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Rezension zu
Das Buch Jonah

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Glauben in der Moderne

Von: Michael Lehmann-Pape
16.04.2015

Was ist eigentlich hinter all den „bekleideten“ Männern und Frauen, denen Jonah Jacobstein auf den Straßen New Yorks ständig begegnet? Was ist „der Kern“ all des geschäftigen Treibens der Menschen? Und was ist eigentlich hinter seiner eigenen „Fassade“ des jung-dynamischen Anwalts auf dem Sprung in die Partnerschaft der traditionsreichen Anwaltsfirma zu finden? Jonah ist in vielem, außer in seinem Beruf, unentschlossen, als er plötzlich Dinge sieht. Keine umwerfenden Dinge. Keine mythischen Großereignisse. Kleine Dinge eher, die den Dingen „auf den Grund gehen“. So, wie plötzlich alle, denen er begegnet, nackt sind und er, ohne weitere erotische Gefühle, einfach auf einer anderen Ebene sieht, dass alle gleich, alle verletzlich, all nur mit einer „dünnen Schicht Leben“ versehen sind. Oder wie er auf der Dachterasse wie im Zeitraffer die Stadt untergehen sieht, die Natur erlebt, die sich den Moloch zurückerobert. Oder wie er im Spiegel sich selbst alternd und alt sieht, diese Kerben, dieses Verglühen von Leben ohne tiefere Bedeutung. Doch eine Konsequenz zu ziehen? Ein „echtes Leben“ zu suchen? Sein „Gewissen“ auf einmal zu hören und, vor allem, darauf zu hören? Da scheut Jonah vor zurück. Schiebt all diese Gedanken und Erkenntnisse, all diese Momente der Klarheit weit nach hinten in sein Bewusstsein. Aber dennoch lässt ihm diese merkwürdige Begegnung mit einem chassidischen Juden in der U-Bahn nicht los. Er flieht. Zunächst tiefer in seien gewohnte Welt und, als ihm das nicht mehr gelingt, weit weg an einen anderen Ort. Könnte es sein, dass Gott mit ihm spricht? Dass dieser nicht fassbare, sich nicht klar äußernde, nicht wirklich zu erkennende Gott ihm „die Augen öffnet“? Für das, was wirklich ist, an reiner Oberfläche und Vergeudung des so kurzen Lebens in der modernen Welt? All die Accessoires und Spielzeuge, all die angestrebten Positionen, all die 17.500 Stunden, die er bereits für eine mögliche Partnerschaft in der Kanzlei verbracht hat? „Sie weinte nicht wegen der Schmerzen, sondern wegen all der Fehler, die sie gemacht hatte, immer wieder, wegen ihres übersteigerten Ehrgeizes“. Und er, wenn er einen anderen Weg einschlug, „hatte er dann einen göttlichen Plan erfüllt oder nicht? Und woher konnte er wissen, ob Gott einen Plan hatte?“. Ein alttestamentliches Thema greift Feldmann in seinem Debüt auf und damit ein grundmenschliches Thema. Die Frage, worauf man vertraut im Leben. Die Erkenntnis, dass das Leben in einer wie immer gestalteten rein „äußeren Welt“ die innere Sehnsucht des Menschen nicht erfüllt. Das Wissen darum, dass es Intuitionen, Zeichen, Orientierungspunkte, eine „innere Stimme“ in jedem Menschen gibt, die eine Richtung weisen möchte. Die Geschichte eines Mannes, der sich Gott, wenn überhaupt, als so eine Art „W-Lan des Universums“ vorstellt, und der Schritt für Schritt beginnt, auf andere „Zeichen“ zu hören, tiefer zu sehen, die Sinnfragen für dieses kurze Leben zu stellen. Und an einer konkreten, anderen Person, seinen ersten „Auftrag“ findet, vor dem er nicht flieht. In Teilen zu breit geschrieben mit einem zu umfassenden „Strom an Worten“ und, hier und da, tatsächlich zu wenig mythisch (das ein- oder andere „Wunder“ hätte dem Buch ganz gut getan), vermag es Feldman dennoch, eine, wenn nicht die, Grundfrage des Menschen zu aktualisieren: Wofür man Mensch ist und auf der Welt ist. Und das nicht als „strahlende“ Erkenntnis von jetzt auf gleich, sondern zunächst „ins Blaue hinein“ unter Verlust des gewohnten Lebens. Denn erst muss das Alte weichen, bevor das neue zaghaft Platz findet. Die größte Sorge des „Weltgetriebes“ wird an Jonah wahr. Und zerstört ihn nicht. Weniger zumindest als sein „Wegweichen vor sich“ und dem inneren Ruf. So steht dieser Jonah im Buch im Kern nicht „der Welt gegenüber“, sondern bildet in sich die gesamte moderne Lebensweise in Bezug auf echte Spiritualität ab. Denn weitgehend alle mühen sich, sich diesen Fragen nicht stellen zu müssen. Fragen nach Sinn, Gewissen und Lebenszielen, die das betriebsame Streben nach Anerkennung von und in der Welt, nach Wohlstand und möglichst vielen und teuren materiellen Spielzeigen ad absurdum führt. Wie sich an einer Wohltätigkeitsversteigerung direkt zu Anfang des Buches schon zeigt. Trotz mancher Längen und trotz der ein oder anderen fehlenden „Gottesbegegnung“ ein flüssig zu lesender, sprachlich differenziert formulierter Roman, der zwar einfache, nichtsdestotrotz aber „wahre“ Wahrheiten präzise herausarbeitet.

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