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Rezension zu
Liebe M. Du bringst mein Herz zum Überlaufen

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Matilda vom Amt für gestrandete Gefühle

Von: Edith N.
28.08.2018

In ihrer Kindheit war für Matilda Keller, inzwischen Ende 20, die Flucht in die Welt der Bücher und der Phantasie eine notwendige Überlebensstrategie, um den permanenten Auseinandersetzungen ihrer Eltern zu entkommen. In Romanen kann einem nichts Böses passieren. Wenn einem die Lektüre nicht behagt, legt man das Buch beiseite und gut ist’s Matilda, von Natur aus introvertiert, lebt auch als Erwachsene noch in ihrer eigenen Welt. Was andere Menschen umtreibt – Freundschaft, Geselligkeit, Partnerschaft, Kinder – ist für sie kein Thema. Dass sie aufgrund ihrer Familiengeschichte eine Ehe nicht für erstrebenswert hält, kann man ja verstehen. Und sie ist auch sonst ein bisschen anders. Mode interessiert sie nicht, sie hat keinen Führerschein, kein Smartphone, kein Internet, kaum Sozialkontakte und einen Beruf, bei dem sie es nur indirekt mit Menschen zu tun hat. Matilda arbeitet bei der Post und ist für unzustellbare Briefe zuständig. Das heißt, wenn ein Brief weder eine korrekte Anschrift noch einen Absender enthält, muss sie ihn öffnen, lesen und prüfen, ob der Inhalt Rückschlüsse auf eine Adresse zulässt. Wenn ja, wird der Brief zugestellt, wenn nicht, kommt er ins Archiv. Das Sortieren muss schnell gehen, viel Zeit für Recherchen hat sie nicht, und so bleiben viele Liebesgeständnisse und Familiengeheimnisse ewig im Dunkeln und manch eine Erklärung und Entschuldigung erreicht nie ihren Adressaten. Wenn Matilda es schafft, eine Nachricht doch noch an den Mann oder die Frau zu bringen, ist das ein erhebendes Gefühl. Als sie hinter einem Schrank im Büro einen 50 Jahre alten Liebesbrief findet, ist sie wild entschlossen, den Verfasser und die verhinderte Empfängerin ausfindig zu machen, denn der Verlust dieser Nachricht dürfte dramatische Folgen gehabt haben: Weil „Leni“ sie nie erhalten hat, konnte sie auch nicht zu einem Treffen erscheinen, und vermutlich hat sie nie erfahren, dass ihr „Michel“ mit ihr durchbrennen wollte. Obwohl es verboten ist, macht Matilda eine Kopie von dem Schreiben und zeigt diese einem alten Herrn in der Nachbarschaft, für sie gelegentlich einkauft. Der Nachbar, Knut Valentin, mag nach einem Unfall schlecht zu Fuß sein, aber im Kopf ist er hellwach. Und er ist, im Gegensatz zu Matilda, ein Technikfreak. Ruckzuck hat er im Internet eine heiße Spur gefunden. Die menschenscheue Matilda überwindet sich und ruft auf der Suche nach dem Liebespaar aus den 60er-Jahren eine Menge wildfremder Menschen an. Sie meistert auch den Umgang mit dem Smartphone und reist ganz allein an die Ostsee. Nach und nach erfährt sie Lenis Geschichte. Aber was ist mit Michel? Auch er hat ein Recht darauf, zu erfahren, warum Leni damals nicht zum Treffpunkt gekommen ist. Doch die Suche nach ihm gestaltet sich schwierig. Matilda und der technikaffine alte Herr entwickeln mehr und mehr Freude an ihrer selbstgewählten Mission als „Glücksboten“. Immer öfter bringt Matilda besonders anrührende Briefe aus dem Büro mit und die beiden recherchieren. Wenn es gar nicht anders geht, reist Matilda sogar quer durchs Land, um die Schreiben persönlich zu überbringen. Der allabendliche Besuch bei Nachbar Knut wird für sie beide zur lieb gewordenen Routine. Sogar mit seinem Kater „Professor Hawking“ freundet Matilda sich an. Nur Knuts Enkel Cornelius ist nicht so ihr Fall. Lackaffe mit Anzug und Angeber-Auto, lautet ihr abfälliges Urteil, und wenn er auftaucht, verschwindet sie schnell. Wie unangenehm, dass ausgerechnet er Zeuge wird, wie sie sich beim Speeddating blamiert. Warum hat sie sich auch von ihrer Kollegin Kirsten zu dieser Aktion überreden lassen! Matilda sucht doch gar keinen Mann! Sie ist als Single vollkommen zufrieden. In ihrem Kopf ist mehr los als im Leben mancher Mitmenschen, und sie versteht nicht, warum ihr Umfeld sie immer wieder zu Aktionen nötigen will, an denen sie keinerlei Interesse hat. Doch eines muss sie zugeben: Ein bisschen beneidet sie die „liebe Schöne“, die von dem Mann mit der unlesbaren Unterschrift so herrlich romantische, humorvolle und selbstironische Liebesbriefe bekommt. Das heißt, sie bekommt sie ja nicht! Sie landen bei Matilda, weil die Adresse nicht lesbar ist. Als der kritzelnde Kavalier sich mit seiner „Schönen“ verabreden will, geht Matilda an ihrer statt zu dem Treffpunkt um ihm zu sagen, dass seine wunderschönen Briefe ins Leere laufen. Doch ganz so einfach ist die Arbeit als Glücksbotin nicht! Und auch die Geschichte von Michel und Leni entwickelt sich nicht so, wie Matilda sich das ausgemalt hat. Also, ab und zu ein Happy End wäre schon nicht schlecht …! Matilda, der menschenscheuen Heldin des Romans, würden wir ein Happy End auch von Herzen gönnen – eines nach ihren Vorstellungen, wohlgemerkt. Dass man Menschen wie sie weder „reparieren“, therapieren noch bekehren muss und ihnen auch nicht die eigenen Vorstellungen von Spaß und Glück aufzwingen sollte, das wird in dieser Geschichte deutlich. Dass aber auch Eigenbrötlerinnen über sich hinauswachsen können, wenn sie ein entsprechendes Ziel vor Augen haben, das sehen wir hier auch. Ihr Engagement für gestrandete Gefühle animiert Matilda dazu, ihre Komfortzone zu verlassen, und so kann in ihrem Leben Neues entstehen. Die Lebens- und Liebesgeschichte von Leni und Michel ist wirklich überaus berührend, und man kann verstehen, dass ihr das nahegeht. Dem geheimnisvollen Romeo mit der unleserlichen Schrift bin ich vielleicht ein bisschen zu schnell auf die Schliche gekommen. Aber egal! Er schreibt so gefühlvoll, amüsant und ehrlich, dass ich das nicht als Manko empfunden habe. Vor allem seine Idee mit den „100 kleinen Wahrheiten“ ist klasse! Das sollte man glatt selbst mal probieren.

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