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Rezension zu
Regretting Motherhood

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

#regrettingmotherhood – Wenn Mütter bereuen

Von: Wiktoria's Life
06.10.2016

Das Thema #regrettingmotherhood hatte mich schon gepackt, als ich zum ersten mal davon las. Sobald die Sprache darauf kam, dass Mütter es bereuen könnten, Mütter geworden zu sein, war das Geschrei groß – vor allem natürlich in den sozialen Netzwerken. Ich wollte mehr wissen und war an der originalen Studie interessiert. Von Randomhouse habe ich das Buch „#regrettingmotherhood – Wenn Mütter bereuen“ von Orna Donath als Rezensionsexemplar erhalten. Dies hier wird keine klassische Rezension sondern viel mehr eine Auseinandersetzung mit dem hoch umstrittenen Thema der bereuten Mutterschaft. #regrettingmotherood – Die Studie Zuerst möchte ich die Studie vorstellen. Sie wurde 2015 von der israelischen Soziologin Orna Donath veröffentlicht. Donath selbst ist 1976 geboren und beschäfigt sich im Rahmen ihrer Forschungen schwerpunktmäßig mit den gesellschaftlichen Erwartungen an Frauen, Mütter und Nicht-Mütter. Die Idee, sich mit der bereuten Mutterschaft zu befassen, kam ihr, als sie – aus eigenem Wunsch kinderlos – immer wieder zu hören bekam, sie würde es noch bereuen, nicht Mutter geworden zu sein. Die Frauen Für die Studie befragte sie 23 Mütter zwischen 26 und 73 Jahren. Alle Frauen hatten zwischen einem und vier Kindern, im Alter zwischen 1 und 48 Jahren. Fünf Frauen waren bereits Großmütter. Sie kamen aus allen gesellschaftlichen Schichten Israels und hatten mindestens eine schulische Ausbildung. Alle Frauen bekamen ihre Kinder in einer Partnerschaft, einige waren zwischenzeitlich geschieden, eine war verwitwet. 20 der 23 Frauen haben zumindest zwischenzeitlich gearbeitet. Orna Donath war es wichtig, Frauen zu interviewen, die heute am liebsten die „Mutter von Niemanden“ wären, die also ganz klar ihre Mutterschaft rückgängig machen würden, wenn sie könnten. Das gesellschaftliche Tabu Bevor ich auf die Details der Studie eingehe, möchte ich die Dimension des gesellschaftlichen Tabus aufzeigen. Die Mutterschaft gilt in den meisten Kulturkreisen als etwas Heiliges. Die Mutterschaft ist für Frauen biologisch sinnstiftend. Erst mit der Transformation von der Frau zur Mutter wird sie vervollständigt. Die Mutter ist das Sinnbild der Fürsorge, der Liebe und des Zusammenhaltes der Familie. Sie ist der Fels in der Brandung, der starke Rückhalt der Kinder. Die Kinder stehen für die Frau im Mittelpunkt ihres Lebens. Es steht einer Frau laut gesellschaftlicher Norm nicht zu, dieses Konzept zu hinterfragen geschweige denn zu bereuen. Tut sie es doch, wird sie schnell als kaltherziges, egoistisches Weib abgetan, das ihre Kinder nicht lieben kann und das ihre Kinder nicht verdient hat. Das mediale Echo auf #regrettingmotherhood war groß. Anstatt den bereuenden Müttern endlich eine Stimme zu geben, wurden sie mit einer lauten Empörung wieder zum Schweigen gebracht. Und genau deswegen schreibe ich hier keine klassische Buchrezension, sondern stelle die Studie vor und setze mich mit ihr auseinander. Warum bekommt eine Frau überhaupt Kinder? Diese Frage steht an unweigerlich am Anfang der bereuten Mutterschaft. Warum haben diese Frauen Kinder bekommen, wenn den meisten von ihnen schon immer klar war, dass sie keine Kinder haben wollten? Meistens war es einfach der nächste logische Schritt. Die Frauen hatten geheiratet und nach einer gewissen Weile stand das Thema „Kind“ im Raum. Also gingen