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Rezension zu
Berlin 1936

Oliver Hilmes entfaltet die olympischen Tage im nationalsozialistischen Berlin 1936

Von: Henning Heske
07.05.2016

Vor genau 80 Jahren fanden in Berlin die 11. Olympischen Sommerspiele der Neuzeit statt.Das ist weithin bekannt. Anlässlich der diesjährigen Olympiade in Rio de Janeiro und des runden Jahrestages lässt Oliver Hilmes diese sechszehn Tage im August 1936 noch einmal Revue passieren. Dieser Rückblick lohnt, denn er zeigt uns etwas Außerordentliches, nämlich wie sich Nazi-Deutschland ungeachtet seiner Kriegsvorbereitungen perfide als weltoffener Gastgeber einer Veranstaltung gebärdet, die vor allem der Völkerverständigung dienen soll. Berlin war bereits 1916 als Olympiastadt auserkoren worden, doch fielen seinerzeit die Spiele wegen es Ersten Weltkriegs aus. Die Nationalsozialisten, erst seit drei Jahren an der Macht, nutzten die Gelegenheit für eine breit angelegte Propagandaschau eines modernen Deutschlands. Hilmes zeigt uns, wie zeitgleich zu den Olympischen Spielen, die in aller Welt ohne großen Argwohn verfolgt wurden, Hitler unter unmenschlichen Bedingungen das unmenschliche Konzentrationslager Sachsenhausen bauen lässt und beispielsweise die Reisegesellschaft Union mit einem Kreuzfahrschiff im spanischen Cádiz anlegt. Hinter dieser ominösen Reisegruppe samt ihrer schweren Gepäckladung verbirgt sich niemand anderes als die Legion Condor, die ihren Einsatz im spanischen Bürgerkrieg auf der Seite Francos vorbereitet. Natürlich werden sie auf Hitlers ausdrücklichen Befehl erst ins Geschehen eingreifen, wenn die Olympischen Spiele in Berlin friedlich zu Ende gegangen sind. Die Bars und Cafés auf dem Kurfürstendamm sind überfüllt, täglich gibt es große Galaveranstaltungen, jeder von Hitlers Paladinen veranstaltet an einem anderen Abend einen pompösen Empfang für mehrere hundert ausländische Gäste umd Prominente mit bestem Essen und ansprechendem Unterhaltungsprogamm. Das Nachtleben in Berlin boomt, vor allem in so exotischen und angesagten Etablissements wie der Ciro-Ba, dem Sherbini oder dem Quartier Latin. Jazz und Swing klingen durch die Großstadtnacht. Von den Nationalsozialisten geduldet. Noch. Für lange Zeit zeigt sich die Hauptstadt des Deutschen Reiches ein letztes Mal als weltoffene Kulturmetropole. Im Hintergrund bereiten die Nazi-Schergen der Gestapo bereits die Verhaftung der jüdischen Bar- und Restaurantbesitzer, das Verbot von so genannter "Negermusik" und die Schließung der entsprechenden Lokale vor. Ähnlich wie in dem Erfolgsbuch "1913 - Der Sommer des Jahrhunderts" (2012) von Florian Illies präsentiert der promovierte Historiker Oliver Hilmes, der bereits durch mehrere Biographien (Cosima Wagner, Ludwig II. u.a.) auf sich aufmerksam machte, nach Tagen gegliedert ein buntes Kaleidoskop von einzelnen Geschichten, Tagesmeldungen und Erinnerungen, die sich zu einem intensiven Gesamteindruck verdichten. Die Regisseurin Leni Riefenstahl spielt dabei ebenso ein Rolle, wie der dunkelhäutige, vierfache Goldmedaillengewinner Jesse Owens, der amerikanische Schriftsteller Thomas Wolfe und immer wieder die Tagebucheinträge von Joseph Goebbels. Hilmes hat dazu vielfältigstes Material gesichtet. Eine schöne Idee ist zudem, es nicht bei der Darstellung der sechzehn Tage zu lassen, sondern noch ein Kapitel "Was wurde aus ...?" nachzuschieben. Dadurch wird die Neugier gestillt, was aus einzelnen Personen nach der Olympiade geworden ist. Abgerundet wird das Ganze durch ein ausführliches Quellenverzeichnis, das es ermöglicht, einzelnen Spuren weiter nachzugehen. Oliver Hilmes: Berlin 1936. Sechzehn Tage im August. Siedler Verlag, München 2016. 304 Seiten, gebunden. 19,99 €

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