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Rezension zu
Der Serienkiller, der keiner war

Erschütternde Realität

Von: Kyra
10.03.2019

Sture Bergwall, homosexuell, drogenabhängig und kleinkriminell. Ein paar Psychotherapeuten sehen in ihm noch mehr, eine weitaus größere Gefahr: Sture soll mehrere Menschen brutal ermordet haben! Doch er kann sich nicht erinnern, bis sich ein Kreis von Analytikern seiner annimmt und mit einer neuen Methode seine Erinnerungen zurückbringen kann. Doch ist Sture wirklich der Mörder oder ist alles nur ein schreckliches Experiment? Wenn man den Klappentext liest und die ersten Seiten des doch recht dicken Wälzers gelesen hat, vermutet man einen Thriller mit Blut, Verbrechen, falschen Verdächtigungen und eben allem, was dazugehört. Es könnte einer der besten Thriller der letzten Jahre sein, der einen packt und nicht mehr loslässt. Doch es handelt sich ganz und gar nicht um eine fiktive Kreation, sondern um eine wahre Begebenheit, die zu einem der größten Justizskandale Schwedens der letzten Jahrzehnte mutiert ist. Bei der Lektüre erkennt man schnell eine eingehende Recherche, die nicht nur schwarz-weiß malt und nach Opfern und Tätern gesucht hat, sondern die auch tiefer gegraben hat und so den Versuch unternimmt, den Weg darzustellen, wie es überhaupt so weit kommen konnte. Die Macht der Psychologen, der Seelenanalytiker, die meinen, sie könnten alles entdecken, was man absichtlich oder aus Versehen tief in seinem Inneren vergraben hat, ist nicht zu unterschätzen. Allerdings macht dieser Roman deutlich, dass man sie auch nicht überschätzen darf. Es geht um Manipulation und Machtmissbrauch, um gescheiterte Lebenswege und die zwanghaften Versuche, das eigene Trauma zu überwinden, um das eines anderen zu behandeln. Die psychologischen Fakten, Theorien und aufgestellten Thesen sind gut bearbeitet und recherchiert worden. Kein blindes Abtippen aus Büchern oder Gesprächsprotokollen, sondern die Frage nach Hintergrund, Herkunft und Entwicklung ist gestellt und beantwortet worden. Anstatt trister und manchmal vermutlich auch etwas schwer verdaulicher Wissenschaft, wird auch für den Nicht-Akademiker erklärt, um was es geht, welche Ziele, Wege und Theorien zugrunde liegen und wie die involvierten Psychotherapeuten vorgegangen sind. Der Blick fällt immer wieder von Sture zu seinen Analytikern, zu den Ermittlern und kommt schließlich wieder zurück zu ihm. So wird es nicht langweilig, aber das könnte das Buch ohnehin kaum werden. Man mag gar nicht glauben, dass so ein Skandal in einer mutmaßlich aufgeklärten und doch offenen Welt wie der heutigen möglich ist – und selbst bei einem fiktiven Thriller würde man sich hin und wieder mal die Frage stellen, ob der Schreiber sich nicht etwas zu weit aus dem Fenster lehnt und seiner Fantasie nicht zu viel Spielraum gelassen hat. Man kann sich nicht vorstellen, dass so etwas wahr sein könnte. Der Umgang mit einem Täter, der zum Serienkiller geredet und analysiert wird, ist schlichtweg unmenschlich. Dass die Justiz zulässt, dass sich Pseudowissenschaftler ein Versuchskaninchen aus einem Pool mutmaßlicher Straftäter nehmen und dort haarsträubende Theorien ausprobieren, die reine Spekulationen einer verzweifelten, alten Psychologin sind, die etwas sein wollte, das sie niemals gewesen ist und nur durch manipulative Machtspielchen und einer dominanten Ausstrahlung vermeintlich erreichen wird, ist skandalös. Das Buch zeigt, wie schnell man ein Opfer der Justiz, vor allem aber von Psychologen werden kann. Natürlich möchte ich deren Erfolge nicht schmälern, aber so manche Methode doch stark anzweifeln. Unzurechnungsfähigkeit oder Schuld anhand dieser Theorien festzustellen, erscheint schwierig, ja sogar gefährlich. Sture Bergwall hat einen Kampf gewonnen, aber sein Leben verloren. Das Zeugnis des Skandals, das hier abgelegt wird, hinterlässt viele Fragen nach Sinn und Unsinn psychologischer Gutachten und deren Glaubwürdigkeit. Ein spannendes und gleichermaßen erschütterndes Buch, das man nicht mehr aus der Hand legen kann.

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