sie diesen Weg, der vorgeschrieben und logisch erschien. Die meisten Frauen dachten gar nicht darüber nach, ob sie Kinder wollten oder nicht. Die gesellschaftliche Norm gab dies vor und so erfüllten sie diese. Einige der Frauen versuchten mit der Geburt ihrer Kinder die eigene, zerrüttete Kindheit zu kompensieren. Sie wollten es besser als ihre Eltern machen. Ein paar der Frauen wollten mit der Mutterschaft einen Platz in der Gesellschaft zurückerlangen, denn als Mütter galten sie wieder als jemand. Andere gaben dem Drängen ihrer Ehepartner und ihrer Familien nach. Einer Frau wurde gar mit der Scheidung gedroht, sollte sie sich gegen Kinder entscheiden. Und so wurden all diese Frauen mit ihre Einverständnis Mütter, aber die wenigsten davon aus ihrem eigenen Willen heraus. Die Rolle der Mutter – ein Diktat Noch nie war die Mutterschaft etwas so öffentliches wie heutzutage. Und dabei meine ich noch nicht einmal die Mama-Bloggerinnen oder die Facebook-Mamas, die jeden Pups ihrer Schützlinge mit der Welt teilen. Es fängt mit dem öffentlichen Bild der Mutter an. Wie sie zu fühlen hat, zu leben und zu erziehen hat. Die Mutter bekommt an der Kasse im Supermarkt Tipps für das weindende Kind, auf dem Spielplatz wird sie argwöhnisch begutachtet. Alle meinen zu wissen, was für das Kind das beste sei und so verliert die Mutter ihre Individualtiät. Zweifelt eine Mutter ihre Rolle an, wird sie schnell mit der Aussage „Du hast es ja so gewollt“ mundtot gemacht.Weshalb man sehr selten die wirklich wahre Antwort bekommt auf die Frage, wie es denn sei, Mutter zu sein. Eine bereunde Mutter scheut die Stigamtisierung so sehr, dass sie lieber den Mund hält. Postpartale Depression Die Wochenbett-Depression ist in diesem Zusammenhang differenziert zu betrachten. Sie ist als Krankheit anerkannt, als vorübergehender Zustand, der auf die Umstellung im Leben und dem Hormonchaos verbunden ist. Die Depression ist heilbar und gilt nicht als dauerhaft. Die Kinder lieben – die Mutterschaft bereuen Dies ist vielleicht der wichtigste Aspekt der Studie zu #regrettingmotherhood. Die meisten befragten Mütter der Studie betonten, ihre Kinder zu lieben, aber mit der Rolle als Mutter nicht zurecht zu kommen. Dieser Unterschied ist enorm wichtig, denn gerade im medialen Echo wurden diese beiden Punkte oft ungerechtfertig zusammengebracht. Viele Mütter gaben zu, im Vorfeld völlig unrealistische Erwartungen an die Mutterschaft gehabt zu haben. Auf einmal waren sie nur noch die soziale Hülle, in der ihre Kinder aufwuchsen. Mit der Geburt der Kinder verloren sie ein großes Stück ihrer Selbst. Fakt ist, dass es meistens die Frauen sind, die in einer Familie auf einen Teil ihrer beruflichen Laufbahn, ihre Rentenansprüche und auch auf ihre eigenen Bedürfnisse verzichten müssen. Sie können nicht mehr ihren Hobbys in dem Ausmaß nachgehen, in dem sie es vorher taten. Und als würden sie darunter nicht genug leiden, so ist dieser Zustand auch noch von der Gesellschaft vollkommen legitimiert. Denn es sei doch normal, dass man sich als Mutter „etwas zurücknehmen müsse“ und „Opfer bringen müsse“. Und so schlich sich bei den befragten Frauen irgendwann das Gefühl der Reue ein. Bei den einen schon während der Schwangerschaft, bei anderen deutlich später. Vor- und Nachteile der Mutterschaft Die Frauen waren sich einig, dass nicht alles an der Mutterschaft schlecht wäre. Sie mochten es, dass sie sich weiterentwickelten, eine neue moralische Reife erreichten, weniger oberflächlich wurden und ja, auch ein stückweit ein besserer Mensch wurden (immerhin