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Rezension zu
Nullsummenspiel

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Mord wird ja wohl noch erlaubt sein, wenn‘s uns nachher so viel besser geht

Von: Schreibplanet
28.07.2019

Wäre Kommunismus die Lösung für die aktuell schwierige Situation in der Weltpolitik? Könnte er die Unzufriedenheit lindern, die in vielen Ländern allerlei Populisten aus der Kanalisation an die Macht hinaufgespült hat? Klar könnte er das. Denn Kommunismus sorgt dafür, dass für alle gesorgt ist. Darum wäre es gut, ihn einzuführen: Zuerst bräuchte es, so ehrlich muss man sein, Gewalt. Das gäbe viele Tote. Und ja, Säuberungen sind eine schmutzige Sache. Aber, und jetzt kommt das Aber: Wenn das Blut dann vergossen ist, dann heilen die Wunden, und dann: Paradies! An dieses weltgeschichtliche Kapitel musste ich ein paarmal denken, als ich Nullsummenspiel las, den neu ins Deutsche übersetzte Science-Fiction-Thriller der US-Autorin S. L. Huang, in dem es um spritzendes Blut geht, um Waffen, Drogen, telepathische Fähigkeiten, um Freundschaft und Egoismus, um Mathematik und Manipulation — aber nie um Kommunismus. Das Buch ist etwa so aufgebaut: 248 Seiten lang wollen zwei private Ermittler ein angeblich sehr übles, gewalttätiges, riesiges Netzwerk aufdecken, das die USA und werweisswieviele weitere Nationen an der Nase rumführt. Das Netzwerk mordet nach Belieben. Gut also, dass Russell (weibl.) und Tresting (männl.), die zwei psychisch höchst auffälligen privat Ermittelnden, dem Netzwerk nachjagen. Auch wenn das halt nicht auf die feine Art geht: Die beiden müssen morden, was ihr Waffenarsenal hergibt. Besonders hübsche Idee der Autorin: Ihre Protagonistin Russell ist ein Mathematikgenie. S. L. Huang erschafft hier die erste mir bekannte Action-Superheldin, die ihre Überlegenheit aus der Fähigkeit bezieht, präzis Einfallswinkel und Ausfallswinkel zu berechnen und ähnliches Zeug. Solcherlei tut Russell, wann immer sie z. B. Heckenschützen abknallen oder einer Ladung Schrot ausweichen muss. Das blitzschnelle Vorausberechnen idealer Bewegungsabläufe, optimaler Sekundenbruchteile und prozentualer Überlebenschancen ist ihre Allzweckwaffe. Das ist — mittels eines Neunzigerjahreausdrucks ausgedrückt — ziemlich cool. Doch dann kommt (Spoiler-Alarm mit Ausrufezeichen!) die Seite 249 — und plötzlich ist alles überhaupt nicht mehr so cool. Man erfährt, dass die Bösen vom Netzwerk gar nicht so böse sind. Im Gegenteil: Sie sind eigentlich böse auf das Böse und wollen dieses vernichten, um die Welt richtig gut zu machen. Dahingehend müssen sie aber zuerst das Böse ausrotten, was ohne Leichen und dergleichen halt nicht klappt, darum jetzt mal noch eine Weile bumm-bumm-bumm, danach aber: Paradies. Jetzt, wo Russell das weiss, muss sie sich entscheiden: Wenn ihre Widersacher ja ein sympathisches Ziel haben — den Weltfrieden —, soll sie sie unter diesen Umständen halt morden lassen solange nötig (der Zweck heiligt die Mittel)? Oder muss sie der Gewalt ein Ende setzen (was kaum je gewaltfrei geht), und zwar aus Prinzip, weil Gewalt, selbst aus edlen Beweggründen, immer böse ist? So viel Geisteswissenschaft in einem Mathematik-Thriller. Russell, das Genie, entscheidet sich fürs aktive Weitermorden. Was das jetzt für die Moral bedeutet, wird im weiteren Verlauf des Gemetzels nicht geklärt. Immerhin: Auf den letzten zehn Seiten gibt es keine Leichen mehr, dafür ein Wettsaufen.

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