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Rezension zu
Der zweite Schlaf

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

"Der zweite Schlaf" von Robert Harris

Von: Fraggle
08.10.2019

Fazit: Ich bin ja bekennender Fan der Bücher von Robert Harris. Und ich erwähne das auch nahezu immer bei den Rezensionen seiner Bücher vorneweg, um der Leserschaft zu verdeutlichen, dass das, was folgt, möglicherweise nur so semi-objektiv sein könnte. Trotz der Tatsache, dass ich bekennender Fan der Bücher von Robert Harris bin, hat er mich allerdings zuletzt weder mit „München“ noch mit „Konklave“ so wirklich überzeugt. Wir steuerten also auf eine eher schwierige Leser-Autor-Beziehung zu, der Robert und ich. Glücklichweise hat er mit „Der zweite Schlaf“ alles nur Mögliche getan, um die früher vorherrscheinde Harmonie wieder in diese Beziehung einziehen zu lassen. Postapokalyptische Romane, Filme, Spiele gibt es wie Sand am Meer. Darin kämpft sich der Protagonist dann entweder durch die U-Bahn-Tunnel des verstrahlten Moskau, ballert mit PS-Boliden durch wüste Einöde und trifft auf Tina Turner oder trinkt Nuka-Cola und bezahlt mit Kronkorken. Harris´ Postapokalypse unterscheidet sich von oben genannten in erster Linie dadurch, dass sie weniger trostlos und trotzdem kein bisschen weniger faszinierend wirkt. Um ehrlich zu sein, ist das Setting des Romans, und das, was Harris, daraus macht, größtenteils das, was den Roman trägt und ihn so besonders macht. Zu Beginn des Romans begleiten wir den jungen Priester Fairfax an einem „Nachmittag des neunten Tages im April des Jahres Unseres Auferstandenen Herrn 1468“ zu Pferde auf dem Weg in ein abgelegenes Dorf, in dem der dort ansässige Priester verstorben ist. Spätestens bei der Beschreibung eines durch die Gegend fliegenden Sittichs wird allerdings deutlich, dass wir uns unmöglich in England des 15. Jahrhunderts befinden können, denn Sittiche hatten dort zu dieser Zeit nichts in freier Wildbahn verloren. Und wir befinden uns auch gar nicht im uns bekannten 15. Jahrhundert. In Harris Roman ist die Welt, wie wir sie kennen, nämlich untergegangen – im Jahr 2025 übrigens, lasst also, ihr, die ihr eintretet, alle Hoffnung fahren – und die Überlebenden haben eine neue Zeitrechnung etabliert. Um nicht zu viel zu verraten, verrate ich diesbezüglich nicht mehr viel. Wie es nun zur Apokalypse gekommen ist, die, wie es sich für eine anständige Apokalypse gehört, den Großteil der Menschheit das Leben gekostet hat, nun, diese Frage macht einen Großteil der Faszination des Romans aus, neben der Frage, wie sich die Gesellschaft nach der Apokalypse entwickelt hat. Spannenderweise hat neben Kakerlaken und Keith Richards, denen ja, wie allgemein bekannt, eine Apokalypse nichts anhaben kann, auch die Religion überlebt. Das führt nun wieder zu Problemen, insbesondere für den Protagonisten Fairfax. Manche Dinge ändern sich halt nie … Besagter Fairfax ist es auch, dem ich im Bereich der Charaktere als Einzigen genauer betrachten möchte. Die Nebenfiguren taugen in erster Linie dazu, zu verdeutlichen, dass sich die Menschen eben doch nicht ändern und sich bestimmte Charaktereigenschaften der Menschen, beispielsweise Habgier, auch von einer Apokalypse nicht ausrotten lassen. Fairfax dagegen ist gut gelungen, seine persönliche Entwicklung ist nachvollziehbar und sein innerer Konflikt angesichts seines bewussten Handelns gegen die Richtlinien der Kirche ist überzeugend dargestellt. Stilistisch ist auffällig, dass sich Harris Charaktere einer eher anachronistisch wirkenden Redeweise bedienen, die allerdings begründet wird und für mich nicht nur deshalb absolut stimmig wirkt. Abgesehen davon konnte ich Harris stilistisch – „München“ vielleicht mal ausgenommen – noch nie sonderlich viel vorwerfen und kann es auch hier nicht. Was bleibt, ist ein wirklich spannender Roman, der zum Denken anregt und der im Grunde einen topaktuellen Bezug hat. Beispielsweise hätte ich mich diesbezüglich auch noch über die Brexit-Thematik, auf die sein Buch mit Sicherheit etwas abzielt, oder auch die Entwicklung des Frauenbildes in seinem Setting auslassen können, aber einerseits würde das den Rahmen sprengen und andererseits muss man ein bisschen geistige Arbeit ja auch der Leserschaft überlassen. :-) Wer also Harris-Fan ist, für den ist „Der zweite Schlaf“ meines Erachtens absolutes Pflichtprogramm, aber auch jedem der das nicht ist, kann ich eine absolute Leseempfehlung aussprechen.

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