waren sie Vorbilder für ihre Kinder). Sie waren stolz auf ihre Kinder und auf das, was diese erreichten. Sie bewunderten die eigenständigen Persönlichkeiten der Kinder. Dennoch waren auf der anderen Seite die vielen Nachteile. Die Bürde der Verantwortung, die Aufopferung. Zogen die Frauen einen dicken Strich unter die Bilanz, mussten sie zugeben, dass die Mutterschaft ingesamt die Sache nicht wert war. Ein Lächeln Deines Kindes lässt Dich alle Mühe vergessen. Die wenigsten der befragten Mütter konnten diesen Satz bestätigen. Weil nämlich das eine mit dem anderen nichts zu tun hatte. So schön das Lächeln des Kindes ist, es hat nichts mit der Aufgabe und der damit verbundenen Last der Mutterschaft zu tun. Diese Punkte müssen komplett differenziert betrachtet werden. Sind bereunde Mütter schlechte Mütter? Reue wird schnell als Kaltherzigkeit oder Gleichgültigkeit missverstanden. Die meisten bereuenden Mütter sind sehr gute Mütter. Sie erfüllen ihre Aufgaben, fördern ihre Kinder und schenken ihnen all die Liebe, die die Kinder zum groß werden brauchen. Der einzige Unterschied zu nicht-bereuenden Müttern ist der, dass sie die Erfüllung dieser Aufgaben sie nicht glücklich macht. Ein Leben ohne die Kinder Drei Frauen der Studie gaben an, getrennt von ihren Kindern zu leben. Die eine verließ ihre Familie für ein lukratives Jobangebot, als ihr Sohn zwei Jahre alt war. Die andere verlor ihre Kinder bei der Scheidung. Der Mann bestand drauf, sie bei sich zu haben. Und die dritte erlitt irgendwann einen Nervenzusammenbruch, weshalb es ihr nicht möglich war, ihre Kinder selbst zu erziehen. Obwohl sie Mütter blieben, waren sie in ihrem Lebensmodell „Mutter ohne Kinder“ im Endeffekt glücklicher als vorher. Viele der bereuenden Mütter hatten irgendwann einmal Fluchtgedanken. Doch sie setzten sie niemals in die Realität um, meist aus Sorge um ihre Kinder. Und auch, weil sie es scheuten, von der Gesellschaft dafür verurteilt zu werden. Dabei gab vor allem eine Mutter zu, an der Erziehung ihrer Kinder gar nicht beteiligt gewesen zu sein – obwohl sie physisch anwesend war. Die Kinder wuchsen dank des fürsorgenden Vaters dennoch in einer stabilen und liebevollen Umgebung auf. Mehr Kinder – ja oder nein? regrettingmotherhood Viele Mütter bekamen trotz des negativen Gefühls weitere Kinder. Dies taten sie aus zwei Gründen. Zum einen waren sie sicher, dass Einzelkinder keine Option gewesen wären. Also erfüllten sie die gesellschaftliche Norm und gebaren weitere. Der zweite Grund war allerdings deutlich verbreiteter: Der Zug war für die Mütter eh schon abgefahren, also konnten sie wenigstens ihre Familien glücklich machen und ihnen weitere Kinder bzw. Geschwister schenken. Die wenigsten der befragten Mütter wollten nach dem ersten (Wunsch)-Kind weitere Kinder haben. Sie hatten drei Möglichkeiten: es schnell hinter sich zu bringen, die Entscheidung möglichst lange hinauszörgern oder radikal keine weiteren Kinder mehr zu wollen. Gefangen zwischen Schweigen und Reden Wie gehen diese Mütter mit ihren „verbotenen“ Gefühlen um? Einge der Frauen versuchten, mit ihrem Umfeld darüber zu reden. Sie fanden aber kein Gehör. Alleine die Erwähnung des Themas löste Unbehagen aus. Als ich meiner Schwiegermutter vor ein paar Wochen dieses Buch zeigte, meinte sie nur „lies so etwas nicht. Am Ende kommst Du auf dumme Gedanken“. Die heilige Institution der Mutterschaft zu hinterfragen gilt für viele als No-Go. Sie zu bereuen ist der absolute Tabu-Bruch. Die Mütter wählen ihre Gesprächspartner sehr sorgfältig aus, bei den meisten