Protagonisten gelungen. Auch das Verbrecherduo Rudi und Jan Inge ist brillant konzipiert. Sie erinnern fast ein wenig an Dick und Doof. Während der eine tatsächlich stark übergewichtig, aber doch relativ gerissen ist, ist der der andere wirklich ziemlich dämlich. Sprachlich bewegt sich der Roman darum zwischen poetischen und beinahe philosophischen Äußerungen und derber Jugendsprache. Diese ungewöhnliche Mischung sorgt zum einen für den nötigen Tiefgang und zum anderen aber auch für viel Witz, so dass der Leser mehr als nur einmal ins Schmunzeln gerät. Von allen Seiten – Ein sprachlich ausgefeilter Roman über Träume, Neuanfänge und den Sinn des Lebens. Eine großartige Sommerlektüre.

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