Betroffenen wissen nur ein paar wenige Personen Bescheid. Wenn das die Kinder wüssten….! Dies war die lauteste Kritik an #regrettingmotherhood – zumindest in meiner Wahrnehmung. Eine klare Antwort, ob die Kinder von ihren bereuenden Müttern wissen sollten, fanden auch die betroffenen Frauen nicht. Viele zogen es vor, zu schweigen. Um ihre Kinder vor dem Schmerz zu schützen, um die Beziehung zu den Kindern zu schützen und um sich selbst zu schützen. Andere Mütter sprachen mit ihren (entsprechend alten) Kindern offen darüber. Sie sahen es sogar als ihre Pflicht an, ihre Kinder auf die Entscheidung, ob sie eigenen Nachwuchs wollten oder nicht, vorzubereiten. Denn wie Anfangs erwähnt, haben die meisten Frauen ihre Kinder aus einer gesellschaftlichen Konsequenz bekommen. Diese Mütter wollen ihren Kindern beibringen, dass sie jeden Weg gehen können, auch den in die Kinderlosigkeit. Und wenn die Bedinungen ganz anders wären…? … dann würden die betroffenen Mütter trotzdem lieber die „Mutter von Niemanden“ seien. Denn Geld, Status oder eine besser Aufgabenteilun würden nichts daran ändern, dass sie in ihrer Rolle als Mütter unglücklich waren. Mein persönliches Fazit Wenn Mütter bereuen, dann tun sie das nicht, weil sie unzureichend, krank oder gefühlskalt sind. Sie bereuen es, weil sie aus den falschen Gründen und mit falschen Erwartungen Mütter wurden. Alle Mütter wissen, wie hart der Job ist. Ich habe mich in vielen Teilen des Buches wiedererkannt. Die Aufopferung, die Einschränkung meiner Selbst – all diese Punkte konnte ich vollkommen nachvollziehen und bestätigen. Aber würde ich persönlich so weit gehen, dass ich die Mutterschaft bereue? Nein, würde ich nicht. Ich bereue es nicht, meine Tochter bekommen zu haben aber ich bereue den einen oder anderen Umstand. Ein paar der Umstände wären in meiner Macht gewesen, ein paar nicht. Für mich steht unter dem dicken Strich: ja, es lohnt sich. So schwer es manchmal ist, es lohnt sich. Nur weil die bereuenden Mütter zu einem anderen Ergebnis in dieser Rechnung kommen, heißt es nicht, dass sie deswgen schlecht sind. Anstatt sie mundtot zu machen, sollte man hinhören, sie verstehen wollen. Warum hadern sie so mit sich? Was ist die Ursache ihres Unglücks? Und kann man hier und da vielleicht helfen? Diese Studie könnte ein Meilenstein in der gesellschaftlichen Entwicklung sein, vorausgesetzt man nimmt sie ernst und verurteilt sie nicht bereits anhand des Titels. Deswegen habe ich hier so viel zum Thema geschrieben. Um das Verständnis für das Thema zu verbessern, um bereuenden Müttern eine Stimme zu geben. Natürlich ist und bleibt das Thema hochbrisant, aber richtig angegangen sollte es einen Platz in der Gesellschaft bekommen. Denn wir leben in einer Gesellschaft, die damit droht, die Nicht-Mutterschaft zu bereuen und es gar nicht erst in Erwägung zieht, dass es auch anders herum sein könnte. Die Rezenension Dieses Buch zu lesen, war nicht ohne. Orna Donath hat eine Studie in Worte verfasst. Entsprechend oft schreibt sie wissenschaftlich, sehr komplex. Nicht jeden Satz habe ich auf Anhieb verstanden. Es ist kein Buch, das man nebenbei liest. Es erfordert durchaus Konzentration. Mit der Zeit gewöhnt man sich aber an den Stil, ab da lässt es sich relativ gut lesen. Durch die immer wiederkehrenden Zitate der Frauen, lernt man die Interview-Partnerinnen mit der Zeit gut kennen und bekommt so eine Chance, ihre Geschichte zu verstehen. Ein sehr wertvolles Buch, das von mir eine klare Leseempfehlung bekommt.

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